Schlaffe Nudel – Frau will anonym bleiben

Ich gebe zu, dass der Titel ein wenig reißerisch klingt. Das ist nun gar nicht meine Art, obwohl ich ihn schon ein wenig lustig finde. Trotzdem möchte ich mich in aller Deutlichkeit von der Unart des Clickbaiting distanzieren. Ich bin oftmals gewillt, diverse Menschen bei Facebook zu meinen Ex-Freunden hinzuzufügen, wenn ich sehe, dass sie derartige Postings lesen und/oder verbreiten. Macht man Leute durch das Entfreunden zu seinen Feinden? Es wäre durchaus eine unterhaltsame Funktion von Facebook, wenn man jemandem eine Feindesanfrage schicken könnte. Der Mehrwert hat sich mir noch nicht erschlossen, aber ich leite das ganze mal an die Dampfbloque Entertainment Group weiter. Die sollen sich da mal Gedanken machen, zumal es sich bei Facebook um ein Tochterunternehmen der Dampfbloque Entertainment Group handelt. Wer es noch nicht wusste, weiß es jetzt und ist wahrscheinlich ebenso überrascht wie ich.

Nun hat der Titel sowohl inhaltlich als auch formal seine Berechtigung, wenn ich nun die Information verkünde, dass er sich auf eine Sendung von einem privaten Sender bezieht. Das ist übrigens ein enormer Schwachpunkt der vor zwei Jahren eingeführten Abschaffung der Anwesenheitspflicht in der Uni, was die Frage aufwirft, ob man eine Abschaffung einführen kann. Jedenfalls haben tausende Studenten nun die Freiheit, zuhause zu bleiben, um von dort grenzenlose Weisheit zu erlangen. Die Freiheit verleitet dazu, während des Selbststudiums den Fernseher zu betätigen, der seinerseits bei der Wahl eines bestimmten Knopfes auf der Fernbedienung grenzenlos dämliche Inhalte ausspuckt. Weil aber auch Akademiker nicht immer nur Klassik hören und politische Debatten verfolgen und auswendig lernen, ertappt man sich dabei, den größten Scheiß der Welt zu verfolgen.

Beispielsweise bei einem fiktiven Sender, den wir einfach mal zu den Privaten zählen und ein Format produziert, das nach der Uhrzeit benannt ist, zu der diese Sendung startet. Sie zeichnet sich durch die aberwitzige Kombination von reichlich Unwichtigem und schlecht Recherchiertem sowie einer gehörigen Prise Polemik und dem Hang zur Emotionalisierung aus. Sofern es dieses Wort noch nicht gibt, wurde es gerade erfunden.

Und so sitze ich über diverser Sekundärliteratur zu einem Stück Weltliteratur und zitiere mir unter Zuhilfenahme von „vgl.“ und „vgl. ebd.“ meine Masterarbeit zurecht und werde durch die Erwähnung des Wortes „Erektionsstörungen“ jäh aus meinen philosophischen Gedanken gerissen. Nicht, dass mich das Thema sonderlich interessieren würde. Aber wenn wir mal ehrlich sind, reagieren wir doch alle auf Begriffe aus der Welt des Bettennahkampfes. Der angeschaltete Sender ist in der Thematik ganz vorn mit dabei, wobei es noch einen weiteren gibt, der ganz ähnlich heißt, sich aber durch ein angehängtes „II“ von Ersterem unterscheidet.

Wenn mal wieder ein Thema aus dem Bereich des Geschlechtsverkehrs angesprochen wird, tönt es oft von links auf dem Sofa „Titten, Ärsche, Ibiza: Das alles soll es angeblich in der Hölle nicht geben“. Es ist bezeichnend für meine Arbeits- und Schreibgewohnheiten, wenn ich dieses Zitat einfach nur mal erwähnen wollte, ohne einen klaren Bezug zum restlichen Text herzustellen. Kartoffelsalat.

Es geht also um hängende Körperteile. Da muss man differenzieren, denn während es bei Armen und Beinen durchaus sinnvoll erscheint, dass diese senkrecht zum Körper angeordnet sind, sieht man dies in anderen Körperregionen nicht gern. Allerdings sollte es dort auch nur in gewissen Situationen zu waagerechten Erscheinungen kommen, weil man sonst nicht mehr salonfähig wäre und beispielsweise im Restaurant beim Aufstehen den gesamten Tisch umwürfe. Ohne die Hände. Brisantes Thema. Wenn es nun aber auch in den erwähnten gewissen Situationen zum Hängen kommt, spricht man von Erektionsstörungen. Ich denke, dass man wohl auch im umgekehrten Fall von einer Störung sprechen kann. Nämlich, wenn es in ungewissen Situationen zum Stehen kommt.

Möglicherweise schreibe ich mich hier gerade um Kopf und Kragen, aber das muss ich nun ignorieren. Die vorhin erwähnte Sendung widmet sich in einem mit Sicherheit minutenlang recherchierten Beitrag von etwa 180 Sekunden Länge dem schwierigen Thema der hängenden Nudel. Die komplexe Thematik soll mithilfe eines Interviews mit einer geschädigten Frau erörtert werden. Nun ist es eine durchaus schlüssige Tatsache, dass auch die Frau durchaus negativ von einer Fehlfunktionen des Mannes betroffen ist. Allerdings ist es doch eher so, dass der Mann ernsthaft unter diesem Problem zu leiden hat, weil er es ist, der nicht so kann wie er will. Andererseits ist es heute auch nicht mehr so eine große Überraschung, wenn sich eine Frau auf den zweiten Blick als Mann entpuppt. Dann hätte natürlich auch die vermeintliche Frau ein Problem, wenn sie denn unter Erektionsproblemen leidet.

Das war aber in besagtem Beitrag nicht der Fall, weshalb ich mich frage: Warum fragt ihr nicht einen Mann zu diesem Thema, der mit Sicherheit deutlich mehr Substanzielles in Bezug auf Ängste und Leiden beitragen könnte? Ich möchte keiner Frau in Abrede stellen, dass sie in der Lage wäre, die Tragweite eines solchen Problems zu erkennen. Aber es ist ein weit verbreitetes Muster, dass sich Menschen teilweise in Dinge einmischen und der Meinung sind, dazu etwas sagen zu können, obwohl sie nicht direkt davon betroffen sind. Das allein wäre noch kein Grund, auf die Barrikaden zu steigen. Bei mir hört es aber spätestens dann auf mit der Akzeptanz, wenn sich jemand stellvertretend für Geschädigte etc. äußert.

Weil ich während des Beitrags schon geistig abgeschaltet hatte und mich innerlich über die Irrelevanz desselben aufregte, bekam ich nicht mehr so viel mit. (Relativierung des zuvor geschriebenen Satzes: Irrelevanz ist nicht bedingungslos abzulehnen. Gruß nach Oberbilk!) Nur, dass sie – die Frain dem Beitrag – unerkannt bleiben möchte, weshalb man nur ihre Silouhette sah. Ein massiver Quatsch, dass alles und jeder mittlerweile nur noch zensiert vor die Kamera gezerrt wird. Das ufert dann darin aus, dass in „Nachrichten“ Fotos von beispielsweise gesuchten Verbrechern gezeigt werden, die verpixelt sind. Oder dass in Beiträgen, für die offensichtlich am Drehort keine Genehmigung vorlag, alles außer dem „Journalisten“ unkenntlich gemacht wurde. Dann doch lieber gar nichts zeigen oder die Genehmigung einholen.

Sie wollte also offensichtlich nicht erkannt werden, was mich immer ein wenig verwundert, denn welchen Wert hat ein ausgestrahltes Interview, wenn derjenige, der interviewt wird a) nicht zu sehen und b) kein unmittelbar Geschädigter ist. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass eine Frau nicht 100%ig nachfühlen kann, wie ein Mann sich in seiner Haut fühlt, wenn sein Nacktmull die Verhärtung verweigert und trotzig gen Süden zeigt. Ein Grund, einen Mann zu dieser Thematik zu befragen. Glücklicherweise hatte sie großes Verständnis für die Erektionsstörungen ihres Partners, wenn auch sie nicht gerade glücklich damit war. Und weil sie und ihr Partner unter den Potenzschwächen arg zu knacken hatten, hat sie schlussendlich – voller Verständnis für die Probleme ihres Partners – das Weite gesucht.

(Halb so wild. Doppelt so wild wäre es allerdings im umgekehrten Fall. Wenn nämlich der Mann sich verdrückt, weil die Frau aus welchen Gründen auch immer nicht kann. Ein Umstand, der mich massiv aufregt. Aber das gehört hier nicht her. Rechtschreibfehler in Bauchbinden (der Teil im Fernseher, wo Untertitel oder sonstige Informationen stehen) regen mich auch auf. Aber auch das gehört hier nicht her. Obwohl…eigentlich schon. Es geht schließlich um diesen einen Sender. Der kann das richtig gut.) 

Um dem gesamten Beitrag komplett die Glaubwürdigkeit zu rauben, verteilt die silhouettenhafte Dame noch kostenlose und erprobte Ratschläge. Man solle sich den Problemen stellen und seinen Partner unterstützen. Solle sich Hilfe suchen. Man sollte immer positiv bleiben und vor allem keinen Druck ausüben. Eine sehr flexible Form von konsequentem Verhalten.

Übrigens ist Blutdruck eine durchaus wünschenswerte Form der Druckausübung, sofern sie bei Erektionsstörungen in den richtigen Regionen wirkt.

 

18 Kommentare

  1. Die Glotze, immer wieder ein reichhaltiges Thema. Bei uns schwankt das oft zwischen totalem Overkill (das Ding läuft 24/7) und dann wieder gar nicht schauen. Das Faszinierende ist immer, wenn eine Zeit lang Zustand 2 geherrscht hat und man das Ding seit Wochen oder Monaten wieder einschaltet – Man ist ganz fasziniert, wie einem während Zustand 1 nicht auffallen konnte, wie unglaublich dämlich ein Großteil des Fernsehprogramms eigentlich ist. Aber dann gewöhnt man sich dran (es hilft, entsprechende Sendungen wie die von dir genannte zu meiden) und passt sich sozusagen an… ob das so gut ist ^^ ?

    Erektionsstörungen. Ja, kein Thema, das mich direkt betrifft, so als doppel x bechromosomte, entsprechend würd ich mich auch nicht in einem Interview dazu äußern (auch nicht als Schattenriss). Nicht, dass der Einfluss solcher Problematiken auf die Herrinnen der Schöpfung nicht auch seine Berechtigung hätte, aber wenn Mann gar nicht zu Wort kommt find ich das bei der Thematik schon etwas eigen. Überhaupt geht es mir ähnlich wie dir, wenn nicht direkt Betroffene sich ausführlich über bestimmte Thematiken auslassen und tatsächlich Betroffene dabei gar nicht gehört oder beachtet werden. Bei (fast) jeder Thematik sollte man zumindest mit den Betroffenen reden und sich ihre Sicht der Dinge anhören, bevor man anfängt groß Lösungsansätze zusammenzuzimmern.

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    • Ja, beizeiten nervt es mich auch. Grundsätzlich dient die Kiste wirklich nur zur Berieselung nebenbei. Radio lenkt mich wegen der Musik und der Nachrichten zu sehr ab und die öffentlich-rechtlichen haben ja tatsächlich Inhalte zum Inhalt, was beim Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten eher unförderlich ist, weil man vor lauter Interesse am Fernsehprogramm das Schreiben vergisst. Dann lieber die Privaten laufen lassen und in seltenen Fällen von Worten wie „Penis“ oder anderen Schlüpfrigkeiten kurz aufgeschreckt werden.

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      • Ja, beim wissenschaftlich arbeiten stell ich mir Musik auch schwierig vor, wenn ich im Planungsprozess bin geht das auch gar nicht, da kann die tausendste Wiederholung der Serie, die man auswendig kennt oder eben irgendein Blödsinn, ganz hilfreich sein ^^.

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  2. Ich denke, das Hauptproblem ist, dass den meisten Menschen gar nicht auffällt, dass in dem Fall es z.B. viel richtiger und wichtiger wäre, wenn die betroffene Person, oder zumindest an Mann, der das sicher besser nachempfinden kann, als eine Frau, spricht. Weil das Gros mit Essen, Trinken und ausscheiden eben diesem beschäftigt ist und wenn Mal mehr geht, dann ist das Atmen und Sex. Selbstständig denken liegt hinterm Tellerrand. Demnach passt auch das TV-Programm 😉
    Bin da aber ganz deiner Meinung, dass es unpassend ist. Gleich, wie wenn beispielsweise ein „Modepüppchen“ plötzlich psychologische Tipps gibt und die Welt mit Falsch- und Halbwissen verpestet 😉

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