Da lässt man sie einmal alleine – Wenn Frauen Gastbeiträge schreiben

Da komme ich nach einem Arbeits-Sonntag nach Hause und merke schon von Weitem, dass etwas nicht stimmt. Ich habe es schon bei der Arbeit gemerkt. Es war ruhig. Zu ruhig. Ich trete auf das heimische Klicklaminat, schaue ins Wohnzimmer und sehe die Frau, die unserer Wohnung lebt, am Rande ihrer Kräfte. Immerhin weiß ich, warum. Denn sie hat mir folgenden „Abschiedsbrief“ hinterlassen:

Sonntag, 22.11.2015

Aus dem Leben einer Muse

Ich bin vollkommen aufgeschmissen! Der Mann, der in unserer Wohnung lebt, hat, weil er heute (ja, an einem Sonntag!) zur Arbeit musste, nicht die Möglichkeit oder Lust gehabt, die Spülmaschine einzuräumen. Und ich muss gestehen: Ich finde dreckiges Geschirr anfassen und in die Maschine räumen in etwa so ansprechend, wie an einem heißen Sommertag in einer überfüllten Bahn exakt auf Achselhöhe der anderen Menschen stehen zu dürfen. Was also tun? Es lassen! An sich ist das ja kein Problem, steht das dreckige Geschirr des letzten 5/6 Tages (wir haben eine sehr kleine Spülmaschine) halt noch was da rum. ABER: Wenn ich die jetzt nicht selbst einräume und anstelle, muss der Mann es machen, wenn er nach Feierabend nach Hause kommt. (Wir haben auch nicht so viele Töpfe, irgendwo muss man ja sparen.) Das bedeutet, dass der Inhalt der Maschine noch 2 Stunden länger nicht zur Verfügung stehen wird. Und DAS wiederum bedeutet, dass es noch 2 Stunden länger dauert, bis eine warme Mahlzeit zubereitet worden sein wird. Von dem Mann. Ich mache so etwas nicht. Das ist für alle Beteiligten die beste Lösung.

Wahrscheinlich wird keiner verstehen, wo jetzt genau das Problem sein soll, dann gibt es halt 2 Stunden später Essen, ist doch kein Drama. DOCH! Denn wer mich wirklich kennt (und das ist wohl bis jetzt nur der Mann, der in unserer Wohnung lebt), der weiß um die absolute Idiotie meiner Verdauungsorgane Bescheid: Ich kann, nach einem den Tag startenden Becher Kaffee, verdammt lange ohne jegliche Nahrung auskommen. Gerne auch den ganzen Tag. Diese Eigenschaft ist dann besonders von Vorteil, wenn man sich aufgrund von Irgendwas (Laktoseintoleranz ist es nicht, denn Laktoseintoleranz ist wie Bielefeld: Das gibt es in Wirklichkeit gar nicht.) nie sicher sein kann, wie besagter Verdauungsapparat so auf Nahrungszufuhr reagiert. Deshalb befinde ich mich bei besagter Nahrungszufuhr am liebsten in den eigenen vier Wänden. Keine weiteren Details an dieser Stelle, aber jetzt sollte klar sein, warum es manchmal ganz praktisch ist, einfach keinen Hunger zu haben.

Jetzt kommt die Kehrseite der Medaille: SOLLTE ich auf die dumme Idee kommen, im Laufe des Tages irgendetwas, das mehr Gewicht und Gehalt als ein Bonbon hat, zu mir zu nehmen, ist es vorbei. Dann schreien sämtliche 168,5 cm meines Körpers im regelmäßigen Abständen von ca. einer Stunde erbarmungslos nach Essen!

Der Mann startet in solchen Fällen oft klägliche Versuche, mich und meinen unstillbaren Hunger zu besänftigen: „Wir haben noch Chips. / Du hast doch noch Äpfel.“ (man beachte hier das WIR bei Chips und das DU bei Äpfeln. Der Mann hat es nicht so mit Obst.) Oder auch: „Mach dir doch Kniften. / Im Kühlschrank haben wir auch noch Joghurt.“ Das bringt nur leider überhaupt nichts. Selbst wenn ich den (oft extrem ungesunden) Kleinkram in Massen verschlinge, ist der Hunger entweder a) nach einer halben Stunde wieder da, b) gar nicht erst weg oder c) noch schlimmer als vorher. In solchen Fällen kann mich nur die abendliche warme Mahlzeit aus den Zaubertöpfen des besten Koches in dieser Wohnung sättigen. Anderenfalls droht mir innerhalb kürzester Zeit der gefühlte Hungertod.

Und wer gut aufgepasst hat, kann jetzt den Bogen zum Beginn dieses Textes spannen. Vor allem, wenn er dazu noch die Information erhält, dass ich soeben vor lauter Appetit einen Becher Apfel-Zimt-Müsli (hoch lebe die Vorweihnachtszeit!) verspeist habe. Kann man das leise Ticken schon hören? Ich fühle mich ein wenig wie das Krokodil.

Wenn ich mich also nicht bald überwinden kann, die blöde Spülmaschine einzuräumen, ist der Hungertod eigentlich schon vorprogrammiert.

Neben mir höre ich die Katze hämisch kichern. Die hat ja keine Ahnung. SIE musste ja noch nie die Spülmaschine einräumen.

Ich könnte mich ja ablenken, indem ich mich um mein Grünzeug kümmere. Besonders um das auf dem Balkon. Denn seit gestern ist es draußen ja tatsächlich so kalt, dass ich das nicht-winterfeste Grünzeug, das bis jetzt noch auf dem Balkon verweilen konnte, heute nun wirklich (WIRKLICH!) rein in die Wohnung holen müsste. Da eröffnet sich allerdings das nächste Problem: Wer DAS HIER [A. d. Redaktion: Die Formatierung an dieser Stelle ist ja wohl eindeutig der Hinweis für mich, hier eine Verlinkung einzufügen. Sie scheint mich wohl tatsächlich ganz gern zu haben.] gelesen hat, weiß, dass ich ein sehr ambivalentes Verhältnis zu sämtlichen Formen von Lebewesen mit mehr als 4 Beinen habe. Und da ich weiß, dass die sich irgendwo an den Pflanzen schön eingemuckelt haben und alle rauskommen werden, wenn sie die Wärme der Wohnung registrieren, kann ich auch das nicht ohne den Mann des Hauses tun. Also ohne ihn, wie er mir dabei zuguckt, wie ich in regentanzähnlichen Zuckungen um die aus den Pflanzen kriechenden Tiere hüpfe.

Wenn der Mann, der in unserer Wohnung lebt, nach Hause kommt, wird er mich wahrscheinlich dem Hungertod nahe, leise tickend, wie eine umgekippte Schildkröte auf dem Rücken liegend und mit den Extremitäten wackelnd, irgendwo auf dem Sofa finden. Dann wird er kurz ganz leise seufzen, mich auf den Bauch drehen, mir eine Tüte Chips und einen Apfel hinlegen, die Töpfe per Hand spülen, den Rest in die Maschine räumen, köstliches, warmes, sättigendes Essen zubereiten und dann einen weiteren Blogeintrag über Problemlösungsstrategien des anderen Geschlechts in die Tasten kloppen.

Ich helfe immer gerne.

Ende

 

Sie hat doch tatsächlich die Spülmaschine eingeräumt. Ich geh dann mal kochen.

16 Kommentare

  1. Allein für das Wort „Knifte“ gibt es Sehnsuchtspunkte von meiner Seite. Das habe ich ewig nicht gehört noch verwendet, denn der durchschnittliche Hanseat – ich wohne in Hamburg, komme aber aus dem Pott – benutzt natürlich nur hanseatisch-großzügige Wörter und spuckt verachtend auf alles, was aus dem Ruhrgebiet kommt 😛

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  2. Ich finde dreckiges Geschirr anfassen und in die Maschine räumen in etwa so ansprechend, wie an einem heißen Sommertag in einer überfüllten Bahn exakt auf Achselhöhe der anderen Menschen stehen zu dürfen. – danke für den Lacher 🙂

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