Wie viel Gras verträgt mein Kind?

Japanischer roter Schlitzahorn
Bevor die Leute anfangen, zu tuscheln: Es handelt bei dieser Pflanze um den Japanischen roten Schlitzahorn.

Ich bin im Grunde großer Freund von Maßnahmen, die es uns ermöglichen, diesen Planeten nicht ganz so bald zu schrotten. Und wenn man sich global mal so umschaut, wird klar, dass wir in Deutschland eigentlich recht vernünftige Ansätze verfolgen. Die Zeiten, in denen man auf den Straßen durch knöchelhohen Kot waten musste, sind längst vorbei und auch die Müllentsorgung funktioniert tadellos. Sofern man seinen Müll auch dort entsorgt, wo er abgeholt werden kann. Eine im Meer entsorgte Plastiktüte wird von der Awista – dem Müllentsorger in Düsseldorf – wohl kaum gefunden. Kot- und müllfreie Straßen setzen also die Mithilfe der Bevölkerung voraus. Das bedeutet, dass ich mich nicht einfach an einer Straßenecke diverser Abfallprodukte meiner Verdauung entledigen kann. Die Konkurrenz wäre durch Hunde, die diese Strategie zwecks Reviermarkierung verfolgen, außerdem zu hoch. Den Stress spare ich mir. Im Mittelalter hingegen – das lehrte mich vor einigen Wochen eine Sendung des zu unrecht kränkelnden Regionalsenders NRW.TV – schiss man sich gern in die eigene Burg, was sie irgendwann unbewohnbar machte. Man musste diese für geraume Zeit aufgeben.

Solche Zustände fand man vor einigen Jahren noch in Neapel, wo es mit der Müllentsorgung nicht wirklich funktionierte. Ob es am Einfluss der Mafia lag, kann ich nicht sagen. Aber die in den Straßen Neapels aufgetürmten Müllberge müssten uns vor Augen führen, dass wir in Deutschland in einem recht ordentlich arbeitenden Müllentsorgungssystem leben.

Was ebenfalls gut funktioniert sind Siegel. Es gibt mittlerweile eine schier endlose Liste an Siegeln, die uns Verbrauchern vor allem eines zeigen sollen: Das jeweilige Produkt ist toll. Muss es sein. Ist ja schließlich ein Siegel drauf. Man muss weniger nachdenken, denn das haben ja schon diejenigen für einen übernommen, die dem Produkt das Siegel verliehen haben. Das Siegel ist eine Institution. Ehret das Siegel! Es irrt nicht! Wie toll es sich anfühlt, ein Produkt mit Siegel in seinem Besitz zu wissen.

Wer in Diskussionen das Argument schlechthin bringen möchte, das alle anderen verstummen lässt, der verweist auf den ausschließlichen Konsum von zertifizierten Lebensmitteln. Ich sehe die Siegelvergabe etwas zwiegespalten. Es ist ohne Frage lobenswert, dass sich Hersteller an bestimmte Richtlinien halten und sich dadurch das Siegel verdienen. Dass diese Richtlinien oft bestimmte Grenzwerte vorgeben, wird dadurch ein wenig verschleiert. Und so hält man die Bio-Wurst in der Hand und freut sich, weil „Bio“ draufsteht. Dass die verwursteten Tiere in Ausnahmefällen trotzdem konventionelles Futter gespachtelt haben und das EU-Biosiegel gegen jenes regionaler Verbände kaum anstinken kann, relativiert die Sache ein wenig. Zumal das Biosiegel zu viele Interessen vertreten muss, um wirklich eine Alternative zum herkömmlichen Fraß darzustellen. Und trotzdem ist „Bio“ in den Augen vieler ein Qualitätsmerkmal, was schon durch die Masse an Produkten, die mittlerweile das Siegel tragen, kaum mehr als solches taugt. Wenn man nun noch bedenkt, dass ein deutsches Bio-Huhn trotz Siegels aus einer Legebatterie stammen und zur Schlachtung nach Spanien gekarrt werden kann, weil es keine Einschränkung der Transportdauer gibt, kann kaum noch vom „Fleisch aus der Region“ gefaselt werden.

Weil ich auf der Arbeit im Grunde regelmäßig mit diesem Thema beschäftigt bin, musste ich mal recherchieren, wie es sich mit der Unbedenklichkeit diverser „nachhaltiger“ Produkte verhält, die man in einer großen Drogeriemarktkette kaufen kann. Zur großen Überraschung selbst derer, die sich schon länger mit dieser Thematik befassen, enthalten beispielsweise auch solche Reiniger bedenkliche Inhaltsstoffe, die als ökologisch ausgezeichnet sind. Das ist das Problem mit den Grenzwerten, die lediglich eingehalten werden müssen und die in der Regel ausgehandelt werden. Ganz egal, wie wenig Hundkacke ich unter dem Schuh habe, sie stinkt dennoch. Absolute Aussagen lassen sich da kaum treffen.

Der Veganismus beispielsweise ist ein Hype, dem recht häufig die Objektivität zum Opfer fällt. So edel und nacheiferungswert die Haltung, keinem Lebewesen schaden zu wollen, auch ist, so albern ist es, ein Produkt in den Himmel zu loben, bloß weil „vegan“ draufsteht. Beim Einkaufen habe ich vor einigen Wochen mal vegane Produkte auf ihre Inhaltsstoffe überprüft. Fast jedes halbwegs cremige Produkt enthält Palmöl. An Palmöl verdeutlicht sich die Uneindeutigkeit von Siegeln und Bezeichnungen. Denn es gibt gutes Palmöl und schlechtes Palmöl. Das gute stammt aus „nachhaltigen“ Plantagen. Dass diese Nachhaltigkeit teilweise erst nachträglich durch die Erfüllung bestimmter Auflagen erreicht wurde, bleibt im Verborgenen.

Die Unterscheidung von „gut“ und „schlecht“ ist folglich Quatsch. Denn auch dort in Südostasien, wo nachhaltige Palmölplantagen entstanden sind, kann heute kein Orang-Utan mehr leben. Die Orangs dürfte es kaum beruhigen, dass sie zugunsten einer nachhaltigen Plantage vertrieben wurden. Der Unterschied zwischen gutem und schlechtem Palmöl ist letztendlich nur ein theoretischer. Hier relativiert sich die moralische Überlegenheit, die in anderer Hinsicht durchaus nicht von der Hand zu weisen ist. Denn wer kein Fleisch isst, trägt keine Schuld an dem Tod eines Tieres. Zumindest keine halbwegs unmittelbare. Die mittelbare ist aber vorhanden, weshalb ich mich hervorragend darüber empören kann, wenn Zoos ans Bein gepisst wird, weil diese Tiere einsperren. Und das obwohl gerade Zoos dafür Sorge tragen, dass solche Tiere nicht von unserem Planeten verschwinden, die auch durch die Verschleierung konkreter Zusammenhänge von Lebensmittelproduktion und Lebensraum in der Wildbahn kaum eine Chance mehr haben. Daran ändern auch Siegel nichts, weil sie massentauglich geworden sind und dadurch global kaum eine Bedeutung haben. Ob Fleisch oder Sojabohne macht kaum einen Unterschied.

Auslöser für diesen Beitrag war übrigens die Rückrufaktion eines bestimmten Produkts, das unter anderem bei „dm“ angeboten wird, und auf welche mit einem Aushang aufmerksam gemacht wurde. Es handelt sich um ein biozertifiziertes Proteinpulver einer Marke, die unzweifelbar vegane Lebensmittel vertreibt. Zumindest trägt sie „vegan“ im Namen. Es ist im Grunde Realsatire, dass dieses Pulver, das auch als Zusatz für die Ernährung von Kleinkindern geeignet sein soll, deshalb zurückgerufen wird, weil die zulässige Höchstmenge an Cannabinoiden für Kleinkinder überschritten wurde.

Ich finde das äußerst unterhaltsam, denn das offenbart Folgendes:

  1. Es gibt eine festgelegte Höchstgrenze für Rauschmittel, die Kleinkinder zu sich nehmen dürfen.
  2. Obwohl die Bezeichnung „vegan“ gern als untrügliches Zeichen für gesunde Ernährung herhalten muss, ist der Verzehr dieses Pulvers für bestimmte Altersgruppen ungesund.
  3. Es gibt eine festgelegte Höchstgrenze für Rauschmittel, die Kleinkinder zu sich nehmen dürfen! Wie absurd ist das denn?!

Wie sieht die Aushandlung solcher Obergrenzen aus? Sitzen da mächtige Menschen im Kreis und stellen sich die Frage, welche Menge an Rauschmittel man einem Kleinkind antun kann, bevor es breit wird? Wird das getestet? Ich war bislang der Ansicht, dass der zulässige Anteil an drogenähnlichen Stoffen in Kindernahrung bei 0,0 % liegen sollte. Anscheinend ist dem nicht so. Aber Bartpflegeprodukte. DIE haben die nicht im Sortiment!


Das hier rührte mich zu Tränen. Seht selbst!

13 Kommentare

  1. Super Beitrag! Was vegane Produkte angeht, bin ich äußerst skeptisch und lese immer wieder interessiert die Inhaltsangabe:

    Beispiel: Wenn ich die Inhaltsstoffe lese, die in veganen „Wurstsorten“ drin sind, wobei ich nicht verstehe, warum Veganer Würstchen kaufen oder Brotbelag, der Lyoner heißt, obwohl sie doch Fleisch ablehnen, würde ich diesen Mischmasch niemals essen.

    Seit einiger Zeit bestellen wir uns Wurst von einer bäuerlichen Erzeugergemeinschaft aus Hohenlohe und da lese ich: 90 % Qualtitäts-Schweinefleisch, Trinkwasser, Steinsalz, Rübenzucker, Gewürze aus kontrolliert biol. Anbau. Solche Inhaltsangaben sind mir allemal lieber als undefinierbares Zeugs wie ich es in einem Artikel gefunden habe ….. Zitat aus einem Artikel gelesen bei N24:

    …… In einem von zehn angeblich rein pflanzlichen Würstchen sollen Hühnchen oder Schwein enthalten sein. Die Forscher fanden ebenfalls heraus, dass eine alarmierende Zahl Spuren von menschlicher DNA enthält. Laut „Metro“ stammt diese womöglich von Haaren oder Nägeln der an der Produktion beteiligten Personen……

    Igitt! Dann doch lieber hochwertige Wurst aus Schweine- oder Rindfleisch! Und beim Fleisch genauso! Lieber nur wenig Wurst und Fleisch essen, aber auf keinen Fall Produkte, wo die Hersteller sich dumm und dämlich verdienen mit minderwertigen Zutaten. MEINE MEINUNG!

    Schöne Grüße!

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  2. Hanfprodukte waren mir schon immer suspekt. Und für Kinder!? Bei uns in Österreich gibt es da ja viel bessere Sachen: den „Mohnzuz“ (Zuz für Sauger). Schläft brav (Kind) und schön ruhig ist es (für die Mutter). So, Sarkasmus beendet. Ich hoffe, das wird heute nicht mehr angewendet, wozu gibt es auf YouTube 8 stuendige Lullaby Videos?
    Danke für die Erwähnung der Palmöl-Problematik! Ein ganz schlimmes Thema. Und leider findet sich Palmöl scheinbar so gut wie in allen Fertiggerichten und Suppen (nicht nur bei bio, aber dort auch besonders gern). Ich studiere die Inhaltsstoffe von Produkten, die ich kaufe, meist lange (sozusagen als Teilzeit Studentin in der Karenz), und es läuft immer wieder darauf hinaus, dass man oft nur zwischen böses Produkt und ganz böses wählen kann und in welcher Region der Welt man gerade Schaden anrichten möchte.

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  3. Schön auf den Punkt gebracht. Was lernen wir? Was man nicht selber macht, kann man nicht kontrollieren. Wenn man’s selber macht, kostet es einen abartig viel Lebenszeit. Wenn nicht, muß man die Montags-Produkte anderer Leute fressen. Wenn man Tiere isst, wird sie irgendwer in Massenhaltung quälen. Wenn man sie nicht isst, werden sie für Anbauflächen verschwinden. Braucht man gar keine Orangs zu bemühen. Unsere Feldhase verschwindet, nicht wegen Erschießung, sondern weils keine Gebüsche und ungedüngten Wiesen mehr hat. Warum Kinder keine Hanfharze abbekommen sollen, versteh ich nicht. Ist doch kein toxischer Alkohol…

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  4. Also da muß ich als Vegetarier, seit 26 Jahren, mal ein Veto einlegen, erstens sollte man nicht unbedingt der Quelle eines Springer-Blattes wie N24 trauen, die arbeiten wohl ganz gern mit der Massentierhaltungs-Fleisch-Industrie zusammen, Fingernägel, Pisse und Spucke finden sich im Übrigen generell in Produkten der Lebensmittelindustrie (ich habe da einige Berichte glaubwürdiger Quellen aus altem Freundeskreis), manchmal kippt der ein oder andere Koch aus Rache zum Chef oder nervigen Gästen in die Speisen ebenso mal etwas hinein, was ich hier mal lieber nicht benenne. Und Sigrid, einen Bio-Hof zu benennen, was den eigenen Fleischverzehr anbelangt, ehrt dich, schon mal ein guter Weg, dann sollten wir aber ebenso beherzte Bio-Läden selbst benennen, wenn es um vegane Produkte geht. Ich selbst kann das teilweise „militante“ Aufreten mancher Veganer so gar nicht leiden, aber einer einseitig wirkenden Bloßstellung sämtlicher Produkte der Bio-Branche möchte ich nicht zustimmen. Natürlich gibt es dort leider schwarze Schafe, man sollte sich mit dem Thema noch intensiver auseinandersetzen, da bin ich im leichten Vorteil nach 26 Jahren, doch eine Pauschalisierung führt nicht weit. Was den Spaten anbelangt beim eigenen Garten: volle Zustimmung. Den schwingen wir jedes Jahr ebenso. 😉

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    • Moment. Also einseitig sollte der Beitrag nicht werden. Er sollte vielmehr das Gottvertrauen in alles, was ein Siegel trägt, hinterfragen. Wie schon erwähnt, ist der Veganismus moralisch auf der sicheren Seite. Nur nicht so absolut, wie es von den von dir ebenfalls genannten militanten Vertretern ihrer Zunft gern betont wird. Da wird zu wenig differenziert. Ernährung ist und bleibt ein Dilemma, weil es nicht aus Nichts geschaffen wird. Die Bilanz ist immer negativ und oft eben mit Zugeständnissen verbunden, die mir zu oft ignoriert werden. Darum ging es mir. Ich wollte nichts pauschalisieren, lediglich zu Bedenken geben, dass Siegel keinesfalls „zwangsläufig“ Qualitätsmerkmale darstellen. Ein Appell ans eigene Hirn, vermeintliche Grundfesten zumindest zu hinterfragen.

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      • Sorry, das „einseitig“ bezog sich eher auf die Reaktionen der Kommentare. Der Kritik am „Gottvertrauen“ der Lebensmittelbranche gegenüber muß ich natürlich zustimmen, kann ebenso bei „Querdenkende“ nachgelesen werden. Also, volle Zustimmung, was Deinen Appell anbelangt. 😉

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  5. Auf Bali kippen die ihren Müll einfach in den Fluss. Und ins Meer. Aber nicht nur „die“, sondern auch die Touris. Man ist ja nicht zu Hause… beim Schnorcheln im Riff habe ich eine Alditüte gesehen ( ALDI ! ).

    Ist denn das von dir genannte Rauschmittel nicht aus einer Blume gemacht und somit vegan genug? 😉

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    • Vermutlich. 😉 Plastikmüll in den Ozeanen ist ja tatsächlich ein globales Problem, zumal sich der Müll strömungsbedingt an bestimmten Orten sammelt. Der „great pacific garbage patch“ ist ja so ein Wirbel, an dem sich einiges ansammelt.

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      • Ja, davon hab ich gelesen. Ziemlich abartig. Aber irgendwo muss der Scheiß halt hin… „gar nicht erst produzieren“ ist natürlich keine Option – worin sollen wir denn sonst unseren Aldikauf transportieren?! 😉

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