Der neongelbe Ninja V – Laufender Frust

Manchmal will es einfach nicht so recht funktionieren mit diesem Laufen. Aus einem irrationalen Grund möchte ich immer möglichst schnell voran kommen und ärgere mich dann, wenn das nicht klappt. Weil ich aber gleichzeitig auch immer den Anspruch habe, eine möglichst im Vorfeld halbwegs festgelegte Distanz zu überbrücken, befinde ich mich in einer Zwickmühle: Laufe ich langsam, bin ich nicht schnell. Laufe ich schnell, beginne ich zu kotzen und muss nach der Hälfte der zuvor als Ziel ausgegebenen Strecke wieder nach Hause. Die Frau, die in unserer Wohnung lebt, würde mich trösten müssen. Das würde sie nur halbherzig tun, weil sie dem Laufen nichts abgewinnen kann, da sie mit einem effizient arbeitenden Stoffwechsel ausgestattet ist und einfach nicht zunimmt. Ich würde mich über meinen eigenen Stoffwechsel ärgern und aus Frust laufen gehen. Das Erbrechen hätte aber meine Nase von innen verätzt, was jeden Atemzug zu Qual machen würde. Ich müsste nach kurzer Zeit wieder nach Hause. Ein Teufelskreis.

Eigentlich ziehe ich meine Läufe durch, wenn ich sie einmal begonnen habe. Und wenn ich zwischendurch mal ein paar Meter gehen muss. Dann ist zwar die Zeit im Eimer, aber wichtig ist, dass ich mich bewegt habe. Außerdem habe ich vor kurzem in einer der Laufgruppen auf Facebook den Hinweis bekommen, immer mal wieder auch langsame Läufe in meinen Plan (als hätte ich einen) einzubauen, um die Grundkondition zu stärken. Ich werde es beherzigen, zumal ich aktuell auf einem Plateau festhänge. Rund 5:30 min/km sind gemessen an meinen ersten Läufen dieser hoffentlich lange anhaltenden Aktivitätsphase eine gute Steigerung, aber mein Ziel sind ~5:00 min/km auf große Distanz. Seit Weihnachten habe ich zwei Tempoläufe auf 6 Kilometer durchgeführt. Der erste am ersten Weihnachtstag landete bei einem Schnitt von 4:56 min/km, ein zweiter bei 4:40 min/km (Vor kurzem gesellte sich ein Lauf über 15 Kilometer mit einem Schnitt von 05:05 min/km dazu.). Das soll auch die Möhre an der Angel vor mir sein, wenn ich im kommenden Oktober meinen ersten Halbmarathon in Angriff nehme. Bei Eseln soll es bekanntlich funktionieren, aber die laufen ganz andere Zeiten.

Bis dahin wird wohl immer mal wieder Frust mein Laufbegleiter sein und wer den zweiten Teil gelesen hat, wird wissen, dass ich nicht kann, wenn einer guckt. Vor allem, wenn es der Frust ist. Beispielsweise finde nichts furchtbarer als unfreiwillige Unterbrechungen des Laufs. Sei es durch einen Bagger im Südpark oder die eigene Pumpe, die mir zu verstehen gibt, dass sie gerade ordentlich ackern muss und vielleicht eine Pause ganz gut wäre, damit mein Brustkorb nicht explodiert.

Das gehört wie unkontrolliert explodierende Menisken zu einer weit verbreiteten Läuferkrankheit. Das ist übrigens eine ganz gute Sache an Herzfrequenzmessern. Auf die Faustregel, dass der Maximalpuls = 220 – (Lebensalter) ist, gebe ich herzlich wenig. Auf meine Beobachtungen allerdings umso mehr. Und die offenbarten mir, dass diese Faustregel wohl doch relativ genau ist. Ich glaube ihr trotzdem nicht, weil Faustregeln immer sehr stark vereinfachte Aussagen über eigentlich komplexe Zusammenhänge sind. Und das funktioniert schon bei den meisten Medienhäusern und deren Meldungen und Berichte nicht. Oder bei Bewertungen von Prüfungsleistungen in den Geisteswissenschaften.

Zurück zu Herzfrequenzmessern. Man lernt seinen Körper ein wenig besser kennen. Mittlerweile habe ich ein ganz gutes Gefühl dafür bekommen, wie sich hohe Belastung oder eben zu hohe Belastung anfühlt, auch wenn ich nicht verkabelt bin. Umgekehrt weiß ich, dass mein Puls nach einem Intervall in hohem Tempo nach etwa 40 Sekunden wieder im Bereich von geringer Belastung ist. Interessante Details, die mir dennoch in manchen Situationen einfach nichts bringen.

Bei einem Lauf im vergangenen Dezember hatte ich schon nach etwas über einem Kilometer das Gefühl, dass das nichts werden würde. Als mich dann noch ein Renter mit seinem elektrischen Rollstuhl überholt hat, war ich kurz davor umzudrehen. Übrigens wurde uns in der Schule mal eingetrichtert, dass es das Wort „elektrisch“ nicht gäbe. Keine 16 Jahre später recherchiere ich diesen Begriff im Zuge des Verfassens eines Blogartikels, der wohl „Der neongelbe Ninja V – Laufender Frust“ heißen wird, und stelle fest: Die Schule hat uns belogen! Was hat sie uns noch an Fehlinformationen geliefert? Es gibt keine Systematik hinter Integralrechnungen und die wurden von unserem Mathelehrer nach Tagesform irgendwie aufgedröselt? Man darf durch 0 teilen? Es ist doch so, wie bei den Bienchen und Blümchen? Man darf das Schulgelände während der Pause wohl verlassen?

Glücklicherweise täuscht einen zumindest das Zeitgefühl immer mal wieder und während ich beim Laufen den Eindruck habe, den Wechsel der Jahreszeiten miterleben zu können, bin ich in Wirklichkeit schneller unterwegs. Und somit kehre ich erleichtert nach Hause zurück und stelle fest, dass der Schlüssel noch passt und die Frau, die in unserer Wohnung lebt, weder ergraut, noch faltig geworden oder mit jemand anderem verheiratet ist. Ich war glücklicherweise doch nur anderthalb Stunden unterwegs. Das ändert allerdings nichts daran, dass es sich während des Laufens manchmal einfach kacke anfühlt. Aber vielleicht muss das so sein. Es wird ja gerne angezweifelt, dass man sich nach dem Sport besser fühlt. Ich hingegen halte das für ein relativ schlüssiges Phänomen. Nur wer Scheiße gefressen hat, weiß zu schätzen, wie Schokopudding schmeckt.

Das ändert natürlich nichts daran, dass ich manche Läufe mit Beinen laufe, die sich so anfühlen, als würden sie schon lange nicht mehr zu meinem Körper gehören. Sie bewegen sich nicht flüssig, wirken eingerostet, stechen hier und da und fühlen sich hart an. Keine Dämpfung. Ein Fremdkörper unterhalb der Hüfte, der lange nicht benutzt wurde. Mein Zwang, jeden angefangenen Lauf auch zu beenden, führt dann dazu, dass ich mir direkt zu Beginn der Zähigkeit von Zeit bewusst werde. Und der Zähigkeit meiner Muskeln. Und der Zähigkeit der Frau, die in unserer Wohnung lebt. Denn sie wartet morgens ab 7 Uhr im Wohnzimmer. Zäh ausharrend, wann denn endlich derjenige Mann heimkehrt, der den Kaffee kocht. Das kann er sehr gut. Wenn er fertiggeröchelt hat und nicht mehr den Küchenboden volltropft.

12 Kommentare

    • Das geht aber mit einer dezenten masochistischen Ader relativ schnell. Als ich im November wieder mit dem Laufen angefangen habe, brauchte ich für eine Strecke, die ich mittlerweile für Tempoläufe mache, drei Pausen. Nach zwei Wochen regelmäßigem Laufen, war das kein Thema mehr. Man muss sich nur irgendwie motivieren. Eine unfassbar wenig hilfreiche Hilfestellung, aber letztendlich lohnt es sich.

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  1. Ich hasse laufen so sehr, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann 😀 Bei mir müsste zumindest ein Ball im Spiel sein, damit ich Sinn dahinter erkenne… Umso mehr bewundere ich Menschen, die es einfach durchziehen und weiter laufen, als nur zum Bus.

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  2. 5:30min/km….okay, ich darf mich nicht mit Männern vergleichen. Und wehe, Du beschwerst Dich nochmal darüber, von einem E-Rolli überholt zu werden. Wenn ich meine Spitzenzeit von 7:30min/km laufe (die ich fast NIE schaffe), bewege ich mich immer noch auf Rollatoren Niveau.

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    • Neulich hat eine Geherin (!) in einer Laufgruppe ihre Zeiten gepostet und gab ihren schnellsten Kilometer mit 3:40 min/km an. Ich wäre gar nicht in der Lage in diesem Tempo zu gehen. Unmenschlich, aber anscheinend möglich. 🙂

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