Pomadeenten

pomadeenten

Wie es sich für einen haupt-, neben- und freiberuflichen Blogger gehört, nehme ich auch an vielen der unzähligen Bloggerkonferenzen teil. Das sind die Gelegenheiten, bei denen man den Menschen hinter den Blogs begegnet, um festzustellen, dass viele in Wirklichkeit viel kleiner sind, als man vermutete. Ein großer Blog suggeriert einen großen Autor. Ihr wärt erstaunt, wenn ihr sehen würdet, wie groß die berühmtesten Blogger dieses Planeten tatsächlich sind. Auch ich bin lediglich etwas höher als ein Mann, der etwas kleiner als ich ist, was ich als klein empfinde. Somit bin ich gerade mal etwas größer als klein, was nicht groß ist. Auch nicht klein. Es ist so mittel.

Bloggerkonferenzen laufen je nach Blogausrichtung stets gleich ab. Zu Beginn geht man eine kleine Runde, schüttelt Hände. Das ist überall gleich. Bei Modeblogs sieht das Protokoll anschließend vor, dass man sich an einen weißen Tisch setzt, vegane Häppchen frühstückt und sich währenddessen einen Sekt nach dem anderen hinter die Binde kippt. Danach werden Selfies gemacht. Reiseblogs sind da ein wenig anders. Die Reiseblogger finden sich zusammen und verreisen anschließend für mehrere Wochen. Die Konferenz ist nach ihrer Rückkehr längst beendet, weshalb auf Konferenzen nie über Reiseblogs gesprochen wird. Alltagsblogger begegnen sich tatsächlich im realen Leben sehr selten. Was schade ist.

Das ist der Grund, weshalb ich mich gern auf Bloggerkonferenzen begebe. Die Größen des Geschäfts treffen. Kontakte knüpfen. Kooperationen in die Wege leiten und vor allem Inspiration finden. Nichts ist wichtiger als die Inspiration. Inspiration ist ein tolles Wort, weshalb es so oft verwendet wird. Blogger kommentieren unter Beiträgen, wie inspirierend dieser war und meinen damit, dass er gut war. Inspirieren hieße, eine Reaktion hervorrufen. Eine Replik etwa. Ich will auch inspirieren. Ich will, das die Leser auf meine Beiträge reagieren, indem sie auf „gefällt mir“ klicken.

Wirklich inspirierend sind die Randgeschichten. Etwa Gespräche auf Bloggerkonferenzen. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem sonderlichen Blogger. Ein Star, wohl wahr, doch mit dem Hang, konkrete Aussagen zu vermeiden. Vieles ist zwischen den Zeilen versteckt. Manches bewusst platziert, um den Anschein zu erwecken, dass da etwas zwischen den Zeilen wäre. Doch vielleicht ist da gar nichts. Wer kann es wissen? Nur er. Mit seinem Zylinder, dem Monokel und einer seltenen Eule auf der Schulter wirkt er unnahbar. Ist er es? Er strahlt Ruhe aus, was dem Bild, das seine Texte transportieren, widerspricht. Geduldig wie ein Felsen lauscht er den Lobhuldigungen seiner Gesprächspartner, nickt hier und da jemandem zu, hebt seinen Zylinder an, wenn tuschelnde Damen ihn passieren. So ist er. Florianus Nathanael von Monasterium.

Gerade liest er aus seinem Analogblog. Eine bemerkenswerte Innovation. Text per Tinte auf ein weißes Medium, das aus Holz gewonnen wird, gebannt. Es machte ihn reich. Ich nähere mich, dränge mich zwischen die gebannt lauschenden Menschen. Es geht gerade um Tiere, wie es scheint. Dieser Mann hat unzählige Talente, ein unerschöpfliches Wissen über Dinge, die er noch gar nicht entdeckt hat. Ein aufmerksamer Beobachter der Welt, die er selbst formt. Er beendet gerade seine Lesung. Viele schütteln beeindruckt den Kopf und applaudieren. Florianus Nathanael von Monasterium signiert noch einige Laptops und Tablets sowie die Brüste mehrerer Frauen und Männer. Die seltene Eule auf seiner Schulter hat mich registriert, starrt mich an. Nun auch er. Verdammt! Worum ging es in seiner Lesung? Tiere. Enten! Schlafende Enten!

Also beginne ich zu sprechen:

„Oh, Enten auch?“

Er mustert mich durch sein Monokel. Sein Bart bebt, während er antwortet.

„Ich hoffe. Bei denen fiel es mir mal auf, googelte dann und kam so zu Erkenntnissen.“

Recherche ist ihm nicht fremd. Sehr wahrscheinlich sind es Ergebnisse seiner eigenen Forschung, die er dort als belastbare Quelle fand. Beeindruckend! Und so antworte ich:

„Das wusste ich nicht. Enten sind so majestätische Wesen.“ Und weil ich mich daran entsinne, dass er auch über Wölfe sprach, ergänze ich: „Wölfe sind es tatsächlich!“

Er zieht sämtliche Augenbrauen hoch.

„Sie zieren gerade meinen Desktop. Ein Zufall, dass ich gerade über einen las.“ Und er fährt fort: „Der auch noch sprechen konnte. Aber ich schrieb das ja schon vor geraumer Zeit.“

Er wirkt nachdenklich, greift sich an sein linkes Ohr, senkt den Blick und murmelt gedankenversunken.

„…als Wölfe noch nicht sprechen konnten.“ 

Was dieser Mann weiß! Ich krame in meinem Hirn, um eine annähernd relevante Information zu finden.

„Das ist tatsächlich neu. Weinen konnten sie schon immer.“

Hieß es nicht anders? Ja, wie peinlich!

„Nein! Heulen sagt man.“

Florianus Nathanael von Monasterium antwortet nicht. Verharrt gedankenversunken mit seiner Hand am Ohr. Was geht in ihm vor? Er holt tief Luft und spricht langsam:

„Walross, Ente, Wolf. Viele Tiere heute, merke ich gerade.“

Ich muss ihn bei Laune halten. Muss das Thema aufgreifen, ihm etwas geben, woran er meine Ergebenheit spürt!

„Und rein zufällig die Reihenfolge der Evolution eingehalten! Aus dem Walross entwickelten sich Enten und aus diesen der Wolf.“

Er nickt zufrieden, starrt nach wie vor ins Leere und antwortet:

„Das war geplant.“

Ich muss ihn weiter in ein Gespräch verwickeln. Was ich hier lernen könnte!

„Sehr klug. Diese Zusammenhänge sind nicht jedem bekannt.“

„Sie liegen auf der Hand.“ 

Ich überlege kurz, versuche Zusammenhänge zu finden. Wie leichtfertig war doch mein Hinweis mit den Zusammenhängen! Er erwartet von mir, sie zu kennen. Ich muss antworten.

„Man erkennt es an den Schnurrbarthaaren der Enten. Ist ja eigentlich Quatsch, aber eben ein Relikt der Evolution.“

Florianus Nathanael von Monsterium reißt sichtlich beeindruckt die Augen auf und nickt. Nach wie vor ins Leere starrend. Wir beginnen zu fachsimpeln. Ein Fachgespräch!

„Manche nutzen Pomade.“ Er kneift die Augen zusammen, denkt nach. Dann kommt er drauf. „Pomadeenten.“

„Sehr viele sogar. Damit das Federkleid wasserdicht ist. Wenn ich morgens wenig Zeit habe, schnappe ich mir eine Ente und reibe Kopf und Bart mit ihr ein.“ 

Nun fixiert er mich konzentriert. Ein Blick wie ein Donnerschlag. Ich kann die Augen nicht abwenden, während er nur zwei Worte sagt.

„Verblogg das!“

Ich versuche das Spiel noch weiter zu treiben.

„Pech, wenn man versehentlich eine Nomandenente erwischt Die bringen kaum etwas und am nächsten Tag sind sie meist woanders.“

Er wird ungeduldig.

„Verbloggen!“

Er schickt sich an, zu gehen. Die seltene Eule auf seiner Schulter blitzt mich zornig an. Ich neige mein Haupt, als Florianus Nathanael von Monsterium seinen Zylinder zurechtrückt und sich abwendet. Er hat mir erlaubt über dieses Gespräch zu schreiben. Bei dem Gedanken daran, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Das beweist den Mythos, der sich um diese Person entwickelt hat. Florianus Nathanael von Monasterium bleibt stehen, dreht sich aber nicht um. Er steht eine Weile leicht gebeugt da. Dann aber richtet er sich auf, schaut zur Decke der Halle, in der die Bloggerkonferenz stattfindet und spricht:

„Die Person…hat sich…um den Mythos entwickelt!“

Mit diesen Worten schwingt er sich auf seine seltene Eule und fliegt davon.


10 Kommentare

  1. Gerade liest er aus seinem Anal(og)blog. – Hab ich doch gerade die eingeklammerten Buchstaben überlesen. Was wollte mir Herr Freud (selig) damit sagen???

    Ach und bei Zylinder und Eule fühle ich mich irgendwie ertappt. Ist doch gerade am Montag mein Foto mit Zylinder und Eule online gegangen. Oder habe ich dich dazu „inspiriert“???

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  2. Das stell ich mir ganz witzig vor, ein kleines wer ist wer Spiel.
    Bin kein Modeblogger und auch noch nicht auf solch einer Konferenz gewesen.

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  3. Wow! Meine Gedanken überschlagen sich gerade. Soll ich alle Fragen posten, die sich mir nun stellen (Welcher Tee wurde auf der Bloggerkonferenz denn serviert? Oder war es im Kuchen?) und vegane Häppchen auf Modeblogs, aber nur bei naturkosmetischer Sicherstellung der Pelz-und Lederfreiheit aller geposteten Beiträge!
    Vorsichtshalber habe ich die Weiten des Internets nach „Florianus Nathanael von Monsterium“ durchsucht (so mache ich das mit allen Namen, die mir so unterkommen, man weiß ja nie) und da fällt dem Algorithmus doch glatt etwas dazu ein! Es hat meine Verwirrung nicht entwirrt…
    FLOrianus NaTHanael von mOnsterium – hmmm! Ein Geheimbund von Bloggern, die sich zur Tarnung auf öffentlichen Konferenzen treffen – gefinkelt. Aber es war eine Eule, kein Fink …Naja, war auch in D und wohl nicht in Ö, aber vielleich ja auch in NL bei einem netten Coffee.
    Und wann wurde die Evolution umgeschrieben?
    Nomaden- und Pomadenenten – ist inspirierend.
    Replik könnte aber etwas dauern, die Dekadenente ist noch unterwegs … Arrival anticipated in 2 …0 …. Ach nein, das muss wohl 2020 heißen

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