Hau drauf! Der ist männlich!

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Ich bin ja bekanntlich ein männliches Wesen. Das hat man mir nach der Geburt so gesagt. Wahrscheinlich aus der Geburtsurkunde abgelesen, da steht es schließlich auch drin. Das ist vor allem für frische Kreißsaalschwestern und -schwesterinnen immer gut zu wissen: Falls man nicht genau erkennen kann, was es ist, immer in die Geburtsurkunde lünkern. Da steht das drin. Ich kann mich zumindest nicht daran erinnern, dass es nach meiner Geburt da reingeschrieben wurde. Mysteriös aber unwichtig.

Also ich bin ja nun einer von denen, die aus Sicht einiger Frauen und auch Männer die Schuld seines Geschlechts mit sich tragen müssen. Ich muss mich ja beinahe dafür schämen, dass ich männlich bin. Zumindest kommt es mir gelegentlich so vor, wenn mal wieder irgendwo konstatiert wird, dass Männer oberflächliche Penner seien, weil sie attraktive Frauen anlächeln oder sogar einfach nur anschauen, was ein barbarischer Akt der Unterdrückung zu sein scheint. Dass der erste Eindruck immer ein optischer ist und jeder Mensch dem anderen erstmal nur vor die Birne schauen kann, um ihn einzuschätzen: geschenkt. Der Feminismus sieht das etwas anders, bedient sich kurioserweise aber exakt jener verteufelten Praxis, um die Männlichkeit kategorisch zu diskreditieren.

Nun haben Frauenrechtsbewegung und Emanzipation meine vollste Unterstützung, weil ich den ganzen Wirbel um die Geschlechterdifferenz sowieso kaum nachvollziehen kann. Also Schwamm drüber. Mensch ist Mensch. Soll jeder machen, was er will, mit jedem in die Kiste hüpfen, wie er es gerade will (einvernehmlich) oder kochen, Gartenarbeit machen, Häuser bauen, Manager werden, Regie führen. Der letzte Punkt ist im Oktober 2015 zum Thema geworden. Wenn ich es recht verstanden habe, möchte ein Tochterunternehmen der ARD eine Quote festlegen, die regelt, wie oft eine Frau im Regiestuhl Platz nehmen soll.

Damit kommen wir zum Anliegen dieses Artikels. Ich frage mich nämlich, warum das alles unbedingt öffentlichkeitswirksam erzwungen werden muss? Ja, es gibt die Unterschiede in einigen Punkten und man tut gut daran, die Barrieren und Vorbehalte im Hirn mal langsam abzubauen. Aber jedes mal, wenn thematisiert wird, dass Frauen doch öfter bestimmte Ämter bekleiden sollten, denke ich an den Sportunterricht zurück:

Lehrer: „Jetzt wählt doch den Konstantin nicht immer als letztes! Die nächste Mannschaft, die einen Spieler wählt, bekommt den Konstantin.“

Konstantin: (in Gedanken) „Was für ein super Gefühl, zu wissen, dass ich völlig freiwillig und ohne jeden Zwang in diese Mannschaft gewählt wurde.“

Jedes mal, wenn diese Thematik auftritt, markiert man doch erst recht die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern. Und jedes mal – um den Faden nochmal kurz aufzugreifen – wenn die feministische Front die bösen Männer an den Pranger stellt, stellt sie die Frauen kollektiv in die Ecke zu Konstantin. Schwach, hilfsbedürftig, unterdrückt.

Die Werbung hat neuerdings eine „subtilere“ Methode für sich entdeckt, Frauen als starke Personen auftreten zu lassen: Sie lässt die Männer einfach wie die größten Horste auftreten. Ich habe nichts gegen Horste. Ich kannte mal einen. Netter Kerl. Aber man sagt das ja so, deshalb bitte nicht aufregen. „Subtilere“ steht übrigens deshalb in Anführungszeichen, weil mir die Sache erst beim konsequenten Werbungschauen aufgefallen ist; dann aber umso drastischer.

Es handelt sich insbesondere um die Spots der Marke HD + von RTL. Neben dem Produkt selbst treten vor allem zwei Charaktere auf: Sie und Er. Während Sie so tut, als wüsste sie nicht, wie man diese blöde HD + Card in den Fernseher wurstet, tritt Er vor allem durch scheelen Gesichtsausdruck und Ratlosigkeit in Erscheinung.

Um es kurz zu machen, bekommt Er es nicht gebacken und Sie behält die Oberhand, weil Sie ihm die entscheidende Hilfestellung gibt. Oberflächlich werden also verfestigte Verhaltensmuster abgebildet, die man als Klischees bezeichnen kann: der technikaffine Mann, die schöne Frau. Fies wird die Sache, weil Sie ihm gegenüber generell sarkastisch reagiert. Der Typ wird zur Lachnummer, die Frau zur wunderschönen Heldin. Am Ende des Spots bleibt der Beigeschmack, dass es hauptsächlich darum ging, ihn niederzutrampeln, um sie über die lächerliche Männlichkeit triumphieren zu lassen.

Ok, ok. Das ist alles halb so wild und mich stört es auch nur am Rande, weil die Werbung das tut, was sie tun soll; nur eben auf Kosten der einen Seite. Es ist eigenartig, dass heute auf Männern rumgehackt werden darf, weil sie es ja wegen der letzten Jahrhunderte auch nicht anders verdient haben, während bei dem geringsten Anflug von Ungleichbehandlung zu Ungunsten der Frau das Fass namens Sexismus feierlich geöffnet wird. Einige Bestrebungen der Gleichstellung schießen einfach über das Ziel hinaus, was man unter anderem an der Argumentation erkennt, dass Frauen ewig von uns (!) – auch von mir höchstpersönlich, wie es scheint – unterdrückt wurden und es jetzt ja wohl mehr als gerechtfertigt wäre, den Spieß mal umzudrehen. Das kann nicht richtig sein – und das behaupte ich nicht, weil ich meine Ehre als Mann verletzt sehe. Warum auch? Das ist „nur“ Werbung und was mich nicht anspricht, hat mich offensichtlich auch nicht ansprechen wollen. Es geht nur darum, dass das „gleich“ in „Gleichstellung“ Programm sein sollte – ist es aber nicht.

Es sind in den Medien oft Formulierungen, wie „starke Frauen“, „selbstbewusste Politikerinnen“, „emanzipierte Aktivistinnen“…muss das so markiert werden? Ich halte es für selbstverständlich, dass Frauen das tun, was sie tun. Ich nehme zur Kenntnis, dass wir eine Bundeskanzlerin haben, aber ich finde Jahre nach ihrer Wahl muss das nicht immer und immer wieder hervorgehoben werden. Einfach weil es normal ist. Ebenso, wie ich nicht im entferntesten an die Genderdiskussion oder Quoten gedacht habe, als ich vor einigen Jahren auf meiner Arbeit plötzlich eine weibliche Vorgesetzte hatte.
Aber weil diese Dinge allzu oft als Besonderheiten hervorgehoben werden, verkommt die Geschlechtergleichstellung zur Mannschaftswahl im Sportunterricht. Medial ausgefochtene Konflikte werden dadurch wohl eher nicht geschlichtet – ganz im Gegenteil.

Übrigens: Umkehren lässt sich die Werbung von RTL HD+ nicht. Eine Frau, die eine technische Sache nicht ans Laufen bekommt, während der Mann als Retter erscheint, passt nicht in den aktuellen Umgang mit Gleichstellung. Der Mann dar einfach nicht den überlegenen Part darstellen.
Oder noch plakativer:

Mann: „Schatz, brauchst du beim Kochen etwas Hilfe?“

Frau: „Nein, vielen Dank.“

Mann (zur Kamera): „Natürlich könnten wir auch selber kochen. Aber warum sollten wir, wenn doch eine gute Hausfrau und Köchin da ist?!“

Frau: (schaut ratlos ins Rezeptbuch)

Mann: „Frau, das riecht ja scheußlich. Lass mich mal ran!“

(Das Essen steht auf dem Tisch)

Frau: „Das habe ich doch lecker gekocht, nicht wahr?“

Mann (sarkastisch): „Genau, das hast DU gaaanz lecker gekocht.“

So herum würde die halbe Welt „SKANDAL!“ brüllen und RTL HD+ bzw. Maggi (in obigem Gegenbeispiel) müsste sich in einer Stellungnahme demütigst entschuldigen und erklären, was jedem längst klar ist:

Liebe Köchinnen und Köche,

wir entschuldigen uns demütigst für unseren aktuellen Werbespot, der bei vielen Menschen den Eindruck erweckt hat, wir würden die Frau der Lächerlichkeit preisgeben wollen. Das war nicht im Entferntesten unsere Absicht, aber trotzdem bitten wir um Verzeihung.
Der Spot wurde unverzüglich zurückgezogen. Stattdessen haben wir uns dazu entschlossen, sämtliche Führungspositionen mit Frauen zu besetzen. Unser Marketingleiter wurde zum Putzdienst in Zeitarbeit degradiert und darüber hinaus werden wir von jetzt an nur noch Werbespots produzieren, die im Falle einer ironischen Überspitzung niemals mehr Frauen, sondern nur Männer persiflieren.

Die haben es nämlich verdient! Die Säcke!

Zu viel, zu aufgesetzt, zu unausgeglichen. Eigentlich kann man die ganze Sache auf diese drei Punkte reduzieren. Hätte ich mir also den kompletten Artikel sparen können. Warum ich ihn trotzdem geschrieben habe? Weil es meine vom Schicksal auferlegte und geerbte Pflicht ist, nun endlich zu leiden, um die kollektive Schuld der Männlichkeit zu begleichen! Ich diktatorischer Mann, ich! Ob ich irgendwann geläutert sein werde? Wird mir Alice Schwarzer jemals verzeihen, dass es für mich weder etwas Besonderes ist, dass ein Mann ein Unternehmen leitet, noch dass eine Frau an der Spitze einer Firma steht? Muss ich auf die Straße gehen und fordern, dass der Mann bitte für eine Frau Platz machen möge, weil er ein Mann ist?

Manchmal verstehe ich diese Welt nicht so richtig.

7 Kommentare

  1. Was die Quotenregelung betrifft, gebe ich Dir völlig Recht. Ich als Frau verstehe das auch nicht. Und halte es zudem für Heuchelei. Viel wichtiger wäre m.E. nämlich, dass sogenannte „Frauenberufe“ besser bezahlt werden.Also KindergärtnerInnen, PflegerInnen, Krankenschwestern usw. Hier liegt die eigentlich Ungerechtigkeit. Während des Studiums habe ich mal als Stationshilfe gejobbt, also auf Intensivstationen geputzt, und nur ein Drittel des verdient, was der männliche Kollege erhielt, der die Gänge mit so einer Maschine putzte. Der hatte allerdings auch ne andere Berufsbezeichnung.
    Um solche Themen aber scheinen sich die feministischen Initiativen nicht zu kümmern, vielleicht, weil sie das Wort „typischer Frauenberuf“ nicht in den Mund nehmen wollen?

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    • Ich glaube ja nach wie vor, dass das vermeintlich starke Argument des Feminismus die größte Schwäche ist. Die Betonung eines Umstands vergrößert die Differenz mehr, als es sie verringert. Das trifft eben auch in Bezug auf die Quoten zu.
      Bezüglich der Bezahlung bin ich der Meinung, dass weniger darüber geredet werden, sondern einfach gemacht werden sollte. Das Reden schafft nur wieder diese Abgrenzung „Frauen – Männer“. Wenn man die Unterschiede einfach angleicht, ohne das großartig zu thematisieren, bemerkt es kaum jemand und es wirkt weniger erzwungen und schlicht „normal“.

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      • Naja, das meine ich ja.Aber eben auch bei der Bezahlung. Ich bin Ingenieur. Wenn ich wüsste, dass ich einen Job nur kriegen würde, weil ich eine Frau bin, würde mich das im Job sofort verunsichern, weil ich das Gefühl hätte, nun beweisen zu müssen, tatsächlich besser zu sein als der Mann, der den Job nicht gekriegt hat, weil er ein Mann ist. Das meine ich wirklich so… und kriege für diese Meinung ständig auf die Rübe. Muss man..äh frau.. aushalten

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  2. „Das Antlitz ist der Seele Spiegel“ – das Äußere drückt das Innere aus und beides bildet eine Einheit: Das ist ganzheitlich gedacht und doch reden Leute, die in jedem 2. Satz ein „ganzheitlich“ unterbringen mit Vorliebe von Dingen wie „innerer Schönheit“; unter der Prämisse der Ganzheitlichkeit dann meist ein Oxymoron. Und da dem Auge nur das Äußere zugänglich, ist dies das Tor zur Erkenntnis des Inneren: klassische Kontemplation im Unterschied zur eher metaphysischen Meditation.

    PS: Erzieher und Pflegepersonal werden im öffentlichen Dienst genauso eingruppiert wie andere Berufe mittlerer Ausbildungsebene und der primär Leidtragende der quotenbestimmten Stellenbesetzung ist natürlich der Leerausgehende.

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  3. Ich bin ja absolut für die Quote. Aber nicht, weil ich meine, dass unqualifizierte Frauen nur aufgrund ihres Geschlechtes einen Job bekommen sollen, sondern weil ich denke, dass sonst niemals die Rahmenbedingungen für Familien verbessert werden. Kinderbetreuung bezahlen oder flexible Arbeitszeiten anbieten sind eben fast überall Wunschvorstellungen und so lang viele Unternehmen nicht gezwungen werden hier umzudenken, wird sich in diesen Konzernen nichts ändern. Sicher könnte man dies auch anders vorantreiben, aber so lange in den Köpfen vieler der Mann sich eben gerne 60 Stunden für den Job aufopfert und die Frau dem Konzern nur Kosten bereitet, weil ständig wegen der Kinder weg, so lange wird sich für beide Geschlechter nichts in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Job verbessern. (Und mir ist durchaus bewusst, dass manche Firmen hier bereits umdenken, aber das ist ja leider nicht die breite Masse)

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