Blogparade: Sammelwut – Weil man es noch brauchen könnte

2016-05-22 13.13.25

Vorgeplänkel

Entgegen meiner Gewohnheit habe ich mich dazu entschlossen, einen Beitrag zu einer Blogparade beizusteuern. Die vergangene Woche war einigermaßen dicht, weshalb ich es nicht geschafft habe, zum Schreiben zu kommen. Folgerichtig muss ich nach dieser für mich langen Zeit der schriftstellerischen Abstinenz behutsam an das eigentlich so vertraute Handwerk herangeführt werden. Ein Kriminineller wird auch nicht einfach so aus dem Gefängnis entlassen und muss sich irgendwie zurechtfinden, um am Ende doch wieder im Knast zu landen. Obwohl…doch, genau so ist es.

Das soll hier nicht passieren, weshalb ich dankbar bin, ein Thema vorgegeben zu bekommen. Wie ich glaubhaft argumentieren soll, dass ich hier spontan einen Beitrag zur Blogparade schreibe, während ich der werten Initiatorin der Reihe über Sammelwut, Sarah von der fashion-library, schon vor einem Monat die Zusage gab, teilzunehmen, ist mir ein Rätsel. Aber wenn niemand fragt, muss ich wohl auch nicht antworten. Wir merken uns also: Ich schreibe gerade spontan einen Beitrag, den ich vor einem Monat schon ankündigte, ohne zu wissen, dass ich eine Woche lang nicht würde schreiben können und deshalb für ein vorgegebenes Thema dankbar sein würde. Wusste ich es doch? Soweit plane ich nicht. Andere machen sich einen Schreibplan, ich plane während des Schreibens.

Beispielsweise fällt mir jetzt in diesem Moment ein, warum ich den Begriff „Blogparade“ mit Argwohn betrachte. Auf Youtube gibt es einen Cartoon, der ursprünglich auf KiKa ausgestrahlt wurde und sich mit den Schwänzen im Tierreich befasst. Ich meine mich zu erinnern, dass es dort am Ende eine Schwanz-Parade gibt, was in meinen Gedanken beim Wort „Blogparade“ mitklingt. Gefunden! Es ist eine Schwanz-Polonaise. Beides sind Ausdrücke, die man besser nicht unkommentiert googeln sollte. Letztlich sind die Vorbehalte gegenüber des Ausdrucks „Blogparade“ eher meiner albernen Persönlichkeit geschuldet.

Worum es aber eigentlich geht, ist ein Beitrag zum Thema „Sammelwut“.

Und darum geht’s:

Ich bin kein Sammler. Ich habe als Kind Fußballkarten gesammelt. Die Frisuren der Sportler waren damals zeitgemäß, was ein Grund ist, diese Karten heute nicht mehr zu besitzen. Und so ist es auch. Vielleicht habe ich sie beim Spielen verloren, denn als Kind hatte ich eine Schwäche fürs Glücksspiel, weshalb wir in den Schulpausen um die Karten spielten. Dabei habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass man aufhören sollte, wenn es gut läuft. Denn nun sitze ich hier, bin 30 Jahre alt und habe keine Fußballkarten mehr. Gibt es ein Gegenteil von sammeln? „Unsammeln“? Ich habe die Fußballkarten geunsammelt.

Das exakte Gegenteil tat ich in Bezug auf meine Knochen, die ich mir in angenehmer Regelmäßigkeit brach, ohne dass ich an einer Krankheit litt. Ich war einfach höchst ungeschickt und geriet in Situationen, denen Menschen für gewöhnlich aus dem Wege gehen. Ich aber sprang im Alter von zwei Jahren von der Wickelkommode, stand einigermaßen frei auf dem Hof meines Kindergartens und ließ mich sehenden Auges von einem gewissen Marvin umrennen, erkannte nicht den Sinn des Abrollens beim Hinfallen, was mir Osterferien mit gebrochenem linken Arm sowie rechtem Schlüsselbein einbrachte. Das ist aber noch keine Sammelwut, denn ich legte es nicht darauf an. Die Brüche kamen zu mir. Und sie gingen wieder. Danach kann man die Uhr stellen, weshalb mir kurioserweise Knochenbrüche lieber sind und waren als Bänderverletzungen. Ein Knochenbruch dauert in der Regel sechs Wochen, um zu verheilen, und tut in den meisten Fällen nicht weh. Ein Kreuzbandriss legt dich ein halbes Jahr still und nach dem, was man so hört, während es passiert, schmerzt er gehörig.

Was wir – und da muss ich die Frau, die in unserer Wohnung lebt, mit ins Boot holen – tatsächlich sammeln, sind Gegenstände, die man irgendwann mal brauchen könnte. Wir besaßen vor nicht so vielen Wochen noch drei Kaffee-Padmaschinen. Eine war in Gebrauch und die anderen wollten wir verkaufen, was wir zunächst nicht taten. Denn was wäre gewesen, wenn die Maschine kaputtgegangen wäre, während eine der Ersatzmaschinen durch die lange Zeit des Nichtgebrauchs Schaden genommen hätte? Möglicherweise hätten wir die noch funktionierende verkauft und wären fortan ohne Kaffee in den Tag gestartet. Wobei das nicht stimmt. Ich kochte einmal Kaffee in einem Kochtopf. Und weil ich gerne experimentiere, nahm ich Milch anstatt des Wassers und warf eine handvoll Kaffeepads in die brodelnde Milch. Beim Umrühren habe ich drei Pads zerstört, weshalb ich einen Liter mit Kaffeepulver verseuchter Milch in den Ausguss schütten musste. Einen Schluck probierte ich. Es schmeckte zum Kotzen.

Mittlerweile besitzen wir nur noch eine Maschine, die sogar funktioniert. Angenommen sie ginge kaputt, wir könnten sie im Originalkarton verkaufen. Ich halte wenig von Kartons. Wir sammeln sie trotzdem. Das war schon in meinem Elternhaus so. Es gab einen Abstellraum, in dem sich die Kartons diverser Geräte auftürmten, die wir teilweise nicht einmal mehr besaßen. ABER: Man könnte sie eines Tages noch verwenden. Das wusste mein Vater schon, bevor es Ebay gab. Wir verwendeten sie in der Regel nie wieder. Die Geräte wurden gekauft, ausgepackt, aufgebaut und die Kartons nahmen ihren Platz im ewigen Lager der Verpackungen ein.

Ähnlich verhält es sich in unserer aktuellen Wohnung. Hätten wir einen Keller, der nutzbar wäre, würden sich dort viele Kartons stapeln. Denn durch die Möglichkeit, unliebsame Gegenstände raumgewinnbringend im Internet zu verhökern, kann man tatsächlich jede erdenkliche Form eines Kartons verwenden. Da die Frau, die in unserer Wohnung lebt, eine zeitlang im „Kleiderkreisel“ aktiv war (einer Plattform, die hohen Unterhaltungswert bot), gab es in dieser Zeit viele Kartons, die für den Versand diverser Kleidungsstücke benötigt wurden. Durch eine schicksalhafte Fügung wurde unser Keller vor zwei Jahren von eindringender Feuchtigkeit heimgesucht, die einen Teil der dort lagernden Kartons zwar nicht vernichtete aber unbrauchbar machte. Schimmel ist in diesem Kulturkreis kein anerkannter Wertgegenstand, was den Gegenstand, den er befällt, gleichermaßen im Wert mindert. Bei Kartons ist das nicht anders. Wir sammelten also im Sommer 2014 Schimmel an Hausrat.

Ein aktueller Anlass führte uns vor Augen, dass man tatsächlich mehr sammelt, als einem bewusst ist. Weil ich einmal im Jahr Geburtstag habe und diesen nie feiere, die Gelegenheit aber nutzte, um mit einer Freundin gemeinsam eine Party zu schmeißen, kam ich in den Genuss, Kleidung aus den 90er Jahren wieder hervorzukramen. Nun war ich in den 90ern 5-15 Jahre alt, was einige Klamotten von damals für die heutige Nutzung disqualifiziert. Doch trotzdem befanden und befinden sich auf meiner Seite des Kleiderschranks Hosen und Hemden sowie Shirts, die man hervorragend miteinander kombinieren kann, um geschmacklos auszusehen. Ähnliches bei der Frau, die in unserer Wohnung lebt, die mit einem Griff in einen Karton auf dem Speicher ihrer Mutter vier Outfits zutage förderte, die man entweder heute nicht mehr trägt oder wieder tragen kann. Schlaghosen kommen wieder. Wohl dem, der eine in seinem Fundus weiß. Ich habe keine. Die Frau, die in unserer Wohnung lebt, hat nun drei.

Die Frage nach dem Sinn

Dinge zu behalten, obwohl sie keine Verwendung mehr finden, ist in hohem Maße irrational. Allerdings verleiht ein Aspekt dem Ganzen eine etwas andere Dimension. Dass es sich um Dinge von materiellem Wert handelt, ist in den meisten Fällen Nebensache. Was ich nicht brauche, habe ich in der jüngeren Vergangenheit auch nicht vermisst. Dementsprechend wenig juckt mich eventuelles Geld, das dort weggeschmissen wird. Viel zentraler ist für mich der emotionale Wert eines Gegenstands. Dabei geht es nicht unbedingt um Kartons und auch nicht um Kleidungsstücke. Allerdings um ähnlich Profanes wie ein kleines Messing-Auto meiner Oma. Oder kleine Steinfiguren, die nicht einmal hübsch anzusehen sind, aber eben durch die emotionale Komponente ungeheuren Wert besitzen. Mit Büchern ist es ähnlich, wenn nicht sogar vielschichtiger. Ein altes Buch gehörte jemandem, der einem vielleicht nahe stand. Allein das reicht aus, um die Schranke fallenzulassen, die das Buch vor der Entsorgung oder dem Verkauf bewahrt. Außerdem wirft man Bücher nicht weg. Ein bisschen Pappe mit Papier. Der Unterschied zu Kartons im Keller ist kein allzu großer.

11 Kommentare

  1. Viel zentraler ist für mich der emotionale Wert eines Gegenstands – wie wahr – deshalb habe ich noch immer ein kaputtes Lager aus Stella, das Fahrzeug des Galans, in meiner Vitrine herumkugeln – denn selbiges bauten wir bei einem unserer ersten Dates in der Bastlerwerkstatt aus 🙂

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  2. ich kann mich so schwer von dingen trennen die ich von meinen ( mittlerweile erwachsenen) Kindern bekommen hab : eine selbstgebastelte Tonfigur , krumm und schief zwar aber ….; selbst gemalte Bilder , Figuren aus dem Ü-Ei ,ein blankgeschliffener Kieselstein unbekannter Herkunft , kleine Erinnerungsstücke halt …. ich mag sie nicht hergeben, sie sind die Wegweiser für Gedankenreisen in die Vergangenheit …. 🙂

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  3. Sehr toll! Kartons um eventuell etwas zu verkaufen, lagert der mann, der in meiner Wohnung wohnt, auch. Wohnten wir nur damals schon beieinander, hätte ich Kartons für Kleiderkreisel gehabt!
    Ich sammel Postkarten, die ich in mein Bilderbuch kleben will, was ich noch nicht angefangen habe…

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  4. Ich bin auch eher Unsammler und besitze nicht einmal einen Discman (nie besessen). Dafür habe ich noch einen funktionierenden Walkman und bin sehr froh, weil ich die drei Kassetten, von denen ich mich nicht trennen konnte, weil sie mir geschenkt wurden, nur noch damit hören kann. 🙂

    Und Bücher, da hast Du völlig recht, kann man nicht wegwerfen.

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  5. Original-Kartons, die hebe ich auch gern auf, und konnte sie tatsächlich immer mal brauchen. Sei es dass ein Umzug zu bewältigen war- oder wie gerade heute ein defektes Gerät eingeschickt werden muß.
    Bücher wegwerfen , das geht nie und nimmer. Deshalb verlose ich gelegentlich welche oder schicke sie sonstwie auf Reisen, wozu die vorher gesammelten Kartons durchaus auch brauchbar sind. Und stelle grade fest das Lesen dieses posts animiert mich zum Schreiben… Schluß jetzt.

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  6. Wie schon gesagt: ein schöner Beitrag, der mich an meine Freundin erinnert. Habe mich gut unterhalten gefühlt.

    P.S. Test, ob ich auch einfach so kommentieren kann, mobil wollte es immer die WordPress-Anmeldung…

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