Glatteis in geschlossenen Räumen

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Es folgt ein Rückblick auf eine ferne Zeit, die irgendwo zwischen Weihnachten und Neujahr stattgefunden hat. Finden Zeiten eigentlich statt? Schwierig. Zeit ist. Zeit vergeht. Aber vom Stattfinden der Zeit liest man selten. Höchste Zeit, damit anzufangen. Personen der folgenden Geschichte wurden teilweise bis zur Unkenntlichkeit zitiert oder sind Erfindungen der Realität.


Unter diesem Titel könnte nun eine hanebüchene Geschichte folgen. Eine unglaubliche Geschichte. Eine Geschichte, die etwa so beginnen könnte:

„Er wollte bloß seine Wohnung mit flüssigem Stickstoff wischen, doch was dann geschah, rührt sie zu Tränen!“

Diese Geschichte beginnt aber anders. Schon aus Respekt vor der Katze, die seit einigen Tagen geregelte Probleme beim Durchqueren der Wohnung hat (und im obigen Zitat mit „sie“ gemeint sein könnte). Diese äußern sich dadurch, dass das arme Tier beim Versuch, selbst im gemäßigten Tempo eine Kurve zu nehmen, sehr weit herausgetragen wird und meistens den Türrahmen mitnimmt. Natürlich nicht tatsächlich. Das sagt man halt so. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob man es tatsächlich so sagt oder nur ich es so sage. Einigen wir uns darauf, dass ich wohl Recht behalte. Die Katze wird also in unserer Wohnung herausgetragen und nimmt währenddessen Türrahmen mit. So ist es nunmal.

Aus irgendeinem Grund ist unser hochwertiger Boden aus edelstem Buchsbaumparkett spiegelglatt. Wir müssen uns, um nicht völlig den Halt zu verlieren, auf Zehenspitzen durch die Wohnung bewegen, was uns unser Körper mit Wadenmuskelkater dankt. Größere Schritte müssen vermieden werden, wenn wir nicht in den unfreiwilligen Spagat gezwungen werden wollen. Beim Weg aufs Klo imitiere ich oft unfreiwillig die Katze und schlage beim Abbiegen mit der linken Schulter gegen den Türrahmen. Manchmal auch mit dem Kopf, was mein Körper als Einladung betrachtet, unverzüglich zu Boden zu gehen. Mit entschwundenen Sinnen. Wenn ich dann aufwache, hat sich das mit dem Pinkeln in der Regel erledigt. Weil aber auch die Katze ihr Klo im Bad stehen hat, lässt sich die Lache auf dem Fliesenboden hervorragend auf den Fellwürfel schieben. Folglich hat die Katze in letzter Zeit oft Ärger von der Frau, die in unserer Wohnung lebt, bekommen. Der Gummiwürfel erdolcht mich mit durchdringenden Blicken. Auch das tut weh, aber auf einer anderen Ebene.

Allerdings nicht so sehr wie die Tatsache, dass wir zunächst keine Ahnung hatten, warum der Boden so glatt geworden ist. Geputzt haben wir ihn schon, was aber keine Besserung nach sich zog. Glatte Böden sind besonders dann unhilfreich bzw. hilfunreich bzw. hilfarm, wenn sich eine Person des Haushaltes noch im Genesungsprozess befindet und sämtliche Anstrengungen vermeiden soll. Das schließt Eislaufen wohl ein, obwohl die Ärzte das nicht explizit angesprochen haben. Andererseits haben die Ärzte eine relativ lockere Auffassung davon gehabt, wie man jemanden mit postoperativen Tipps versorgt. Google ist da ebenfalls selten eine große Unterstützung und verweist darauf, dass man eigentlich alles machen kann, aber sich bloß Zeit nehmen soll, bevor man sich wieder voll belastet. Aber im Grunde könne nichts passieren. Es sei denn, man achtet nicht auf die Signale des Körpers. Dann könne man schwerwiegende Verletzungen davon tragen. Das sei aber unrealistisch, was aber keiner so genau sagen könne. Mit einem mehrwöchigen Winterschlaf könne man nichts falsch machen.

Wir haben ein Weihnachtgeschenk im Verdacht, für die Glätte verantwortlich zu sein. Ich besaß bis vor einigen Monaten unfassbar bequeme Pantoffeln aus gefilzter Wolle. Die werden wohl aus Wolle gestrickt und dann gefilzt. Das ist schon alles, was ich darüber berichten kann. Ich stricke nicht. Meine Versuche zu stricken, enden damit, dass ich einen etwa 25 m langen Wollfaden in der Wohnung verteile. So lang dürfte ein Wollknäuel wohl sein. Damit bin ich ähnlich kreativ wie eine Katze: Unser gemeinsames Talent besteht darin, kugelförmige Wolle in einen sehr langen Faden umzuwandeln. Ich verstehe auch überhaupt nicht, wie ein aus Wolle gestrickter Pullover beispielsweise halten kann. In der Grundschule haben wir mal gestickt. Ich habe ein komplettes Schulhalbjahr gebraucht, um sieben Knöpfe auf ein etwa 10 x 10 cm großes Stück Stoff zu sticken. Eine äußerst komplexe Aufgabe, zumal jeder Knopf eine andere Größe hatte. Arbeitsroutine? Unmöglich, denn manche Knöpfe hatten zwei Löcher, andere wiederum vier. Da hieß es, wachsam zu bleiben.

Heute meide ich sämtliche Stoffarbeiten. Die Frau, die in unserer Wohnung lebt, allerdings nicht. Wir mussten eines Tages feststellen, dass meine alten gefilzten Pantoffeln von einer fortpflanzungsfreudigen Mottenfamilie bewohnt wurden. Wie es Mietnomanden eben so hinterlassen, war das Innere der Pantoffeln vollkommen verwahrlost und mit Eiern übersäht. Da wünscht man sich lieber Hühner, die sich in  Pantoffeln einnisten. Deren Eier lassen sich ziemlich leicht erkennen und beseitigen. Es mussten also neue Pantoffeln her, die mir die Frau, die in unserer Wohnung lebt, zu Weihnachten schenkte. Selbstgestrickt und gefilzt. Die kann sowas und konnte es schon vor dem aktuellen Hype. Stricken liegt ja seit einigen Jahren wieder voll im Trend, was man stellenweise auch hier in Düsseldorf beobachten kann. Mancher Gehwegpöller trägt ein flauschiges Gewand. Über Gaffiti beklagen sich alle, aber gegen die Wollvandalen wird nichts unternommen. Eine Schande.

Im Mittelalter existierte ein Dichter namens Der Stricker. Das Schreiben war ja damals nicht unbedingt allzu weit verbreitet. Unter den Schreibern dieser Zeit weit verbreitet war hingegen die Darstellung von Pfaffen, die ein durchweg schlechtes Image hatten. Denn zu einer Zeit, als die Kirche noch längst nicht flächendeckend ihre Macht ausübte, konnten die Geistlichen in ihren kleinen Abteien etc. im Grunde machen, was sie wollten. Deshalb lebte so mancher Pfaffe durchaus feudal und trug wenig zur eigentlichen Mission bei. Folglich verhohnepiepelte auch Der Stricker die Figur des Pfaffen, indem er ihn als den lügenden, aber gewitzten Geistlichen auftreten ließ. Unmoralisch, aber am Ende irgendwie doch geläutert. Eine Art Till Eulenspiegel.
Das Ganze hat so gut wie nichts mit dem eigentlichen Thema dieses Beitrags zu tun, aber immerhin wisst ihr jetzt, was Pfaffen sind und dass/warum die zu dieser Zeit nicht gerade gern gesehene Gäste waren. Das thematisierte auch Der Stricker in seinem Werk „Der Pfaffe Amis“, der mit seinen Streichen so manchen Zeitgenossen aufs Glatteis führte.

Eine Überleitung, die so nie geplant gewesen ist, weil der vorangegangene Abschnitt vollkommen spontan entstand. So sehr mich Mediävistik im Studium auch gelangweilt hat: Der Pfaffe Amis ist hängen geblieben. Vermutlich, weil mich seine Betrügereien fasziniert haben. Ich kann sowas ja bekanntermaßen als Meister der Illusion überhaupt nicht.

Was ich kann, ist mit meinen neuen Pantoffeln Laminatböden in spiegelglatte Oberflächen zu verwandeln. Denn um die Sohle einigermaßen rutschfest zu machen, hat die Frau, die in unserer Wohnung lebt, aus Ermangelung an Flüssiglatex vorläufig punktuell Fugensilikon – man kennt es aus dem Bad – unter die Sohle getupft. Hätte ich auch gemacht. Es funktioniert auch. Wenn man selbst die Pantoffeln trägt. Alle anderen haben jetzt ein Problem, denn ich hinterlasse mit meinen Silikonsohlen eine Spur, die sich durch hervorragende Gleiteigenschaften auszeichnet. Vor dem Herd kann man als Mensch ohne diese Pantoffeln mittlerweile nicht mehr gefahrlos stehen. Denn ohne es zu merken, gleiten die Füße nach außen, was das Risko erhöht, sich ordentlich auf den Bart zu legen. Das ist in unserer Küche wenig erstrebenswert. Ist es generell nicht, aber besonders hier fehlt einem – bewiesenermaßen – schlicht jede Möglichkeit, sich vernünftig abzufangen.

Jetzt gerade pest die Katze aus dem Wohnzimmer durch den Flur ins Schlafzimmer. Sie beschleunigt ohne große Mühe, was vor einigen Tagen noch anders aussah. Da galoppierte sie zunächst eine Sekunde lang auf der Stelle, weil ihre Pfoten keinen Halt auf dem Boden fanden. Dass das nun nicht mehr so ist, ist ein Umstand, den ich nicht hinnehmen kann. Und damit schließe ich diesen Artikel und bearbeite jetzt mit meinen Pantoffeln bestimmte Bodenpartien, von denen ich weiß, dass die Katze dort öfter mal in die Kurve geht. Sie bewegt sich einfach schon wieder zu trittsicher durch die Wohnung.

 

15 Kommentare

  1. Mein lieber Schwan. So kurz nach dem Erwachen fällt es schon schwer, genügend Konzentration aufzubringen. Aber ich glaube, ich habe den Faden nicht verloren. Ein pantoffeltragender Mönch nimmt gestrickte Katzen mit Türrahmen mit?

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  2. Herrlich gelacht. Auch wenn ich das Problem kenne (ebenfalls schon selbstgefertigte Filzpantoffeln und Haussocken verschenkt), und weiß, dass das böse enden kann. Schlimmstes Ende war, dass sich jemand des Fahrens nicht mächtiges ein paar Diskoroller bei Ebay ersteigert hat, da der Ansicht, die seien harmloser als meine Pantoffeln.

    Es gibt in Kurzwarenabteilungen extra diese Antirutschnoppen zu kaufen, vielleicht mal auf Vorrat für den Notfall zulegen. Ansonsten habe ich mir sagen lassen, hat auch schon jemand mit Industriekleber bzw Handwerkerpattex (keine Ahnung welches genau) als Rutschstopp drunter gute Erfahrungen gemacht.

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  3. Mein erster Gedanke: Die arme Katze! Mein zweiter Gedanke: Das funktioniert mit nem Laserpointer, nem Parkettboden und unserem Terrorkrümel auch. Ich hatte schon an einen Satz Schaumstoff-Kegel gedacht um dann „Katzennkegeln“ zu spielen. Außerdem brauche ich jetzt dringend Pantoffeln, damit ich in unserem Wohnzimmer Schlittschuh laufen kann…

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