Junggeselle auf Zeit V – Sie ist wieder da!

Fehlinterpretationen sind eine interessante Sache. Darüber habe ich heute morgen beim Kochen meiner Frühstückseier nachgedacht. Alle Welt grübelt über die Reihenfolge der Entstehung von Henne und Ei, obwohl die Frage auf den Menschen genauso übertragbar wäre. Wer war zuerst da? Erwachsener Mensch oder Neugeborenes? Das ist ziemlich eindeutig, wenn man mal davon ausgeht, dass die Evolution tatsächlich existiert. Und dafür spricht viel. Anders lassen sich vermeintliche Fehler am menschlichen Körper (und auch bei Tieren) nicht erklären. Kleine Zehen beispielsweise. Andere Menschen sehen das anders und argumentieren mit Gott. Aber das ist auch gerade das Interessante daran: Ein und derselbe Sachverhalt kann vollkommen unterschiedlich gedeutet werden.

Und während ich meinen Frühstückseiern beim lustigen Tanz bei annähernd 100 Grad heißem Wasser zuschaue, denke ich – mal wieder – an Loriot und daran, dass die Eier mit Sicherheit schon viereinhalb Minuten im Topf sind. Zeit wird auch oft fehlinterpretiert. Oder Zeitgefühl. Und somit sind die Eier anschließend hart. Auch gut. Es muss nicht immer alles perfekt sein und wenn man überlegt, dass dieses Frühstück unter einiger Anstrengung von einem – ich schaue schnell nach…ja, es stimmt – freilaufenden Biohuhn aus dem Hintern gepresst wurde, macht es keinen großen Unterschied, ob der Inhalt flüssig oder fest ist.

Achja, Flüssigkeiten: Die Frau, die vorübergehend nicht in unserer Wohnung lebt, ist endlich aus dem Krankenhaus entlassen worden. Als Patient, nicht als Angestellter. Morgens war ich noch dort und hatte mich über die Freuden der noch drohenden Entfernung der Drainage aufklären lassen. Das musste ich zum Glück noch nie über mich ergehen lassen. Habe bisher nur einmal miterlebt, wie es klingt, wenn einem so ein Ding aus dem Knie gezogen wird. Interessant ist diese Sache mit den Operationen allemal.
Zum einen die Tatsache, dass man einen Menschen einfach an drei Punkten aufpieksen kann, aufpumpt, etwas an den Innereien herumschnibbelt und anschließend alles wieder verschließt. Mit Ausnahme dieses Schlauches, der irgendwelche Flüssigkeiten abtransportiert. Zum anderen ist es für mich faszinierend, dass ein Körper nach einem Eingriff doch relativ schnell wieder am Start ist. Relativ. Direkt nach der Operation klagte die Frau, die vorübergehend nicht in unserer Wohnung lebte, darüber, dass sie sich wie eine Ziege auf einer Streckbank fühle. Sie wüsste selbst nicht, wie sie darauf käme. Was auch unerheblich war, denn als ich in gekonnter Reinhold Beckmann-Manier „daaaa noch einmal drüber reden“ wollte, war sie wieder eingeschlafen.
Am Morgen des geschätzten Entlassungstages wissen wir noch nicht genau, wann die Entlassung ansteht und weil ich vor meinem Besuch noch in weiser Voraussicht ein wenig aufgeräumt habe, habe ich nur ein kurzes Gastspiel.

Dann muss ich nämlich fahren und es passiert lange nichts. Ich bin arbeiten. „Nichts“ ist auch geringfügig untertrieben, weil ich natürlich zwischenzeitlich in Bewegung bin und Kinder über die Vor- und Nachteile aufkläre, eine Hand ins Löwengehege zu stecken, um den Löwen zu streicheln. Ein Vorteil wäre, dass man doch recht selten diese Gelegenheit bekommt. Mal ganz davon abgesehen, dass es verboten ist, wäre die Kehrseite der Medaille, dass man lernen müsste, die Aufgaben des Alltags mit nur einem Arm zu bewältigen. Löwen wissen nunmal, was lecker ist. Wir essen schließlich auch Chickenwings. Die laufen im Zoo übrigens frei herum samt zugehörigem Körper. Was ein Kind gestern zum Anlass nahm, mich zu fragen, ob man dann auf die Hühner drauftreten darf. Auch das ist verboten.

Als ich dann wieder gen Heimat fahre, erreicht mich die Nachricht, dass die Dame des Hauses schon entlassen wurde und auf ihre Abholung wartet. Ich würde sie nun behutsam in die Gesellschaft wiedereingliedern müssen. Wir gingen täglich spazieren, ich zeigte ihr Fotos von Sehenswürdigkeiten, um ihre Erinnerung zu reaktivieren. Sprich: Ich würde Resozialisierungsmaßnahmen durchführen, um ihr die Rückkehr in die Realität so leicht wie nur möglich zu gestalten. Bei den Gedanken daran holt mich die eigene Realität ein: Während ich zur Frau, die bald wieder in unserer Wohnung leben würde, fahre, ärgere ich mich plötzlich über meine Fähigkeit, in fünf Tagen relativ wenig für den Haushalt getan zu haben. Andererseits war ich meistens von früh bis spät unterwegs und habe anschließend an einer Vorrichtung gearbeitet, die verhindert, dass die Dame ihre Wunden ableckt und diese vernünftig heilen können. Macht man bei Katzen schließlich auch. Das dürfte als Argument wohl genügen. Ich fahre etwas beruhigter weiter. Hier die Vorrichtung in Aktion:

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Sie hat sich erst etwas gesträubt, es aber nach einiger Überzeugungsarbeit doch zähneknirschend angenommen. Es ist ja zu ihrem Besten. Ich werfe ihr alle paar Stunden ein wenig Essen rein, kratze einmal am Tag mit einem Löffel die Reste aus dem Trichter und spritze ihn mit einem Wasserschlauch aus. Auf dem Foto sehen wir sie übrigens auf dem Weg von der Küche ins Wohnzimmer.

Ich bin übrigens der festen Überzeugung, dass die Leiste wegen zu starken Lachens angeborsten ist. Der Rest auch. Aus Solidarität. Weil der Frau, die in unserer Wohnung lebt, nun fast sämtliche Tätigkeiten Schmerzen bereiten und das auch das Lachen betrifft, wurde sie von ihren Korrekturpflichten an meinen Texten befreit. Pinguine im Haus der Kranken war schon grenzwertig und hätte mir um ein Haar eine Anzeige wegen versuchter Körperverletzung eingebracht. Es könnten sich also in den folgenden Tagen ein paar Fehler einschleichen. Bitte nicht schimpfen.

PS: Während ich gerade in der Küche stand, hörte ich ein Quieken aus dem Wohnzimmer. Die Gebeutelte hat vor einiger Zeit meinen ersten Abonnenten für sich entdeckt und liest sich – aus fachlichem Interesse – Die Leistenbruchchroniken durch. Ich musste es ihr schweren Herzens verbieten. Die Gefahr einer abdominalen Explosion wäre einfach zu groß.

Hier geht’s zum vierten Teil!


14 Kommentare

  1. >>Zeit wird auch oft fehlinterpretiert. Oder Zeitgefühl.<<

    Das stimmt. Mit so einem erbaulichen Kragen dürfte mancher Person, die eventuell in deiner Wohnung lebt, die Zeit etwas verlangsamt vorkommen.

    Aber wie hast du dem Kind jetzt eigentlich erklärt, daß man nicht auf Hühner drauftreten darf, wir sie aber trotzdem essen? 🙂

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