Adventszeitprotokoll 2015

01.12.2015

Während ich nach einer bestimmten Sache das Internet durchforste, liest sich die Frau, die in unserer Wohnung lebt, verzweifelt durch den hochwertigen Aufdruck ihres Adventskalenders, weil sie das erste Türchen nicht findet.

„Hier gibt’s keine 1.“

„Ja, das wird es sein. Nestlé hat einfach vergessen, das erste Türchen in den Kalender zu setzen.“

„Ich ruf da mal an.“

Zum Glück hat sie es noch gefunden, bevor jemand bei Nestlé den Hörer abgehoben hat. Das hätte uns vor große Probleme gestellt, weil wir uns dann etwas aus den Fingern hätten saugen müssen. Und wir stehen beide nicht unbedingt auf Smalltalk mit Callcenter-Sklaven.

06.12.2015

Der Osterhase ist tot.

07.12.2015

Die Frau, die in unserer Wohnung lebt, hat große Freude daran, die Werbeprospekte, die in angenehmer Regelmäßigkeit unseren Briefkasten bevölkern, auf Schnäppchen zu untersuchen. Meistens findet sie Dinge, die uns eigentlich nicht fehlen, die wir uns aber sehr gut noch irgendwo in unserer Wohnung vorstellen könnten. Zum Beispiel an unserer Wohnzimmerwand. So auch heute. Wir haben zwar einen Fernseher, aber was spricht gegen einen besseren? Meistens ist es der Preis, aber diese Prospekte haben ein Händchen dafür, uns davon zu überzeugen, dass der Preis ausnahmsweise der absolute Oberknaller ist. Außerdem haben die meisten Kisten heute W-LAN. Unsere muss noch über ein LAN-Kabel mit dem Internet verbunden werden und bietet uns auch anschließend keinen Mehrwert gegenüber der Variante ohne Internetzugriff, weil man einfach nichts mit dem Teil anfangen kann.
Immerhin: Auf ARD und ZDF kann ich selbst ohne Kontaktlinsen erkennen, dass Oliver Kahns Gesicht Poren und Unebenheiten aufweist, die ich nur zu gerne mit etwas Kitt auffüllen würde. Das gleiche habe ich übrigens bei fast allen Menschen gedacht, als ich meinen Optiker mit Kontaktlinsen verließ und die Welt erstmals in HD betrachten konnte. Nicht alles aus Plastik ist schlecht.

Nachdem wir zu dem Schluss gekommen sind, dass ein neuer und vor allem größerer Fernseher dieses Haus wohl vor statische Probleme stellen würde, blättert die Frau, die in unserer Wohnung lebt, weiter.

„Boah, ein Mini-Backofen!“

„Wir haben einen Backofen.“

„Ja, aber in dem hier ist ein Hähnchen drin. In unserem nicht. Warum eigentlich nicht? In jedem guten Ofen sollte sich ein knuspriges Grillhähnchen befinden!“

Ich werde ihr zum Trost ein Überraschungs-Ei kaufen.

14.12.2015

Wir schmücken heute unsere Wohnung, weil es angeblich nur noch zehn Tage bis Weihnachten sind. Ich vermute beim Blick nach draußen eine falsche Zeiteinheit und gehe eher davon aus, dass erst in zehn Wochen Weihnachten ist. Es muss trotzdem geschmückt werden. Allerdings sind wie durch Zauberhand verschiedene Dinge nicht mehr zu finden, die wir gerne an die Wohnungstür hängen wollen. Also besorgen wir Ersatz. Beim Aufhängen finden wir die vermissten Objekte:
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Mir kam es immer komisch vor, dass mich bei Durchschreiten der Wohnungstür eine gewisse Besinnlichkeit ergriff. Seit etwa 12 Monaten.

15.12.2015

Meine Vermutung von gestern ist falsch. Es sind tatsächlich nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Das bringt mich wie jedes Jahr unter Zeitdruck. Außerdem ist es nicht so einfach, passende Weihnachtsgeschenke zu kaufen, ohne dass einer am Ende ein schlechtes Gewissen hat. Erfahrungsgemäß ist es schwer, dem anderen ein exakt gleichwertiges Geschenk zu schenken. Deshalb muss im Vorfeld abgeklärt werden, wohin die Reise preislich gehen könnte.

„Was schenkst du mir?“

„Denkst du, ich sage dir das jetzt?!“

„Ja. Ich muss ja wissen, wie schlecht ich mich fühlen muss. Bis jetzt bewege ich mich preislich etwa im Bereich der Kosten für einen Tannenzapfen.

„Dann muss ich das Pony wieder umtauschen.“

Ich habe es eingefroren. Falls mal schlechte Zeiten kommen.

18.12.2015

Wir haben nun einen Weihnachtsbaum, den das Christkind eigentlich erst an Weihnachten bringt. Es war ein böses Erwachen, als ich im ersten Jahr nach Verlassen des Elternhauses an Heilig Abend die WG betrat und kein Baum zu sehen war. Seitdem kümmere ich mich selbst um Ungeziefer in der Wohnung, das auch heute in Heerscharen aus dem Baum strömte. Die Frau, die in unserer Wohnung lebt, identifiziert sie souverän als Springschwänze, die eigentlich Weihnachtsbaum_gigantischnicht der Rede wert sind, aber ich schreibe es auf. Der Rede wert ist unser mächtiger Baum, der in Ermangelung eines Stellplatzes wie jedes Jahr ein wenig klein geraten ist. Die nächste Wohnung wird nur in Hinblick auf ihre Fähigkeit, einen deckenhohen Baum aufzunehmen, ausgesucht. Allerdings könnte es auch sein, dass ich einfach nur bescheiden bin und hier nicht öffentlich schreiben möchte, dass wir eine Deckenhöhe von ca. 7,80 m haben. Wer weiß das schon genau?

20.12.2015

Seit wir heute die Bude ordentlich mit Räucherkerzen und -stäbchen verpestet haben, hat das Räuchermännchen angefangen, mit mir zu sprechen. Eigentlich war es genau andersherum, was mich nicht unbedingt in einem besseren Licht erscheinen lässt.

23.12.2015

Wegen eigenartiger Ereignisse in den vergangenen zwei Tagen ist heute schon der Tag vor Weihnachten. Ein Großteil der Weihnachtsvorbereitungen ist abgeschlossen. Langsam kommt Besinnlichkeit auf, was a) höchste Zeit und b) halb gelogen ist. Denn schließlich ist nur ein Großteil abgeschlossen und niemand weiß, aus wievielen Großteilen die Weihnachtsvorbereitungen bestehen. Meistens sind es viele und man vergisst wichtige Dinge. Immerhin habe ich alle Geschenke bis auf eines schon gekauft, was die Hauptsache an Weihnachten zu sein scheint. Ein Umstand, den ich jüngst in einem Blog über Mode kritisiert fand. Die Dame war der Meinung, dass Weihnachten seinen Reiz verloren und der Konsum uns alle ergriffen habe. Nun kann man das nicht leugnen. Andererseits ist es nicht so, dass man sich dem nicht entziehen könnte.
Davon abgesehen kann man mit Mitte 20 langsam mal in der Realität angekommen sein und das ist nunmal eine andere, als wenn man noch ein Kind ist. Solange man sich einen Teil dieser Kindlichkeit bewahrt, sollte das Erwachsensein kein großes Problem darstellen. Um das ganze völlig paradox werden zu lassen, hatte die Dame ihren Schimpf-Artikel mit einigen Fotos von sich aufgepeppt, die offensichtlich zur Bewerbung eines Tagesoutfits dienten. Wir halten fest: Nutzung des Weihnachtsfests durch Konzerne etc. = schlecht; Nutzung eines konsumkritischen Artikels für Eigenwerbung = gut. Nunja.

24.12.2015 – Es wird ernst

Jetzt ist Weihnachten. Und trotz aller Zyniker, Mahner und Skeptiker hat das Fest für mich tatsächlich eine Bedeutung. Relativ zu Beginn meines Daseins als angesehener Autor eines vielbeachteten Blogs hatte ich schonmal erwähnt, dass es mir bei vielen Festen, die aus christlicher Tradition entstanden sind, tatsächlich weniger um das eigentliche Fest geht. Viel wichtiger ist mir der Aspekt, dass man sich wieder mit Menschen treffen kann, die man alltagsbedingt nunmal seltener zu Gesicht bekommt, als es vor einigen Jahren noch der Fall war.
Abgesehen davon sind auch Familientraditionen nicht zu unterschätzen. Ob das nun das noch immer praktizierte Verstecken der Ostereier ist, das Singen von „Kräht der Hahn früh am Morgen“ beim morgendlichen Geburtstagsanruf meiner Mutter, die durch Sarkasmus, Ironie und Albernheiten zeitweise unerträgliche Kombination meiner Geschwister und mir oder Erinnerungen an längst vergangene typische Wortwechsel mit meinem Vater in der Weihnachtszeit, wenn beispielsweise unter hohem Stresslevel der Baum aufgestellt wurde, der sich im Rahmen seiner Möglichkeiten wehrte, eine aufrechte Haltung anzunehmen.

Er (an der SPitze des Baumes hantierend): „Steht der gerade?“

Ich (den Baum krampfhaft festhaltend): „Joa…“

Er: „So…? Oder so?“

Ich (aufgrund der Kolossalität des Baums oder der Kürze meiner Arme nicht das Geringste erkennend): „Ja, jetzt ist der gerade.“

Er (meinem Urteil berechtigterweise nicht vertrauend): „Der steht doch nicht gerade!“

Weihnachten ist auch die Zeit, in der gerne Stress suggeriert wird, der eigentlich nicht existiert. Wenn man ihn denn nicht an sich heran lässt. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, aber das emsige Treiben in x-beliebigen Supermärkten mutet beizeiten unterhaltsam an. Viele schauen gequält drein, die Schlange an der Kasse ist lang, die Nerven liegen blank. Auf den Straßen herrscht wieder der Nahkampf, weil viele noch eben schnell irgendwohin müssen.

Das alles und all die kleinen Katastrophen, die mit Weihnachten im Zusammenhang stehen, gehören dazu. Auch wenn bei einigen – davon sind wir noch nie wirklich betroffen gewesen – der Streit an Weihnachten zum obligatorischen Programmpunkt geworden ist, dann sollte man ihn auch als solchen akzeptieren.

Vielleicht würde er uns in Zukunft fehlen.

Das wäre langweilig.

Frohe Weihnachten.
Unterschrift

17 Kommentare

  1. Ich teile Deine Meinung über Weihnachten als ein Fest der Familie, der Freunde und der persönlichen Traditionen. Genau deshalb gefällt es mir nämlich auch so gut.

    Dem Konsum und Stress kann man sich übrigens hervorragend entziehen, wenn man am 24. seine Wohnung nicht weiter als bis zur Terrasse verlässt und Weihnachtsgeschenke NACH Weihnachten (Anfang Januar) kauft und bis zum nächsten Weihnachten nur so gut versteckt, dass man sie im geeigneten Moment auch wiederfindet. 😉

    In diesen Sinne liebe Grüße und buon Natale aus Apulien!
    Corinna

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