„Ich will nicht in die Schule oder die Uni. Gib mir einfach meinen Abschluss!“

Klar, niemand hat gerne viel zu tun. Auch in meiner relativ langen aber überaus erfolgreichen Studienkarriere gelangte ich an diverse Punkte, an denen ich den Rotz gerne einfach hingeschmissen hätte. Mal war es ein Moment größter Motivationslosigkeit und mangelnder Kreativität, der dafür sorgte, dass ich vor der Gliederung einer Hausarbeit saß und keine Ahnung hatte, wie die kommenden 20 Seiten gefüllt werden könnten. Lorem ipsum* wäre eine Alternative gewesen, die aber vermutlich meinen Rausschmiss bedeutet hätte. Einen Versuch wäre es eigentlich wert…vielleicht in der Masterarbeit. In anderen Situationen saß ich in Seminaren und fragte mich, warum zur Hölle ich mir den Kram anhören sollte, mit dem ich wohl in den seltensten Fällen je wieder was zu tun haben würde. Die Antwort lautet vermutlich: Weil die Uni es kann.

Und weil es nunmal zum Studium dazugehört.

Für jeden Rotz wird mittlerweile eine Petition ins Leben gerufen. Möglicherweise aus purer Langeweile, weil aufm Handy sonst nichts passiert und man den Schein gesellschaftlichen Verantwortungsbewusstseins wahren möchte. „Schein“ deshalb, weil solche Auswüchse virtueller Empörtheit in den meisten Fällen im Sand verlaufen. So, wie sich alles Virtuelle irgendwie von ganz allein wieder in die Tiefen des digitalen Nirgendwo zurückzieht. Konsequentes Handeln ist offensichtlich keine weit verbreitete Stärke der heutigen Zeit. Gestern noch wurde gegen zu viele Pappbecher für Mitnehmkaffee – ja, ich weiß, „coffee to go“ heißt dieses hippe Gesöff – auf dem Campus protestiert, morgen schon beschweren sich die ersten darüber, dass wegen der Müllentsorgungskosten für jeden Kaffee zum Mitnehmen ein paar Cent mehr bezahlt werden sollen. Warum?

„Ja, gestern hat mich das ja noch nicht interessiert, Mann!“

Soso…

Und der Knaller war, als die HHU Düsseldorf vor ziemlich genau einem Jahr ganze zwei Wochen vor Semesterbeginn mit der frohen Kunde malträtiert wurde, dass für einen Großteil der Veranstaltungen keine Anwesenheitspflicht mehr gelten darf. Für Vorlesungen wurde die ohnehin schon drei Semester zuvor gekippt, aber die flächendeckende Anwendung stellte die Dozenten (besonders der Germanistik) vor ein Dilemma: Die Studienordnung ist darauf aufgebaut, dass für jede Veranstaltung der Nachweis erbracht werden muss, dass das behandelte Thema verstanden wurde oder man sich beteiligt hatte. Diese Aufgabe wurde bislang mit Anwesenheitslisten, Referaten und Stundenprotokollen gelöst. So steht es auch in der Studienordnung. Nun erfordern sowohl Anwesenheitslisten als auch Referate als auch Stundenprotokolle die unumstößliche Notwendigkeit, dass ein Student mindestens einmal im Seminar gesessen haben muss…was ja neuerdings nicht mehr verlangt werden darf…weil das ja einen zu großen Eingriff in die Freiheit des Menschen bedeutet (das sind nicht meine Worte sondern war die offizielle Begründung für die Abschaffung der Anwesenheitspflicht).
Als Argument gegen die Anwesenheitspflicht wird ins Feld geführt, dass die Studenten von heute ja auch noch Geld verdienen müssten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Genau das habe ich die letzten Jahre getan. Mit Anwesenheitspflicht und in dem Bewusstsein, dass auch diese Hürde einen Teil des Reifeprozesses darstellt, den man seit der Schule im besten Fall durchläuft. Seit einigen Semester aber strömen Studenten an die Uni, denen selbstständiges Arbeiten und Selbstorganisation vollkommen fremde Begriffe sind.

„Irgendjemand wirds schon richten.“ 

„Ich habe keinen Platz in diesem oder jenem Seminar bekommen? Kein Problem. Papi klagt mich in die Veranstaltung.“

„Ich erkundige mich ganz öffentlich danach, welcher Dozent die besten Noten vergibt.“

„Wenn ich etwas brauche, suche ich nicht selbst, sondern lass es andere für mich googeln.“

Ich kann diese Entwicklung nicht verstehen und ich kann den Lärm um Anwesenheitspflichten an Unis nicht nachvollziehen. Generationen vor uns haben es gebacken bekommen, Studium und Lebensunterhalt unter einen Hut zu bekommen. Und plötzlich kommen die digitalen Revoluzzer und stellen Dinge in Frage, die einzig und allein die eigene Bequemlichkeit herausfordern. Ich hatte es schon in einem meiner vorherigen Artikel geschrieben: Wer den höchsten Bildungsabschluss in Deutschland verliehen bekommen möchte, der soll dafür auch eine adäquate Leistung präsentieren. Dass es möglich ist, beweist jeder Absolvent der vergangenen Jahre. Dass es einfach ist, hat keiner gesagt und einfach muss es auch nicht sein.
Was mich allerdings stutzen lässt, ist das, was aus der vermeintlichen Freiheit gemacht wird. Denn seit die Anwesenheitspflicht zumindest an der HHU Düsseldorf gekippt wurde, herrscht in Seminaren eisernes Schweigen. Entweder es kommt niemand mehr (oder einige kehren Wochen später mit Erzählungen aus ihrem Urlaub zurück) oder nur noch zu den verpflichtenden Referaten, in denen eindrucksvoll bewiesen wird, dass man absolut keine Ahnung von dem hat, worum es im Seminar gehen soll. Woran liegt das? Meine Vermutung wäre, dass es heute üblich ist, neugewonnene Freizeit eben nicht für das zu nutzen, wofür sie eigentlich laut Hochschul-Zukunfts-Gesetz (HZG) geplant war. Sie wird durch nichts aufgefüllt. Sie wird nicht sinnvoll genutzt. Wäre es anders, dann hätten die Betriebe bundesweit nicht zu beklagen, dass die Hochschulabsolventen in puncto Selbstständigkeit ganz kleine Lichter sind, die den Anschein erwecken, dass sie seit ihrer Schulzeit den Weg des geringsten Widerstands gegangen sind. Das zeichnet sie wohl aus, diese Generation.

Möglicherweise war ich auch einfach zu blöd, weil ich mich auch durch furchtbare Themen gekämpft habe. Beispielsweise weil ich in meinem Wunschseminar keinen Platz mehr bekommen habe. Geschadet hat es mir nicht. Ein Seminar über Dramentheorie hat immerhin zu dieser Zeichnung geführt:
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* Lorem ipsum ist ein Text, der seit dem Spätmittelalter von Setzern als Platzhalter eingesetzt wurde. Heute findet er noch im Printbereich Verwendung, wenn das Layout geplant wird, der eigentliche Text aber noch nicht vorliegt. Verrückt, dieses Mittelalter. Wer aber nicht alles gut damals.

27 Kommentare

  1. Danke. Danke. Danke. Danke.

    So sehr aus dem Herzen gesprochen. So sehr.

    Die Diskussion gab es an der Uni HH ebenfalls. Am liebsten (nicht!) mochte ich das Parade-Argument dieser Generation „Mimimi“: Wenn ohne Anwesenheitspflicht ein/e Vorlesung/Seminar von niemandem o. nur wenigen wahrgenommen wird, liegt das natürlich am bösen Prof, der die Lehrveranstaltung zu langweilig gestaltet. Anders gesagt: Wenn das Leben kein Ponyhof ist, wollen wir daran nicht teilnehmen. (Ich revidiere Generation „Mimimi“ – Generation „Ponyhof“ passt viel besser.)
    Dass man sich ggf. einfach mal durchbeißen muss, auch durch unspannende Dinge…nunja, lassen wir das. Mit dem Argument wurde einem fix böse Ewiggestrigkeit vorgeworfen, außerdem böse Obrigkeitshörigkeit und so. Hach.

    Bei uns wurde die Anwesenheitspflicht übrigens, zumindest anfangs, beibehalten; zum Ungemach nicht weniger. Ende vom Lied waren allerdings x Reihen Studis, die, statt der Lehrveranstaltung zu folgen, durch Geraschel und Gequatsche diejenigen störten, welche der Veranstaltung gerne folgen wollten. Sprachen Letztere die Störer an und mahnten zur Ruhe, wurde mit frechen Kommentaren gekontert, gerne unter Verweis auf den bösen Zwang, unter dem man sich hier ja nun unfreiwillig befände. Fällt einem nichts mehr zu ein.

    …insofern hat keine Anwesenheitspflicht doch wieder einen Vorteil, nämlich für jene, die das Studium ernst nehmen.

    Zum Glück bin ich fertig mit meinem Studium. Ich muss mir das nicht mehr geben. 🙂

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    • Vielen Dank. Ja, der Tonfall und das ewige Rechtfertigen dieses oder jenes Verhaltens geht mir auch gehörig gegen den Strich. Im ersten – vielleicht auch noch zweiten Semester – kann ich das noch verstehen. Neue Umgebung, neue Leute etc. Aber wenn im vierten Mastersemester noch immer Kommilitonen im Seminar sitzen und der Dozent nur noch den Kopf schütteln kann, stimmt etwas an der Einstellung ganz gewaltig nicht mehr.
      Die Thematik „Studieren heute“ und „Generation Y“ sorgt immer wieder für Zündstoff und wir hier bestimmt noch den einen oder anderen Artikel gebähren.

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      • …am erschreckendsten ist doch beinahe wieder, dass diese Leute es überhaupt in den Master schaffen. Da guckt man sich seinen Master dann an und fragt sich, mit Blick auf ebensolche Absolventen, die ja notenmäßig zumeist auch nicht schlechter dastehen, was der eigentlich wert ist.
        …irgendwas läuft da gewaltig schief…

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      • Volltreffer! Gerade in den Geisteswissenschaften, die größtenteils ohne reine Wissensabfragen auskommen (was grundsätzlich nicht Schlechtes ist), mogeln sich viel irgendwie durch.
        Ein Eignungstest zu Studienbeginn wäre bspw. in der Germanistik in Düsseldorf bitter nötig. Aber damit würde die Uni den Zorn der Öffentlichkeit auf sich ziehen, weil doch ja jeder studieren dürfen soll.

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      • Ach, von Eignungstests halte ich für meinen Teil ebenfalls herzlich wenig. (Die sind gerade und quasi im Besonderen für meinen absolvierten Studiengang immer mal wieder im Gespräch –> Lehramt)

        Schließlich entwickelt sich der Mensch noch weiter, also, hoffe ich doch, ich Optimist. 😉
        …aber ein paar Jährchen Arbeitsleben, so als Reifeprozess vor dem Studium, täte vielen Lern(un)willigen sicherlich ganz gut. 😉

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      • Definiere „klemmt“ und woran merkt man resp. merken die Betroffenen das? 😉

        Wie räumte mal ein (wirklich toller, engagierter und herzensguter) Anglistikprof im Gespräch über Noteninflation & Co ein? „Wenn ich jemandem eine Hausarbeit mit einer 3 bewerte, ist das eigentlich schon ein Zeichen, dass derjenige es sich mit dem Studium nochmal überlegen sollte.“
        …leider sehen das die Betroffenen selbst wohl nicht so, die Generation „Ponyhof“ schon gleich gar nicht. *g*

        Ach ja, kann man sich ewig dran aufhängen und drüber diskutieren.

        Bin schon gespannt auf weitere Beiträge in dieser Kategorie. ^^

        Gute Nacht!

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  2. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es Professoren gibt, deren Veranstaltungen immer gut besucht sind, weil sie einfach gut aufbereitete, interessante Vorlesungen anbieten, während andere Professoren selbst bei den spannendsten Themen die Studierenden in den Tiefschlaf quatschen und sich dann nach der 3. Veranstaltung beschweren, dass keiner mehr kommt. Ich empfinde die Befreiung von der Anwesenheitspflicht eher als eine Befreiung von sinnlosen Veranstaltungen, in denen eh keiner zuhört. Und ich finde es eigentlich nicht schlecht, dass viele Professoren jetzt mal aufgerüttelt werden und ein Sofort-Feedback über ihre Leistung erhalten. Im Master-Studium kenne ich eigentlich keinen Kommilitonen der sich nur durchmogeln möchte. Und auch im Bachelor wollten eigentlich alle was lernen. Wenn die Vorlesungen einen aber nicht weiter bringen, weil der Professor eh nur das Skript vorliest, dann kann ich verstehen, dass einige in der Zeit lieber arbeiten gehen.

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    • Bei Vorlesungen kann ich die Entscheidung der Abschaffung auch nachvollziehen. Aber Seminare leben (zumindest in der Germanistik) vom Austausch, der in den letzten zwei Semester komplett auf der Strecke geblieben ist. Und sowohl Dozenten als auch Themen waren eigentlich Grund zur Teilnahme. Trotzdem kam kaum mehr jemand.

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  3. Ich sehe das Problem im gesamten deutschen System.
    Das erste Problem besteht darin, dass man in Deutschland Abi braucht, um einen stinknormalen Beruf lernen zu können (Bank oder Versicherung z.B.)
    Also wird das Abi viel zu leicht gemacht. Das war zu meiner Zeit vor 25 Jahren schon so. Ich habe, ganz ehrlich, auf dem Gymi eine total relaxte Zeit gehabt. Englisch und Kunst LK. Für meine Abiprüfungen habe ich so gut wie nix gelernt, mein Schnitt war mir ziemlich egal, Hauptsache nicht durchfallen. Ich bin also trotz drei fauler Jahre und fast völligem Nichtstun auf einen Schnitt von 2,5 gekommen.
    Und das ging vielen so. Wer nicht wusste, was er machen will oder wer keinen Bock gehabt hatte, sich um eine Lehrstelle zu bemühen, der ging halt irgendwas studieren.
    Und ich glaube, das ist inzwischen noch schlimmer geworden.

    Jetzt zum Vergleich die Schweiz:
    Hier kannst du mit guten Noten nach der 9.Klasse eine Lehre machen in wirklich allen nicht-akademischen Berufen. Gymi machen nur die, die evtl studieren möchten. Und wenn ich sehe, was meine Kinder hier im Gymi leisten müssen, schäme ich mich fast dafür, das Abi zu haben.

    Dein Artikel hat mich neugierig gemacht. Ich muss mal meinen Sohn fragen, wie das hier an der Uni gehandhabt wird mit der Anwesenheit und wie sich die Kommilitonen verhalten.

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    • Das wird vermutlich an anderen Unis auch etwas anders aussehen. Die Standards weichen teils erheblich voneinander ab. Was allerdings tatsächlich stimmt, ist der Zwang heutzutage, Abi zu machen. Und es wird einem auch offen gestanden nicht allzu schwer gemacht. Ohne das in irgendeiner Form bewerten zu wollen, aber warum gibt es zwei Schulformen, die den selben Schulabschluss vergeben?
      Als Teilnehmer dieses Bildungssystems fällt es mir schwer, eine Fehlerquelle auszumachen, aber ich denke, dass da auf beiden Seiten etwas nicht ganz richtig läuft. Die Studenten sind teils nicht leistungsbereit, die Unis wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen.

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      • Man müsste das System komplett reformieren. Das Schulniveau heben, so dass wie hier eine gute Lehre nach der 9. oder 10. Klasse wieder realistisch wird.
        Und dann die Anforderungen für das Gymi erhöhen.
        Aber eben… Leichter gesagt als getan, das ist mir klar.
        Ich habe heute noch im Ohr, wie unser Deutschlehrer uns sagte, dass wir alle mit Pauken und Trompeten versagen würden, wenn er uns eine Abiklausur von vor 10 Jahren vorlegen würde. Ich hoffe, der arme Mann ist inzwischen pensioniert und bekommt das Elend nicht mehr mit 😂.

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  4. Zunächst mal stimme ich euch zu…wer etwas erreichen will, der soll auch was dafür tun. Ob dazu aber Anwesenheitspflicht nötig ist – weissichnich…als ich in grauer Vorzeit (ok…2008) meinen Abschluss erwarb, da hieß das noch Diplom. Auf dem Weg dahin galt es natürlich auch diverse Veranstaltungen zu besuchen. Vornehmlich Vorlesungen, aber auch im späteren Verlauf mindestens 3 Seminare und lediglich diese waren wirklich Pflicht, da sie auch die Abgabe einer Hausarbeit erforderten. In keiner der Vorlesungen gab es bei mir damals Anwesenheitspflicht. Allerdings schloss jede Veranstaltung mit einem Schein, zu dessen Erwerb man eine Klausur schreiben musste. Diese waren meist nicht ohne und da man für das Weiterkommen diverse Pflichtscheine bestanden haben musste, sollte es im Interesse eines jeden gewesen sein sich auf die Klausuren entsprechend vor zu bereiten. Gut – Internet gab’s damals auch schon, aber für das, was man uns abverlangte war es schon recht nützlich sich auch mal live an zu kucken, was der Dozent da so doziert. Wer meinte, er käme auch ohne Tutorien und Vorlesungen klar, der konnte sein Glück auch so versuchen. Wichtig zu wissen war aber, dass man eine Klausur nur 2x vergeigen durfte…das Vergeigen kostete zum einen Zeit, weil man halt wieder ein Semester zur Wiederholungsklausur warten musste und wer z.B. so einen Pflichtschein wie „Mathe 1“ voll versägte, der konnte sich das Studium klemmen. Schlicht und einfach flog man dann halt…und war mit dem Fliegen für den Studiengang gesperrt. Nicht nur in Gottfried Wilhelms „Keksens“ Uni, sondern für den kompletten Studiengang egal-wo…ich hab’s – wie schon eingangs erwähnt – geschafft und ich war tatsächlich freiwillig in fast jeder für mich relevanten Veranstaltung auch vor Ort. Die, die meinten sie hätten das nicht nötig sortierten sich durch Verkacken selbständig aus und/oder stellten irgendwann fest, dass das alles eben doch nicht so einfach ist und wechselten den Studiengang oder die Uni…hatte auch noch zwei Vorteile, denn die, die da waren nervten aus Eigeninteresse nicht großartig rum und man konnte den Vorlesungen gut folgen und spätestens nach dem Vordiplom bekam man auch so gut wie in jedem Hörsaal einen Platz, weil aus über 600 Studienanfängern nur noch 300 geworden sind…

    Mag aber vielleicht auch am Fach gelegen haben…da habe ich eine andere Richtung eingeschlagen als du oder das Nordmädchen (ich trage den klingenden Titel des diplomierten Ökonomen) aber ich fand den Ansatz ohne die Anwesenheitspflicht nicht schlecht. Die nämlich zwang einen dazu sich zu motivieren und sich darüber klar zu werden, dass man den Allerwertesten SELBST hochkriegen muss, um etwas zu schaffen und das „Papi“ halt nicht immer helfen kann.

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    • Bei uns ist es ebenfalls so, dass eine Prüfung beim dritten Mal sitzen muss. Andere Fakultäten verfahren da anders und man kann sogar eine Prüfung freiwillig wiederholen, um seine Note zu verbessern.
      Ich glaube ein großer Unterschied zwischen unseren Fachrichtungen ist der Studienaufbau. Im ersten Semester hatte ich nur Vorlesungen und ab dem zweiten Vorlesungen und Seminare. Ein sogenanntes Modul besteht aus zwei (teilweise drei) Veranstaltungen (Vorlesung + Seminar). Hausarbeiten gehörten also seit dem zweiten Semester zum Alltag und da war es tatsächlich ratsam, regelmäßig anwesend gewesen zu sein. Jetzt gestaltet es sich aber so, dass Dozenten über den geringen Tiefgang von Arbeiten klagen. Wie auch, wenn niemand mehr kommen muss? Das betrifft aber tatsächlich nur die Seminare, nicht die Vorlesungen.

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  5. EINEN Vorteil würde ich als Außenstehender in diesem Wegfall der Anwesenheitspflicht sehen: Diejenigen, die den Abschluss schaffen, haben den ECHTEN Nachweis erbracht, dass sie verantwortungsbewußt genug sind und zudem die notwendigen Veranstaltungen auch tatsächlich besucht haben.

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    • Das wäre tatsächlich ein Mehrwert. Andererseits werden viele Bachelorstudenten mehr oder weniger durchgewunken. Das ist natürlich nur meine subjektive Sicht der Dinge, aber teilweise werden Hausarbeiten zum selben Thema trotz erheblicher Unterschiede identisch bewertet oder sogar zu Ungunsten der anspruchsvolleren Ausarbeitung. Man wundert sich manchmal.

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  6. Das ist die Generation „Work-Life-Balance mit mehr Life als Work“…kaum wird es mal etwas anspruchsvoller, wird mit der Burn-out-Keule gewedelt.

    Das sehe ich an einigen meiner Mitarbeiter:
    Gerade die junge Generation scheint oftmals viel weniger belastbar zu sein, was zur Folge hat, dass die „alten Hasen“ alles ausbaden dürfen und sich wirklich derart aufreiben, sodass man sich als Vorgesetzter ernsthaft Sorgen machen muss. Gegen Krankenscheine hat man keine Chance (was an sich ja auch gut ist, wenn es nicht ausgenutzt wird!).
    Im Gegenzug wissen die jungen Leute ganz genau über ihre Rechte Bescheid und „klagen“ sich diese ein.
    (Nebenbei…ich bin auch noch nicht so alt und schäme mich manchmal für das Verhalten, der Gleichaltrigen/unwesentlich älteren/jüngeren Menschen.)

    Schon in der Schule wird gestöhnt, wie schlecht es den armen „Kleinen“ heutzutage geht. Der Lernstoff nimmt zwar zu und doch haben es auch Jahrgänge zuvor geschafft. Was wollen sie denn bitteschön später mal ihrem Arbeitgeber sagen?
    „Du Chef…zwei Tage arbeiten ist ja ok, aber alles weitere ist echt voll stressig. Wann soll ich da noch mit meinen Kumpels um den Block ziehen?!“ Natürlich bei vollem Gehalt, versteht sich.

    Und genauso läuft es bei vielen Studenten. Jeder ernsthaft lernende Student (dazu habe ich mich dazumal auch gezählt) greift sich an den Kopf, was da abgeht. Ich habe es im Übrigen gehasst mich ständig zu rechtfertigen, dass ich eben NICHT zu den typischen Klischee-Studenten gehöre. Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen.

    Ich fürchte um die zukünftige Arbeitsmoral! Es gibt zwar genug Fälle, wo es genau andersherum läuft und sich Menschen bis zur Selbstaufgabe in den Dienst stellen (freiwillig oder weil sie keine Wahl haben), aber der Trend geht bei vielen Leuten dazu, nur so viel wie nötig zu tun, aber die Hand ganz schnell aufzuhalten, wenn es um die Bezahlung geht.
    Der Gemeinschaftssinn (gegenseitige Hilfen unter Kollegen) geht flöten und die Devise wird herrschen: „Warum sollte ich dies oder jenes tun. Die anderen würden es doch auch für mich nicht machen!“
    So ist sich am Ende jeder selbst am allernächsten! Traurig.

    Auch die Dankbarkeit untereinander nimmt mehr und mehr ab. Vieles wird als selbstverständlich abgetan.
    Postive Erlebnisse geraten schnell in Vergessenheit, während auf Problemen oder Unzulänglichkeiten ewig herumgeritten wird. Einem selbst geht es ja immer schlechter als den anderen! Da kann ich nur die Augen rollen.

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      • Kommt mir garnicht bekannt vor. Vermutlich ist mein Studium zu lange her und war auch die falsche Richtung. Bei den Ingenieuren und Informatikern waren Probleme eher im Bereich soziale Interaktion verortet, hrhr. Mal ne Frage: was macht ein Germanist so in der Wirtschaft? Bin noch nie einem begegnet…

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      • Alles und nichts. Es gibt kein klares Berufsbild für Germanisten. Mein Weg geht in die Werbung als Texter bzw. Konzepter/Copywriter, andere bleiben an der Uni und forschen. Wieder andere schlagen eine betriebswirtschaftliche Richtung ein, gehen ins Marketing, in Verlage als Lektor, in die PR, in Pressehäuser…
        Die breite Streuung macht das Studium zu Fluch und Segen, weil es zwar viele Möglichkeiten gibt, es von außen aber so wirkt, als würde man irgendwas Unproduktives machen. Die Art Probleme zu behandeln und Fragestellungen zu erörtern ist allerdings eine interdisziplinär anwendbare Fähigkeit.
        Deshalb habe ich auch hier im Blog nicht DAS EINE Thema, sondern verwurste Gedanken zu mehreren Diksursen.

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    • Man kann nicht durchfallen. Es gibt also faktisch keine Möglichkeit festzustellen, ob jemand tatsächlich irgendetwas mit einem Thema anfangen konnte. Dementsprechend sehen die Referate dann auch aus. Von abgelesenen Fließtexten bis hin zu wikipedia-Wissen ist eigentlich alles dabei.
      Es ist auch meinem Empfinden nach nicht sinnvoll, auf Grundlage der Anwesenheit eine Bewertung vorzunehmen. Nur merke ich persönlich, dass das Wissen darüber, dass Dozenten nun absolut keine Handhabe mehr haben, hemmungslos ausgenutzt wird.
      Wie schonmal geschrieben: Die Fehler sind sowohl auf Seiten der Unis als auch der aktuellen Studenten zu suchen. Wenn das System es ermöglicht, dass Studenten ohne irgendeinen Aufwand durch die Uni zu ihrem Abschluss durchgewunken werden, stimmt etwas am System nicht und am Engagement der Kommilitonen. (Das betrifft natürlich längst nicht alle.)

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  7. *Artikelleiche ausbuddel*

    Tja, kommt mir vieles bekannt vor.

    In einigen Bundesländern (z.B. NRW) ist an allen Unis die Anwesenheitspflicht abgeschafft. Wir haben übrigens das Problem auch, dass unser Rektorat die Idee toll findet, keine Anwesenheit mehr verlangen zu dürfen.

    Natürlich ist die Versuchung, in eine totlangweilige Veranstaltung nicht mehr zu gehen, viel größer, wenn es selbst beim langweiligen Seminar keine Anwesenheitspflicht gibt. Ob das aber dem Studienerfolg dient?

    Wir hatten einen Studi, der vor dem ersten Tag bei meinem Chef nach dem Moodlezugang fragte – er komme eh nicht zur Vorlesung, wolle aber das Skript, weil Prüfung und so.
    Ne, Chef meinte, das mache er nur am ersten Vorlesungstag persönlich… (wie haben auch in den Vorlesungen nicht mehr als 20 Leute sitzen, wir sind da zu spezialisiert)
    Ergebnis: Wir sahen den Herren genau zweimal: Einmal für 10 min zum Zugang kriegen in der Vorlesung, das zweite Mal in der mündlichen Prüfung – die schlechter nicht hätte sein können. Mal sehen, ob er beim nächsten Mal wieder kommt.
    Und nein, wir haben den nicht durchfallen lassen. Er hatte das Material, er hatte Zugang zu Übungsaufgaben – aber es fehlte halt die Verknüpfung des Vorlesungsmaterials miteinander. Der konnte einige Begriffe aufzählen, sie aber nicht anwenden – was wir mit den Studis in den Veranstaltungen üben und auch in den Prüfungen erwarten.

    Und bei Seminaren mit Vortrag – nun, auch da kann man durch den Vortrag fallen, hatten wir in ähnlicher Konstellation auch schon. Mehrfach seit dem Aussetzen der Anwesenheitspflicht.

    Und so etwas spricht sich rum. Daher haben wir eine recht hohe Quote von Anwesenden.

    Tja. Muss man mit leben.

    Und ja – die Generation Ponyhof von einem Kommentar oben stimmt. Wie man an den Erstsemestergesprächen bei uns sehen kann: https://aussichtmiteinsicht.wordpress.com/2015/10/19/erstis-investigativ-belauscht/

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