Bleiben Sie im Haus…oder auch nicht – Alles ist tödlich

Wir sind alle in Gefahr! In extremer! Nach dem Erstlingswerk „Bleiben Sie im Haus! Draußen ist Wetter!“ muss nun der wahre Umfang unseres riskanten Daseins neu abgesteckt werden. Denn vor zwei Monaten wusste ich noch nicht, was ich heute weiß. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen und erzeugte füchterlich quälende Fragen: Wie soll es mit uns weitergehen? Wo bin ich sicher? Kann ich überhaupt noch sicher sein? Und wie haben es Generationen vor uns geschafft, zu überleben? Denn der Rhein führt abermals zu wenig Wasser! Was ist das für ein Herbst, in dem ein Fluss sich nicht mal mehr seines Inhalts sicher sein kann?!

Passend zu diesen ganz zentralen Fragen des menschlichen Lebens plärrt RTL gerade in den ironischerweise als „Nachrichten“ betitelten „News“ (da gibt es einen großen qualitativen Unterschied) über den zu warmen Herbst. Zu warm. ZU! Und abermals leidet die Tier- und Pflanzenwelt. Ich erinnere mich ganz dunkel an eine Zeit vor etwa zwei Wochen, die mit einstelligen Temperaturen auf sich aufmerksam machte. Ingolf Lück sagte einst in der „Wochenshow“ die weisen Worte „Alles wiederholt sich. Alles wiederholt sich. Alles wiederholt sich.“. Turnusmäßig ausgestrahlte Ratgeber mit den besten Tipps fürs Grillen oder eben die gern bemühte Thematik der Wetterkapriolen bestätigen Lück in seiner hellseherischen Weisheit.

Und während ich diese Worte schreibe, lerne ich: Die Kleiderwahl ist wichtig. Sonst droht nicht nur Sonnenbrand. Ein Experte: „Viele ziehen sich zu dick an, schwitzen bei diesen Temperaturen stark und bekommen sogar eine Lungenentzündung.“
Dem geneigten Leser wird nicht entgangen sein, dass Problem A (Sonnenbrand) mit Problem B (Lungenentzündung durch zu warme Kleidung) nicht im geringsten in irgendeinem Zusammenhang steht. Doch sowas scheint dem redaktionellen Auge zu entgehen. Kaum vorstellbar, aber wahr. Und beim intensiven Nachdenken erschließt sich plötzlich die zentrale Aussage hinter dieser nur scheinbar zusammenhangslosen Verpaarung der zwei Gefahren „Lungenentzündung durch zu warme Kleidung“ und „Sonnenbrand“:

Vollkommen egal, was wir machen. Wir machen es grundsätzlich falsch und das kann nur zum kollektiven Untergang unserer Zivilisation führen. Wofür habe ich eigentlich studiert? Zahlt mir der große Boss am Ende die Nerven zurück, die ich an der Uni gelassen habe? Und was wird aus meinen Meerschweinchen? Im Ernst. Das mit dem Untergang hätte man uns fairerweise früher sagen können. Stattdessen sitze ich hier mit der grausamen Gewissheit, dass ich mich dem aktuellen tropischen Herbst nicht aussetzen kann. Ich kann nur verlieren. Ein T-Shirt würde den Effekt haben, dass die glühende Sonne meine Arme innerhalb kürzester Zeit in würzig duftende Chickenwings verwandeln würden; nur eben von Menschen…human-wings. Hühner würden sie sich auf den Abendtisch legen und dem allmächtigen Hühnergott für diese unverhoffte Delikatesse danken. Nun könnte man meinen, dass das durchaus fair ist, weil wir den Viechern ja auch die Arme rösten, um sie zu verzehren. Das Problem an der Sache wäre aber, dass die Hühner nicht mal in die Nähe meiner knusprigen Arme kommen würden, weil die vernichtende Herbstsonne jedes mit Fell oder Federn bestückte Lebewesen unverzüglich in einen gleißenden Feuerball verwandeln würde. Ein Dilemma also auch für die Tierwelt.
Die andere Gewissheit wäre, dass ich mich auch nicht mit Kleidungsschichten vor der unbarmherzigen Sonne schützen könnte, weil: Lungenentzündung. Ich bin und wir alle sind zu einem Leben in schützender Dunkelheit verdammt.

Was selbstverständlich Medienberichten zufolge keine Lösung sondern Quelle für weitere Probleme darstellt.

Denn wovon können wir uns noch ernähren? Nun treiben sich in unseren Wohnhäusern nicht gerade wenige Tierchen herum, die wir Menschen unter Umständen aufspachteln könnten. Man denke nur an das Ernährungspotenzial von Milben. Vernünftig gefüttert und zubereitet könnten uns Millionen dieser Spinnentierchen über harte Zeiten helfen. Macht aber keiner. Warum? Allergene! Die Schweine! Alles von langer Hand geplant!
Allergene sind übrigens überall. Sie sind einfach überall! Und sie sind gefährlich. Für alle Menschen. Das könnte man meinen, wenn man mal sämtliche Berichte und „News“-Meldungen darüber zusammenträgt. Da wird nämlich oft nicht differenziert, dass der Müsliriegel den einen Konsumenten beim Verzehr durchaus in ein Michelin-Männchen verwandeln würde, einen ganz anderen aber nicht. Doch stattdessen wird dazu geraten, auf Lebensmittel mit Allergenen zu verzichten.

Und auch wenn ich seit Jahren schon versuche, die Frau, die in unserer Wohnung lebt, von den Vorzügen einer rasierten Katze zu überzeugen, akzeptiere ich Haare als per se nicht unverzüglich allergieauslösend. Was für Bartträger ein nicht zu überwindendes Dilemma darstellen würde. Fehlte der Bart, ginge ihnen der Swag ab. Das sagt man heute so. Oder vor ein paar Jahren. Ich bin nicht mehr so ganz auf der Höhe des Geschehens. Wobei „abgehen“ heute nicht mehr im Sinne von „mangeln“ verwendet wird, was im heutigen Gebrauch wiederum wohl nicht die Behandlung von frisch gewaschener Wäsche betreffen würde. Niemand kennt heute noch die gute, alte Mangel. Wie klug wäre die heutige Jugend, wenn sie sich Redewendungen selbst herleiten könnte? „In die Mangel nehmen“ zum Beispiel. Sagt aber heute auch keiner mehr. Also doch nichts mit herleiten. Verständnislose Blicke würden fragen: „Herr Leiten?!“ Jaja…
Wo war ich? Achja: Bartträgern mangelte es also ohne Bart an der subtil vermittelten Gutmütigkeit bei gleichzeitiger Aggressivität. Ein Bart ist brutal und gemütlich. Doch mit Bart tränten dem Träger die Augen. Da nun doch einige bärtige Mitmenschen durch die Stadt laufen, muss das bedeuten, dass Haare grundsätzlich nichts Schlechtes sein können. Oder Bartträger sind einfach die härtesten Kerle unter dieser vernichtenden Herbstsonne.

Das Kuriose an dieser Panikmache in Bezug auf alles, was uns umgibt, ist die Tatsache, dass wir Zweibeiner heute älter werden als jemals zuvor. In dem selben Maße, wie die Liste an krebserregenden Stoffen in Lebensmitteln wächst, schrumpft die Wahrscheinlichkeit, an ebendiesen Stoffen zu sterben. Wenn man denn überhaupt daran erkrankt. Aber das ist ja ein gern bemühter Topos: Das Schlechte im Guten zu suchen und folglich auch zu finden.

„Och, ich versuche mal, an einen rosa Elefanten zu denken. Hey! Es klappt!“

Rosa Elefanten sind ein schlechtes Beispiel. Die sind nicht krebserregend. Außer Schalentiere haben ihre Vorliebe für Dickhäuter entdeckt. Der musste sein.
Was ich damit sagen möchte (mit dem fiktiven Zitat), ist das Phänomen, dass bei vorheriger Zielsetzung ebendieses Ziel auch erreicht wird. Wer suchet, der findet. Ist eure Windschutzscheibe auch zerkratzt? Noch nie aufgefallen? Alle Windschutzscheiben haben Kratzer. Und alles ist in hohen Dosen schädlich. Glücklicherweise hat sich die Natur diese tolle Verarbeitungsmaschinerie in unserem Unterleib ausgedacht. Was vorne reingestopft wird, kommt hinten wieder raus. Wir können sogar Schadstoffe absondern. Überrascht? Das ist für private Fernsehsender eine absolute Weltneuheit und teilweise noch nicht bekannt. Anstatt aber die ganze Sache mit Allergenen, Geschmacksverstärkern, Laktose und Konservierungsstoffen mal gründlich zu erörtern und zu relativieren, wird gewarnt. Jetzt hat man uns sogar die Würstchen madig geforscht! Was ist das für ein Leben, in dem man nicht einmal mehr seinen mit Dioxin verseuchten Phosphatschlauch bedenkenlos verzehren kann?!

Laktose ist übrigens der Endgegner der Schadstoffe. Produkte werden mittlerweile unter dem Aspekt der Laktosearmut beworben. Was für Menschen, die unter Laktoseunverträglichkeit leiden, eine tolle Sache ist. Aber auch normale Produkte werden mit dem Aufdruck versehen, dass nur wenig Laktose enthalten ist. Und alle jubeln. Auch solche mit einwandfreier Verdauung. So ein Glück! Nur ein wenig Gefahr geht von diesem Nahrungsmittel aus. Es kann also bedenkenlos unseren Kindern zum Verzehr gereicht werden…die anschließend aufgrund defizitärer Laktaseproduktion (die Laktase macht die böse, böse Laktose kaputt) tatsächlich eine Unverträglichkeit entwickeln. Und schon grüßen die gerade erst verzehrten Molkereiprodukte fröhlich von der gegenüberliegenden Körperöffnung, woraufhin RTL verlauten lässt:

„WIR HABEN ES DOCH GEWUSST!“

Dasselbe gilt übrigens für:
Fruktose, Histamine, unvegane Lebensmittel (kurioserweise nur bei einer bestimmten Testgruppe), Gluten, Saccharose, Sorbit(ol), Ei, Fisch, Steine…

Das alles erscheint gegenüber einer anderen fürchterlichen Tatsache wie eine harmlose Randnotiz. Denn wenn wir etwas Essbares kaufen wollen, müssten wir den Schritt in die unbarmherzige Herbstsonne wagen. Also ist eine Lungenentzündung oder ein Sonnenbrand unumgänglich. Wir müssen uns also zwischen Not, Elend und Misere entscheiden:
Entweder Sonnenbrand oder Lungenentzündung oder Verdauungsprobleme durch Milbenunverträglichkeit.

Und dann kommt ja bald bestimmt noch dieser Winter, der wahrscheinlich – wie alle Wetterlagen – zu irgendwas und der irgendwas-te seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden wird. Wir sind in extrem großer Gefahr!

7 Kommentare

  1. […] Soviel zu den positiven Veränderungen. Wobei das vermutlich nur von uns so bewertet wird. Die neuen Nachbarn unter uns werden nämlich bald eine Mondlandschaft ihr Eigen nennen dürfen. Spätestens, wenn der Bagger auch die Südseite des Kellers freilegt. Wir haben Kameras installiert, um den Gesichtsausdruck einzufangen, wenn die zwei bemerken, dass sich ihre Terrasse in den Grand Canyon verwandelt hat. “Experten” zufolge stimmt das Klima ja schonmal. […]

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