Wandelnde Modeblogs und Nico schnallt echt gar nix II

– Den ersten Teil schon vergessen? Hier das Wichtigste –

12:42 Uhr
Der Heizstrahler hat gerade versucht, mein Bein zu veröden. Glücklicherweise trage ich eine Jeans, die bekannt dafür sind, relativ unempfindlich auf offenes Feuer zu reagieren. Unglücklicherweise ändert das nichts an der Entflammbarkeit meiner Beinhaare sowie der darunter liegenden Haut.
Das Problem ist, dass ich in jeder anderen Position jämmerlich erfrieren müsste. Es existiert ein etwa 7,4 cm breiter Bereich, in dem es moderat warm ist. Alles übrige ist zu heiß oder zu kalt und ein weiteres Problem stellt noch die Tatsache dar, dass der dem Radiator abgewendete Teil des Körpers ziemlich frostig ist. So wie die Rückseite vom Mond. Bei der Sonne ist es übrigens anders herum, weil die der Erde zugewandte Seite durch die (soziale) Kälte der Welt abgekühlt wird. Soweit meine Theorie.
Für die Situation im Stand bedeutet das, dass es unmöglich ist, die exakte Position zum Heizradiator einzunehmen. Ein Teil des Körpers wird für einige Minuten gewärmt und anschließend verbrannt, während der andere Teil relativ schnell erfriert. Ich drehe mich um 180°.

13:02 Uhr
Ich habe mir gerade diverse Schrecken eingejagt.

Schrecken 1:
Vielleicht hatte ich heute gar nicht den Termin im Stand, sondern hätte Kindergeburtstage machen müssen.

Schrecken 2:
Aber warum ist denn dann noch niemand hier, der an meiner Stelle den Stand besetzt und warum hat sich noch keiner gemeldet? Sollte ich mal meinen Chef anrufen?

Schrecken 3:
Habe ich vielleicht keinen Empfang mehr? Wurde meine Sim-Karte gesperrt?

Schrecken4:
Warum denke ich solche äußerst unwahrscheinlichen Dinge?

Schrecken 5:
Es riecht nach verbranntem Plastik. Vielleicht sollte ich mich mal wieder wenden.

13:30 Uhr
Eine Stunde ist vergangen, seit ich die Strichliste begonnen habe. Das ist der Endstand:

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13:45 Uhr
Trotz der Gefahr, von der Polizei mit dem Handy in der Hand erwischt zu werden, lese ich einen sehr unterhaltsamen Artikel, der stellenweise mit relativ schwarzem Humor daherkommt. Ich schicke der Frau, die vorübergehend nicht in unserer Wohnung lebt, den Hinweis, dass sie sich den mal durchlesen sollte. Als Antwort erhalte ich den Hinweis, dass sie noch nicht lachen darf. Die Gefahr, bei dieser Tätigkeit eine riesen Sauerei im Krankenzimmer zu fabrizieren sei noch zu groß.
Sie liest ihn trotzdem. Es bereitet ihr Schmerzen. Lachen ist folglich ungesund.

14:11 Uhr
Am Wochenende spielt der MSV Duisburg gegen Fortuna Düsseldorf. Das erfahre ich von der Dame vom angrenzenden MSV-Stand. Eigentlich ist es der selbe Stand. Um noch genauer zu sein, sind es zwei zusammengesetzte Stände, was den Vorteil hat, dass man immer jemanden zum Zutexten hat. Bis jetzt habe ich schon dreimal versucht, der Dame den weißen Affen zu verkaufen. Sie möchte ihn nicht. Aus Rache tue ich so, als würde mich die zweite Liga nicht interessieren. Da die Dame weiß, dass ich in Düsseldorf wohne, will ich mir den Schuh nicht anziehen lassen, dass ich es mit der Fortuna halte. Vielleicht gibt es bei mir einen Anflug von Lokalpatriotismus, aber den gibt es in Bezug auf Duisburg auch, weil ich dort geboren bin. Allerdings gilt mein eigentliches Interesse dem englischem Fußball.
Vermutlich weil ich englische Haut habe oder so.

14:35 Uhr
Ich lese in einer Gruppe den ersten Satz eines Blogartikels:

„Das Weihnachts- und Silvesteroutfit steht und du bist noch auf der Suche nach dem passenden Makeup?“

Machen sich manche wirklich solche Gedanken? Wird in den Dress tatsächlich Zeit und Aufwand investiert? Und ärgert man sich nicht am Ende, wenn die Familie den Aufwand gar nicht zu würdigen weiß, weil sie sich keine langfristigen Gedanken darüber macht? Bei mir regelt sich das immer gleich:

  • Hochzeit: Anzug
  • Geburtstag: Jeans, Hemd, eventuell T-Shirt drunter (dann Hemd offen)
  • runder Geburtstag: Jeans und Hemd
  • Weihnachten: irgendwas aus dem Kleiderschrank

Das wird dann meistens am selben Tag entschieden.

14:56 Uhr
Gegenüber am Brunnen sitzt ein leibhaftiger Modeblog. Eine relativ junge Dame mit Kunstpelzjäckchen erklärt einem älteren Mann ihr Outfit und warum sie was angezogen hat. Der Mann ist sehr interessiert. Vor allem an ihren Beinen, die in einer Netzstrumpfhose stecken. Währenddessen zeigt der Modeblog ihm die Fingernägel und die Tasche, die wohl in diesem Winter noch eher unpopulär ist, aber ab dem kommenden Jahr „extremely mainstream“ geworden sein wird.

15:13 Uhr
Weil ich mit dem Rücken zur Heizung stehe, steigt mir angenehme Wärme unter die Jacke. Das bedeutet allerdings, dass ich den Bereich von 7,4 cm moderater Wärme verlassen habe und zu nahe am Radiator stehe. Es riecht nach Schinken und mein Hintern tut weh.

15:31 Uhr
Jetzt gesellt sich zweiter Mann zum Modeblog. Es beginnt von vorn.

15:54 Uhr
Eine Schwangere wankt vorbei. Ich vermute zumindest, dass sie schwanger ist. Vielleicht auch einfach nur vollschlank. Elegant, sonor und mit der notwendigen Portion Selbtbewusstsein zieht sie lautstark ihre Nase hoch und spuckt aus. Ich bin beeindruckt und betrachte sie wie gebannt. Sie schaut mich an. Verdammt! Das Anschauen wird in diesen Gefilden und einer bestimmten Gruppe, der wohl diese Dame ebenfalls angehört, oftmals als Einladung zum Austausch von Gewalttätigkeiten betrachtet. Im Falle eines Angriffs hätte ich nichts, womit ich mich verteidigen könnte. Auf die Hilfe des Plüschaffen kann ich nicht zählen. Der ist zu sehr damit beschäftigt, Ladenhüter zu sein. Und die übrigen Plüschtiere können mit ihrer Niedlichkeit nichts bewirken. Da muss ich also durch.
Ich halte den Blickkontakt und versuche zu lächeln. Sie bleibt stehen. Es scheint also zu funktionieren. Keine Ahnung, was es ist, denn meine Chancen auf Überleben dieser Situation haben sich nicht gerade verbessert. Aber man soll ja beispielsweise bei Tieren den Blickkontakt halten. Ich glaube eine Ausnahme gab es. Hunde? Schwangere? Da wir ja alle genetisch nicht allzu weit von dem entfernt sind, was ich hier seit heute morgen versuche, an den Mann zu bringen, sollte die Sache mit dem Blickkontakt auch für Menschen gelten. Weggucken, Blickkontakt halten? Egal. Zu spät!

„Was is?!“

Ich überlege „Liebe“ zu antworten, aber habe ein wenig Angst, dass die mir den Stand auseinander- oder die Einladung annimmt. Vielleicht kann ich ihr ein Kuscheltier für das zukünftige Kind andrehen. Andererseits kann es natürlich sein, dass die gar nicht schwanger ist und dann nimmt sie mir den Laden erst recht auseinander. Vielleicht kann sie der Affe zumindest besänftigen. Ich versuche es:

„Willst du ’nen Affen kaufen?“

„Nä! Hab isch schon zuhause einen sitzen.“

Der Glückliche.

16:00 Uhr
Die Ablösung ist da. Ein erfolgreicher Tag liegt hinter mir. Zwar habe ich keinen Affen verkauft, aber immerhin bin ich nicht verprügelt worden oder verbrannt. Das ist schonmal viel wert.

Logbucheintrag Ende.

Hier geht’s zum ersten Teil!Hier auch…verrückt!

15 Kommentare

  1. Mir ging es wie der schnipseltippse, das hatte was von „Aus dem Leben eines Gyros-Spießes“ . Danke fürs Teilhabenlassen, ich habe mich köstlich amüsiert, vor Allem über Schrecken 3, da kam mir so schrecklich bekannt vor. 🙂

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  2. Ich musste an ein Grillhähnchen denken. Witzig beschrieben. Nur einen Satz würde ich überdenken: „Aber man soll bei Tieren ja den Blickkontakt halten.“ wirkt auf mich im obigen Zusammenhang ziemlich… unschön.

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