Unterdrückung + x Oscars = Gleichstellung

2016-03-01 12.34.31

Um eines schonmal vorweg zu nehmen: Für mich ist jeder Mensch vollkommen gleich. Das ist eine oft bemühte Phrase, die wenig originell erscheint. Aber sie trifft zu, was sich vor allem in meiner Erfahrung äußert, dass Frauen, Männer, Schwarze, Weiße, Schwule, Lesben, Veganer, Vegetarier und Omnivoren, ob Mensch oder Tier manchmal richtige Arschlöcher sein können. Nur interessiert mich in dem Moment nicht, wer das genau ist, der mir auf den Senkel geht. Ich denke mir selten „War ja klar!“, wenn mir jemand blöd kommt. Von Klischees halte ich generell wenig, auch wenn sie stellenweise bestätigt werden, was allerdings lediglich die Klischeehaftigkeit von Klischees belegt. Andererseits wundere ich mich nicht, wenn mich die Polizei anhält. Dann denke ich mir schon gelegentlich, dass das ja klar war. Einfach deshalb, weil Postboten, Müllmänner oder was da sonst noch so auf der Straße rumläuft, mich eher selten rechts rauswinken. Das macht immer nur die Polizei. War ja klar! 


Ich habe die Oscarverleihung nicht live verfolgt. Das Tolle an den sozialen Medien ist ja, dass man sämtliche Infos und Nichtinfos am nächsten Morgen sowieso um die Ohren geklatscht bekommt. Mich persönlich interessiert weder die Abendgarderobe der Stars, noch wer den goldenen Zwerg erhält, noch wer anfängt zu flennen, weil er so ergriffen ist. Natürlich glaube ich jedem, dass er sich über eine Auszeichnung freut. Aber es fällt mir schwer, eine Veranstaltung und deren Akteure ernstzunehmen, die während eines Engagements und vermutlich auch an jenem Abend schlicht eine perverse Summe Geld einstreichen. Demütig stellt man sich vor die in absurd teure Kleider samt Inhalt gekleideten Schauspieler und zeigt ehrliche Gefühle. Wie gesagt, es sind Schauspieler und einen Teil ihres Verhaltens kaufe ich denen nicht ab.

Ich fand es gut, dass Christoph Walz einen Oscar bekam, und dass Di Caprio erst jetzt einen bekommen hat, hat mich gewundert, weil der Kerl seinen letzten schlechten Film wann genau abgedreht hat? Aber das gesamte Drumherum ist uninteressant und in Kombination mit dem geheuchelten Tiefgang geradezu absurd.

„Jaja, dieses Kleid wurde mir von einem sehr exklusiven Designer auf den Leib geschneidert und kostet mehr Geld, als sie im Jahr verdienen. Ich liebe Kleider von Versace. Man trifft hier so viele bekannte Gesichter. Es ist wie ein großes, bombastisches Klassentreffen…wie bitte? Ja, Krieg ist abzulehnen.“

Solche Veranstaltungen werden zwangsläufig von Skandalen begleitet, die allerdings dem allgemeinen Trend entsprechend nicht angepasster sein können. Skandal ist vielleicht der falsche Ausdruck. Kritische Stimmen finden jedes Jahr einen Missstand, auf den man aufmerksam machen muss. Dieses Jahr war es die Tatsache, dass keine farbigen Schauspieler für einen Oscar nominiert waren.

Unterdrückung von Minderheiten ist nicht schönzureden. Allerdings reagiere ich mittlerweile mehr oder wenig reflexhaft, wenn sich jemand über eine zu geringe Berücksichtigung von XY beklagt. Man fordert, mehr Frauen in Führungspositionen zu installieren und führt die eigene Argumentationsgrundlage ad absurdum. Denn wer sich auf der einen Seite hinstellt und vollkommen zurecht behauptet, dass Frauen ebenso qualifiziert für solche Jobs sind, die von Männern dominiert werden, kann nicht auf der anderen Seite eine Quote fordern, die sich einzig auf das Geschlecht einer Person bezieht. Genau das passiert aber.

Mir geht die künstliche Empörung über dieses und jenes ziemlich auf den Keks, weil sie oftmals aus der Geisteshaltung heraus geboren wird, dass nichts so gut sein kann, um nicht einen handfesten Skandal zu beinhalten. Vielleicht bin ich da auch etwas zu lasch, aber wenn ich einen Vater mit seinem Kind schmusen sehe, denke ich nicht spontan daran, dass das aber schon hart an der Grenze sei.

„Da schmust ein erwachsener Mann mit einem Kind?! Was für eine kranke Welt, in der sowas einfach geduldet wird! Das arme Kind!“

Ich habe irgendwann in der Mittelstufe mal meinen Geburtstag gefeiert. Das war die Zeit, in der man noch zuhause gefeiert hat. Heute läuft das ja eher so ab, dass man sich irgendwo zum Vorglühen trifft und anschließend irgendwo anders Papis Geld ausgeben geht. Habe ich schon erwähnt, dass ich wenig von Klischees halte? Damals war das noch nicht so. Da wurden Geburtstage zuhause gefeiert. Ein Mädchen aus meiner Klasse erschien nicht, was ihre Mutter meiner Mutter telefonisch am Tag der Feier mitteilte. Begründung: Ihre Tochter solle nicht auf einer Party erscheinen, auf der Alkohol in rauen Mengen fließen und man sich anschließend gegenseitig befummelt.

Wie kommt man auf derartige Gedanken, wenn man solche Dinge nicht selbst für realistisch hält? Das lag damals für mich nicht annähernd im Bereich des Denkbaren. Diese Form von Party gab es in meinem Bewusstsein einfach nicht. Ähnlich verhält es sich bei demjenigen, der sich den schmusenden Vater nicht ohne negativen Gedanken anschauen kann. Wer auf eine bestimmte Sache achtet, der wird diese eine Sache auch irgendwo bestätigt sehen. Es gab vor Jahren mal einen passenden Fall mit Autofahrern und deren Frontscheiben. Die Geschichte fing damit an, dass ein Autofahrer beim näheren Hinsehen bemerkte, dass die Frontscheibe seines Autos völlig zerkratzt ist. Er konnte es sich überhaupt nicht erklären und fragte in seiner Bekanntschaft herum, die ihm bestätigte, dass auch ihre Scheiben zerkratzt seien. Das Ganze breitete sich aus und gelangte über die Presse an die Behörden, die eine Untersuchung veranlassten, um die Ursache für die Schäden zu klären.
Das Resultat war aber ziemlich ernüchternd, denn bei den Beschädigungen der Scheiben handelt es sich um vollkommen übliche Abnutzungserscheinungen, welche nicht auffallen, wenn man nicht genau hinsieht. Und genau hier liegt der Hund begraben. Dieses Phänomen lässt sich auf nahezu jede alltägliche Situation projizieren; eben auch auf die Oscars.

Ich bin davon überzeugt, dass ein kurzer Blick auf die Nominierten den „Missstand“ zutage fördert, dass die Oscars hochgradig diskriminierend sind. Ich musste lediglich die Worte „oscars frauen männer“ bei Google suchen und gleich der erste Artikel suggeriert, dass Frauen in Hollywood keine Rolle spielen. Das ließe sich aus dem Umstand herauslesen, dass im Film „The Revenant“ erst nach einer Stunde eine Frau in Erscheinung trete. Ohne das überprüft zu haben, behaupte ich, dass sich sowohl die Serie als auch der Film „Sex and the City“ doch schwerpunktmäßig um Frauen drehen. Warum werden Männer dort unterrepräsentiert? Und ob es sich um Serien oder die Oscars handelt, ist vollkommen gleich. Denn es sind beides Repräsentanten unserer Gesellschaft.

Ich bin mir nicht sicher, wie sich jemand eine in seinen Augen vollkommen gerechte Welt vorstellt. Vielleicht so:

Die Oscarnominierungen werden nach Geschlecht und Nationalität sowie sexueller Identität getroffen. Das wird spätestens dann etwas kompliziert, wenn man bei der Nominierung für die beste Schauspielerin keinen umoperierten Mann berücksichtigt. Oder noch schlimmer. Was ist, wenn es dieses Jahr keine auszeichnungswürdige Leistung eines umoperierten Mannes gegeben hat? Ebenfalls problematisch: In der Shortlist für den besten Regisseur befinden sich bereits ein farbiger Mann, eine weiß Frau und ein schwuler Mexikaner. Wen nominiert man als Viertes? Zwangsläufig grenzt man andere aus, was meines Erachtens nicht der Rede wert ist, weil Auszeichnungen vor allem immer eine Eigenschaft charakterisiert: Es gibt einen Gewinner. Einen! 

Mir drängt sich jetzt die Frage auf, wieviele Nominierungen nötig wären, um Kritiker ruhigzustellen. Dass am anderen Ende potenzielle Preisträger nicht berücksichtigt werden, weil die Nominiertenliste zugunsten der Korrektheit schon gefüllt wurde, wäre erstmal egal. Was nun, wenn zwar das Feld der Nominierten absolut heterogen, aber am Ende bei den Gewinnern wieder ein Ungleichgewicht zu beobachten wäre? Die Wahl der Gewinner müsste also auch nach ethnischen Gründen und solchen der sexuellen Gesinnung getroffen werden. Und damit sagte das Ergebnis absolut nichts über die Qualität der ausgezeichneten Schauspieler und Regisseure aus. Es gibt übrigens nur 24 Kategorien. Da dürften sich mindestens 97 Staaten massiv unterdrückt fühlen, weil deren Landsleute nicht nominiert wurden. Und am Ende 169 Staaten, weil deren Landsleute nicht unter den Gewinnern vertreten sind.

So albern sich das Ganze liest, so müsste doch die Wirklichkeit aussehen, wenn man jedem gerecht werden wollte. Und weil man heute alles gerne mit Quoten und nicht dem gesunden Menschenverstand regeln möchte, gibt es bereits den Plan der Academie, die Anzahl der Frauen und Minderheiten bis 2020 zu verdoppeln.

Es wird sich für die aufgrund der Quote Berücksichtigten total super anfühlen, wenn sie nicht aufgrund ihres Könnens nominiert werden, sondern weil noch nicht genügend Menschen „ihrer Kategorie“ im Nominiertenfeld vertreten waren.

6 Kommentare

  1. Ich halte Quoten jedweder Art auch für nicht mehr zeitgemäß.
    In der Tat ist es so, dass eine Frauenmindestquote in Konzernleitungen dazu führt, dass Frauen gar nicht mehr in die engere Auswahl genommen werden, da bei z.B. 2 Männern und einer Frau die Frau genommen werden MUSS, will man sich nicht mit dem Diskriminierungsvorwurf bzw. Quotenzwang konfrontiert sehen. Das heißt, selbst wenn die Frau ohne diese Quote vielleicht die beste und damit ausgewählt worden wäre, kommt sie gar nicht erst in die letzte oder vorletzte Runde. Klingt komisch, ist aber so.

    Positive Diskriminierung ist halt auch scheiße.

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  2. Ich hasse Quoten! Ich war schon auf dem katholischen Gymnasium die Quote, die an evangelischen Schülern aufgenommen werden MUSSTE = wir haben Dich nicht freiwillig hier!
    Frauenquote – gibt es etwas Diskriminierenderes für Frauen? Löst das die Probleme, die gerade Mütter in der Arbeitswelt haben? NEIN, das macht nur neue, weitere Probleme! Oh, ich krieg schon wieder Puls!! 😡

    Aber was SEX AND THE CITY angeht, möchte ich Dir doch widersprechen: da geht es doch die ganze Zeit um Männer, ob nun im Bild oder nicht 😜

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    • Oh, als Irrgläubiger (Protestant) kann ich die Erfahrung mit der Schule teilen. Mein präferiertes Gymnasium war erzkatholisch und hätte mich zähneknirschend angenommen, weil es drei Jahre zuvor meinen Bruder abgelehnt hatte.
      Ein katholisches Mädchengymnasium wollte mich dann nicht, weshalb ich an eine Schule wechselte, die mit Kirche nichts am Hut hatte.

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