Der orange Punkt an der weißen Glocke

2016-04-27 17.56.50

Jajaja, ich weiß. Man schreibt nur für sich allein und wenn es jemandem gefallen sollte, ist das nicht mehr als ein angenehmer Nebeneffekt. Diese Haltung ordne ich als mehr oder weniger gelungenen Selbstbetrug ein. Mehr gelungen, weil man sich tatsächlich gelegentlich damit betuppen kann und ich beispielsweise zeitweise nichts darauf gebe, dass ein Beitrag schlechter lief als ein anderer. Allerdings, und deshalb ist der Selbstbetrug eher weniger gelungen, schreibe ich gerade darüber, dass ich mir des Selbstbetrugs bewusst bin. Wie erfolgreich kann ein Betrug sein, wenn er schon während seiner Anwendung entlarvt wird? Dass ich eben doch sehr viel darauf gebe, wie andere meine Beiträge bewerten, lese ich daran ab, dass ich auf bestimmte Signale reflexhaft reagiere.

Die meisten dieser Signale sind Vibrationen. Während möglicherweise die eine oder andere Frau wissend nickt (wobei ich keinesfalls Männern das Interesse an gewissen Vibrationen absprechen möchte), handelt es sich um etwas weitaus Harmloseres. Nämlich das Vibrieren des Handys oder Smartphones. Möglicherweise auch des iPhones, was ja – das habe ich längst gelernt – etwas vollkommen anderes ist. Apple stellt weder Handys noch Smartphones her. Apple fabriziert iPhones, die vor allem dadurch etwas anderes werden, indem die Leute es eben nicht als Handy oder Smartphone bezeichnen sondern eben als iPhone.

„Geh doch mal ans Telefon. Das klingelt schon die ganze Zeit.“

„…“

„Mensch! Dein Handy klingelt!“

„Höh?!“

„Es klingelt!“

„Ach, du meinst mein iPhone!“

Auf den Gedanken würde ich bei meinem Mobilteil nie kommen. Erstens, weil ich es albern finde und zweitens, weil mir der Name Universe S alpha-tech (Name verfremdet) in der Aussprache einfach zu sperrig ist.

Wenn ebendieses dann vibriert, lässt die Reaktion des Körpers nicht lange auf sich warten. Endorphine und Adrenalin werden ausgeschüttet. Die aufgebaute Spannung entlädt sich dann mit dem Griff in die Hosentasche. Soweit so zweideutig. Anhand der Dauer und Art der Vibration kann ich schon im Voraus erahnen, um welche brandneue Neuigkeit, die ja irgendwie immer neu sind, es sich handelt. Andererseits sind manche Neuigkeiten auch alt, weshalb Facebook neuerdings alte und neue Benachrichtungen unterscheidet. Schwierig wird es in der Realität, weil des Einen alte Neuigkeiten völlig neue Neuigkeiten für jemand ganz anderen sein können. Die Erde ist übrigens rund und keinesfalls Zentrum dieses Sonnensystems. Sagt ja schon der Name „Sonnensystem“. Alter Hut, aber mancher glaubt dennoch an das geozentrische Weltbild. Dem ist mit Recherche beizukommen, was noch zu selten getan wird. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

Mit ein wenig Glück erscheint am oberen Rand des Universe S alpha-tech-Displays ein geschwungenes „W“ und signalisiert Neuigkeiten wortpressiger Natur. Diese werden übrigens gänzlich ohne Vibrationen angekündigt, während Facebook mich mit zwei kurzen Vibrationsstößen über Neues und mit einem kurzen Stoß über eine Nachricht informiert. Schlimm sind lange, penetrante Vibrationen, weil das entweder SMS sind, die selten Gutes verheißen, oder Anrufe. Anrufe lösen bei mir Panik aus. Das liegt unter anderem daran, dass ich befürchte, Arbeitstermine verbaselt zu haben. Ausschlaggebender für die Panik ist der Umstand, dass ich mein Handy nicht bei jedem Signal sofort aus der Hosentasche hole, sondern erstmal abwarte, ob es ein Anruf oder bloß eine SMS ist. Also lasse ich die erste Vibration ohne Reaktion verstreichen. Wenn es dann nochmal vibriert, werde ich panisch, weil nach dem dritten Vibrieren gleich meine Mailbox drangeht, die Teile meiner Familie bereits in den Wahnsinn getrieben hat. Denn für den Anrufer scheint es so, als ginge ich dran, denn ich melde mich mit Namen. Nach einer kurzen Pause, in der der Anrufer bereits sein Anliegen begonnen hat vorzutragen, informiere ich ihn darüber, dass ich gerade nicht ans Telefon gehen kann, aber gern zurückrufe. Drei Viertel meiner Mobilboxsprachnachrichten sind (fluchende) Beschwerden über meine Bandansage.

Sofern ich es wider Erwarten dann doch noch schaffe, abzuheben, herrscht oftmals Stille, weil diejenigen, die meine Mailbox kennen, erst einmal abwarten, ob ich tatsächlich drangegangen bin oder es nur wieder die Bandansage ist.

Neuigkeiten auf WordPress sind mir die liebsten. Eben weil es mir nicht egal ist, wie meine Beiträge ankommen. Ich könnte mir nur wenige Themen vorstellen, über die ich schreiben, sie aber nicht einer Öffentlichkeit zugänglich machen wollte. Das meiste von mir Geschriebene halte ich für lesenswert, wenn man von einigen Ausnahmen mal absieht. Manches halte ich für nicht so lesenswert, was aber diejenigen, die das eigentlich allein nur beurteilen können, gelegentlich anders sehen. Mein aktueller (vor diesem hier) Beitrag ist kein Meisterwerk, weil es sich lediglich um die Beantwortung einiger Fragen handelt, die mir gestellt wurden. Kurioserweise kam der recht ordentlich an, obwohl er zwischen Tür und Angel geschrieben wurde. Das beweist allerdings einmal mehr die Theorie, dass spontane Texte oftmals nicht unbedingt grundsätzlich gelungener aber runder sind.

Sofern ein geschwungenes „W“ am oberen Bildschirmrand erscheint, warte ich noch ein Weile, bis ich das Geheimnis dahinter lüfte. Denn je länger ich warte, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich nicht nur eine Neuigkeit dahinter verbirgt sondern gleich mehrere. Ich halte Geltungsbedürfnis für keine Schwäche. Ich präsentiere gern und weil ich auch auf der Arbeit im Grunde Darsteller bin, bin ich an Reaktionen gewöhnt. Zu meiner aktiven Zeit als lustiger, stromgitarrenschwingender Musikant hat sich dieser Gedanke gefestigt und vor allem dazu geführt, dass mir jede Reaktion recht ist. Die positiven natürlich eher als die negativen. Aber erfahrungsgemäß ist nichts unbefriedigender als das Wissen, dass die eigenen Erzeugnisse jemandem egal sind.

Wem etwas nicht gefällt, der kann dies gern zum Ausdruck bringen. Wer anderer Meinung ist, soll diese gern beisteuern. Wäre jede Neuigkeit bezüglich des Dampfbloque zwangsläufig eine positive, wäre ich nicht annähernd so gespannt, wie ich es eben bin, wenn ich am Handy oder Notebook auf die weiße Glocke mit dem orangen Punkt klicke. Denn ganz gleich, ob sich dahinter ein ausgebrochener Sturm der Entrüstung oder Lobeslieder verbergen: In beiden Fällen wurde ich wahrgenommen und nach meinem Verständnis ist das ein zentraler Aspekt, wenn man Texte schreibt. Ich selbst weiß nämlich, was in ihnen vorkommt, denn sie entstehen in der Regel noch vor dem Schreiben im Kopf. Ich halte es aber für vollkommen legitim, die Qualität eigener Gedanken zu prüfen, indem man sie der Öffentlichkeit präsentiert. Und deshalb ist es mir nicht egal, wie Beiträge abschneiden.

Ach! Ganz vergessen: Eine gewisse narzisstische Ader spielt da natürlich ebenfalls eine nicht ganz unerhebliche Rolle. Und das beginnt schon im Kindesalter.

„Mama, Papa! Schaut mal! Mein Häufchen sieht aus wie ein U-Boot!“

Warum erwähnen, wenn man keine Anerkennung dafür ernten möchte?


Noch mehr geltungsbedürftige Menschen gibt es hier: Facebook.

41 Kommentare

  1. Ich habe alle Benachrichtigungen ausgeschalten,..da tät ich ja narrisch werden wenns alle paar Minuten bimmelt. Ich muss die App öffnen bei meinem Äpfelchen um überhaupt was mitzukriegen.

    Und ich gebe dir insofern recht, dass jeder Blogger hocherfreut ist wenn seine Werke gelesen werden und ankommen. ABER ich würde nicht aufhören zu bloggen, wenns wenig Zuspruch gibt, du etwa? Immerhin darf ich in meinem Blog schreiben was ich will und wann ich will..wo geht das sonst noch? 😉
    Hoffe es bimmelt jetzt nicht zu laut bei dir oder zumindest das orange Pünktchen leuchtet am Glöckchen hihi
    lg. Sina

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    • WordPress-Benachrichtigungen melden sich tatsächlich lautlos. Also bemerke ich sie nicht. Anfangs habe ich noch immer eine Mail erhalten, wenn irgendwas auf dem Blog passierte. Das wurde dann mit steigender Abonnentenzahl etwas anstrengend. 😉

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  2. lass mich diesmal das orange pünktchen an deiner glocke sein…äh…stop…klingt doch etwas merkwürdig. nachdem ich mich ja so schwer mit meinem „persönlichkeitskram“ getan habe, danke ich dir für deinen heutigen beitrag. und für die vergangenen und zukünftigen. ich stimme dir voll zu

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  3. Du hast Recht. So einfach ist das. Warum veröffentlichen, wenn man nicht gelesen werden will? Das wäre ja als wenn man sich unterhalten möchte, aber niemand zuhört was man zu sagen hat. Da würde man dann wohl auch aufhören. Das Bloggerdasein kann eine Achterbahnfahrt sein habe ich festgestellt, ob mir das auf Dauer zu viel wird neben der privaten Achterbahn wird sich zeigen. Heute bekam ich jedenfalls ein ganz niedliches Feedback: „Wenn dich jemand mag, ist dein Blog nur zu empfehlen.“ (sinngemäß das Fazit) Kurz davor die Empfehlung mich mit der Gesellschaft abzufinden. Das sind die humorvollen Momente, die mich daran erinnern, warum ich schreibe – nämlich um genau das nicht zu tun. Das Private ist Politisch und damit ist auch mein Familienblog politisch, aber eben auch einfach Ort zum lächelnd verweilen. Ob man den Menschen hinter dem Blog mögen muss um die Texte gut zu finden, finde ich fraglich. Das wäre ja auch äußerst unrealistisch wenn man bedenkt, dass man die meisten Leser ebenso wenig kennt wie sie einen selbst. Eine Ehre ist es hingegen, wenn die Texte dazu führen, dass andere Menschen Interesse daran zeigen einen näher kennen zu lernen. So geht es mir zumindest.

    Ich deine Texte gut, ehrlich und gleichzeitig gehalt- und humorvoll. Deine Art zu schreiben und zu denken (sofern diese durch den Text erkennbar wird) macht Spaß . Deinen Blog ist klasse und ich werde weiter für das orange Pünktchen an der weißen Glocke sorgen. So, das sollte jetzt Balsam für die Bloggerseele sein. Ich bräuchte auch gerade welchen, jemand Erbarmen? 😛

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  4. Bei mir mangelt es nicht am Lesewillen, sondern an der Zeit. Drum schätze ich, wenn mir wer Zeit schenkt und das Zeugs liest, das ich schreibe.

    Bitteschön, für das brrr brrr. ❤ 🙂

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  5. Ich glaube es kommt auch auf die Intentionen an weshalb jemand einen Blog schreibt.
    Für mich ist es natürlich wichtig Reaktionen zu erhalten. Aber ich lese und kommentiere auch gerne. Ich blogge ähnlich wie in einem Forum: Es entstehen Kontakte und Kommunikation.

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  6. Puh, so viele gute Vorredner/Vorkommentatoren, was könnte ich da noch ergänzen, wo ich mich doch so gerne selbst reden höre, besser gesagt tippen oder wie meine Familie meint, in die Tasten hämmern?
    Also, ich like [also lautsprachlich ‚leikä‘ – im Unterschied zum englischen ‚laik‘ ohne ‚ä‘ am Schluß, Danke 4 die Anglizismen] ja manchmal auch aus Versehen, weil ich beim Scrollen auf meinem nicht Apfel-Fon einfach mit dem Finger genau auf dem like-Sternchen ankomme, aber das mache ich dann auch wieder panisch rückgängig, wenn es mir auffällt, oder lese noch schnell nach, ob ich es lassen kann). Auf dem Dampfbloque (ich finde das bloque so schön romantisch, also äh, romanisch angehaucht, aber du hast irgendwann einmal erklärt, wie es entstand, das ist mir jetzt aber entfallen) gefallen mir eigentlich wirklich die meisten Beiträge, die ich mir bislang zu Gemüte geführt habe, oder sie sind zumindest recht kurzweilig zu lesen, wenn auch mal mit Abschweifungen. Dafür habe ich vollstes Verständnis. Wo war ich noch mal?
    Ach ja, ich wollte nur schnell ein Kommentar schicken, damit du beim Nachsehen, was sich auf WordPress tut, noch ein Kommentar mehr zum Lesen findest, und bestätigen, dass mein Like-Click beabsichtigt gesetzt wurde 🙂
    Und Gratulation zu dem Thema dieses Beitrags: ein Beitrag darüber, dass man gerne likes und Kommentare bekommt – fast schon genial 😉

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    • Ich hielt es tatsächlich für einen passablen Lückenfüller, bis mich eines Tages wieder die Muse küssen würde. Der Frau, die in unserer Wohnung lebt, kündigte ich ihn als belanglos an. Ganz offensichtlich habe ich keine Ahnung davon, was ankommt und was nicht.

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  7. Juchu! Mein Reden! Es ist soooo aufregend, wenn es Benachrichtigungen von WordPress gibt und ich würde die Funktion NIE abschalten. Bin ich doch wirklich genau so euphorisiert über orange Punkte oder das sanft geschwungebe W im Handydisplay wie Du, lieber Herr Dampfbloque.

    Und sogar noch mehr: anders als Du könnte ich jedesmal ausflippen, wenn ich Fragen für den Liebster Award erhalte und werde bestimmt noch auf Dich referenziert wenn ich die beiden nächsten Liebster abarbeite. (Also auf Deinen Beitrag vor ein pasr Tagen).Ha! Oh je, ich mega Angeberin. Aber isso. Ich freue mich wirklich!

    Bis dahin, mit viel Freude an Deinem Blog, am Schreiben an sich und dem Lesen von so vielen tollen anderen die hier auch schon geantwortet haben, verbleibe ich Matchen Narziss……

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  8. Mm – nicht nur, dass ich so ziemlich sämtliche Benachrichtungen ausgestelt habe (trotz weniger Besucher füllte sich mein Postfach einfach zu schnell mit Kommentaren zu Kommentaren usw etc ad absurdum [ja ich weiß, es heißt ad inifintum, aber absurdum passt manchmal auch nur zu gut..] – ich habe weder ein Smartes Phone noch ein iPhone oder sonsteinphone, ich hab ein Asbach-Handy, dem das Benutzen des Inets streng untersagt ist, da der alte Vertrag das teuer in Rechnung stellt. Also bekomme ich Nachrichten erst dann mit, wenn ich am PC sitze. Das kann auch mal später Abend werden 😉 dann bin ich zugegebenermaßen neugierig, aber meist gelassen. Alles andere wäre mir ehrlich gesagt vieeel zu stressig. Also hier eine weitere lautlose Meldung. Immer wieder amüsant, womit man viele Zeilen füllen kann…

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  9. Eigentlich wollte ich ein Kommentar verfassen, um deine Hose vibrieren zu lassen. Den Gedanken fand ich furchtbar unterhaltsam und dann DAS GESTÄNDNIS. Du hast alle WordPress Benachrichtigungen abgeschaltet.

    Ich lasse dir aber trotzdem ein Kommentar da. Dein Text ist super! Mich hast du auf jeden Fall auf frischer Tat ertappt.

    Liebe Grüße

    Daniela

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  10. Jajaja, ich weiß. Man schreibt nur für sich allein und wenn es jemandem gefallen sollte, ist das nicht mehr als ein angenehmer Nebeneffekt. Diese Haltung ordne ich als mehr oder weniger gelungenen Selbstbetrug ein

    Echt? Ich blogge genau nach dem Motto. Funktioniert prima. Ich schreibe. Keinem gefällt’s.* Niemand ist enttäuscht. Im Pessimismus liegt das Heil! 😀

    *Na gut. Fasr keinem, zugegeben 😉

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  11. Oh ja. Freue mich über WP Benachrichtigungen auch am Meisten, gefolgt von Twitter. Facebook ist eher nerviger, da die meisten davon Spielanfragen sind. Ja, man möchte ja schließlich wissen wie etwas ankommt. Und ein Geltungsbedrüfnis haben wir, wenn auch unterschiedlich ausgeprägt, allle. Apropos. Habe diesen Beitrag nicht auf dem Reader sondern auf Deinen Twitterprofil gefunden.

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