Nur aus Verdacht: Sexismus!

Läufersexismus

Ich bin ein Mann. Daran ließe sich einiges ändern. Heißt also, ich könnte mich zu einer Frau umoperieren lassen, was natürlich jedem freigestellt ist. Also seinen eigenen Körper zugunsten einer anderen Optik zu verändern. Es ist allerdings jedem unfreigestellt, meinen Körper zugunsten einer anderen Optik zu verändern, sofern es sich dabei nicht um solche Veränderungen handelt, die durch Sport hervorgerufen werden. Soweit ich weiß, sind keine Fälle bekannt, in denen eine Frau durch Sport zum Mann wurde oder umgekehrt. Deshalb kann man an dieser Stelle relativ sicher behaupten: Ich bin ein Mann.

Und dieser Umstand birgt Konfliktpotenzial.

Am vergangenen Wochenende – es war ein Samstag – traf ich mich mit einer Dame, die wir in Insiderkreisen als Frau M. von S. bezeichnen, um mit ihr und weiteren Teilnehmern eines Fitness-Parcours den Mittag laufender- und in meinem Fall blutenderweise in Wasser und Schlamm zu verbringen. Als Frau M. von S. mir ein paar Tage vor besagtem Samstag das Angebot unterbreitete, diesem Spaß – der er tatsächlich war – beizuwohnen, war mir sofort klar: Sofern ich diesen Tag überleben sollte, wird darüber gebloggt. Ich überlebte und wer es noch nicht getan hat, dem sei ans Herz gelegt Sport mit Frau – Herausforderung angenommen und Sport mit Frau – Ich bin ihrer nicht würdig zu lesen. Nicht etwa, weil die Beiträge für das Textverständnis dieses Artikels erforderlich wären. Hier geht es um ein generelles Phänomen, das eben auch nach der Veröffentlichung der beiden Beiträge zutage trat.

Dass ich darüber schrieb hatte vor allem zwei Gründe. Erstens befinden wir uns im Sommerloch und viele Leser haben sich rar gemacht, um den Sommer dort zu verbringen, wo zwar ein ähnliches Wetter wie hier herrscht, man es aber aufgrund der unbekannten Umgebung viel besser findet. Das stellt den schreibenden Menschen vor die Frage, worüber er schreiben soll, wenn kaum jemand da ist, der liest. Und weil in den vergangenen Wochen einige subjektiv gute Beiträge im Sommerloch ihrer Wirkung und ihrer Reichweite beraubt wurden, nahm ich die Gelegenheit wahr und schrieb über etwas Harmloses, etwas vergleichsweise Irrelevantes. Außerdem – der zweite Grund – formulierte ein international einflussreicher Blogger schon diverse Male in seinen Beiträgen die These, dass das Bild des Mannes als Verlierer gut ankommt. Dem stimme ich zu. Auch weil ich mich selbst gern als den leicht naiven Trottel darstelle, der ich zum Teil in der realen Welt auch bin. Es hat etwas mit selbstironischer Wahrnehmung zu tun, die ich für eine Stärke halte. Was spricht also dagegen, den gemeinsamen Sport mit einer Frau zu meinen Ungunsten auszuschlachten?

Nun ist Ironie leider nicht jedermanns Sache und Texte immer Projektionsflächen für vermeintlich ihnen zugrundeliegenden Philosophien.

Und so war es absehbar, dass man mir irgendwann die Beiträge negativ ankreidete.

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Die an mich gerichteten Fragen haben ihren Ursprung in einer einzigen Annahme: Der Mann sieht die Frau grundsätzlich als ein ihm unterlegendes Wesen an und will die klassischen Rollenverhältnisse und die bestehenden Geschlechterkonstrukte unbedingt beibehalten. Es werden Dinge suggeriert, an die ich nicht ein einziges Mal dachte, als ich die Beiträge schrieb. Wer dies nun als festgefahrene Gedanken eines Mannes in einer patriarchalischen Gesellschaft interpretiert, der sollte eventuell noch den Hinweis in seiner Charakteranalyse berücksichtigen, dass ich, während dieser Kommentar geschrieben wurde, kochenderweise in der Küche stand während die Frau, die in unserer Wohnung lebt, im Wohnzimmer Gewichte stemmte.

Der Spaß hört bei einigen schon dort auf, wo zwei verschiedene Geschlechter formuliert werden. Dann drängt sich vielen schon der Verdacht auf, dass da doch auf jeden Fall die Weiblichkeit als solche nicht gut wegkommt. Und das in Beiträgen, die das exakte Gegenteil kommunizieren. Aber anstatt einen ironischen und vor allem selbstironischen Text zu lesen, wirkt die Konstellation „Mann/Frau“ wie ein Reiz, das Geschriebene als frauenfeindlich zu interpretieren. Denn das ist Sexismus vor allem im sozialmedialen Kontext: frauenfeindlich. Die andersgerichtete Denkweise ist möglich, aber längst nicht so populär. Sexismus ist nämlich genaugenommen unabhängig vom Geschlecht, wird aber, sofern er von Männern thematisiert wird, oftmals belächelt. Dann wird das Konzept „Mann“ nämlich als das starke Spektrum der Geschlechterskala behandelt, was für das männliche Individuum, das sich gerade möglicherweise berechtigerweise über Sexismus beklagt, bedeutet, dass er sich lächerlich macht. Solche Diskussionen kann man nur verlieren. Das sieht man gern. Die Fallhöhe macht die Niederlage der Männer zu reizvoll, um den oben erwähnten Düsseldorfer Blogger zu zitieren.

Aus diesem Grund wäre die Konstellation, dass zwei Männer am vergangenen Samstag in eine Art Wettbewerb mit- und gegeneinander treten, für die Sexismusdebatte uninteressant. Sobald aber eine Frau im Spiel ist, gehen einigen wenigen die Hüte hoch. Das liegt vermutlich auch daran, dass Feminismus zur Mode geworden ist, die viele tragen, aber nur dann, wenn es ihnen passt. Nämlich dann, wenn jemand – und sei es auf den Mann verunglimpfende Weise – Vergleiche anstellt. Feminist nennt sich schon, wer einfach mal gern über Männer lacht. Weil es tatsächlich manchmal ganz erfrischend sein kann, wie jemand versagt. Deshalb schrieb ich die Beiträge. Kein Gedanke an Sexismus. Kein Gedanke an Diskriminierung. Stattdessen bestätigte vor allem obiger Kommentar die Annahme, dass Männern grundsätzlich Sexismus unterstellt wird. Das ist Sexismus.

Wie verklemmt wir doch im Umgang miteinander sind, zeigte dann ein weiterer Kommentar:

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So sehr ich das Lob im zweiten Teil des Kommentars zu schätzen weiß, machten mich gleich zwei Dinge stutzig. Zunächst irritiert mich das „angeblich“ zutiefst. Denn an keiner Stelle markierte ich Passagen und wies darauf hin, dass diese nun witzig sein sollen. Wenn derjenige also davon schreibt, dass die jeweiligen Stellen „angeblich“ witzig sein sollen, dann liegt das allein daran, dass er sie für sich als möglicherweise witzig verstand. Mir das vorzuwerfen, kann ich nicht nachvollziehen. Zumal es mich lächerlich macht. Ich lasse mir Derartiges ungern vorwerfen.

Die zweite Sache, die mir auffiel, war die oben schon erwähnte Verklemmtheit. Es sagt viel über die Rezeption eines Textes aus, wenn ganz klar eine Grenze gezogen wird zwischen ironischer Darstellung des Mann/Frau-Vergleichs und der Verhohnepiepelung seiner selbst ohne Vergleich. Man kann manches lustig finden und manches nicht, aber da gleich ein System mit Kategorien anzulegen, zeigt nur, dass eben eines hat: System. Es scheint unerheblich, ob eine Stelle tatsächlich witzig war. Sobald ein Vergleich vermutet wird, ist es nur noch „angeblich“ witzig und „nicht mehr so angesagt“. Was auch immer Letzteres bedeutet. Es mutet wie ein Reflex an.

„Hahahaha! Hast du das gelesen, wo er zusammenbricht, während sie…?“

„Du meinst, wo er mit Vorurteilen von Männlichkeit und Weiblichkeit versucht, lustig zu sein?“

„Oh, stimmt. Nein, das geht nicht. Auf gar keinen Fall!“

Unter anderen Vorzeichen – nämlich ich, die als Frau M. von S. über einen Mann triumphiert – wäre wohl allgemeiner Jubel angesagt gewesen. Ich hatte es dem Mann gezeigt. Yay! Frauenpower! So herum geht es also. Da sind Unterschiede gern gesehen.

Es ist schwierig geworden, einfach über den Alltag zu schreiben. Manche scheinen nur darauf zu warten, dass ein Text erscheint, den man aufgrund vermeintlichen Sexismus‘ scheiße finden darf. Hier allerdings ist diese Kritik unangebracht, denn sie verkennt die Beiträge vollkommen. Es sind harmlose Alltagsberichte, die weder einen Schluss auf meinen Charakter zulassen, noch zum maskulinistischen Manifest taugen. Was man liest, ist Rezeption. Was ich schreibe, ist Produktion. Dazwischen liegen gelegentlich Welten, was in Ordnung ist. Mir diesen Unterschied aber vorzuwerfen, ist falsch, zumal Frau M. von S. weder mit dem ersten noch mit dem zweiten Teil irgendein Problem hatte.

Und sollte es nicht exakt darauf ankommen, was beteiligte Personen zu einer Sache konkret sagen, und nicht was man als Unbeteiligter daraus verstehen könnte?


Die corpus delicti (langes ‚u‘, weil Plural und u-Deklination) sind hier und da nachlesbar. Besucht mich außerdem auf Facebook und überzieht mich mit einem shitstorm. Es würde das Sommerloch mit Leben füllen.

26 Kommentare

  1. „Der Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung.“ (Wilhelm Busch)
    Ich frage mich, ob nicht das der häufigste Grund für solche Kommentare ist. Man fühlt sich erst gut, wenn man andere niedergemacht hat. Kann ja nicht sein, dass jemand einen super Text schreibt und es war nicht der eigene. Ich (ich oute mich hier ausnahmsweise) als Frau habe in diesen Text keine Sekunde an Sexismus gedacht. Aber wer sich streiten möchte, findet immer einen Grund. Als besonders gute Grundlage eignet sich dafür der Neid. 😉

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  2. Also: Sexismus ist nicht nur frauenfeindlich, Sexismus ist menschenfeindlich! Also kann sich Sexismus auch gegen Männer richten und ist genauso abzulehnen als wenn Sexismus Frauen betreffen würde. Feminismus ist keine „Mode“, sondern ist notwendig, um Gleihheit zwischen den Geschlechtern herzustellen und endlich mit diesem Rumgesülze, falschen Beschuldigungen oder gar Haß gegeneinander aufzuhören.Also eine gute Sache….hier ein paar Männer, die diesen „rätselhaften“ Feminismus gut verständlich erklären (keine Ironie!) https://www.youtube.com/watch?v=_PkcOsBa9_E Ich denke, das Problem ist, dass viele Menschen patriarchale und sexistische Denkweisen leider schon so verinnerlicht haben, dass es nicht mehr auffällt. Was als so selbstverständlich gilt, fält nicht mehr auf. Das heißt nicht, dass es deshalb gut ist! Erst wenn jemand bestimmte Eigenschaften („ein Mann muß doch eine Deckenleuchte montieren können“ ; „eine Frau, die nicht kochen kann -also!“) als sexistisch kritisiert (was sie auch sind), fällt diese Verinnerlichung der Denkweisen auf. Vielleicht nimmt man es eben so hin, dass besagte Sportskollegin besser war als Mann selbst, auch wenn man zunächst verwundert ist, hm? Angeblich zählt doch nur die Sache, oder? Warum werden dann Frauen, die zufällig mal besser sind in technischen oder naturwissenschaftlichen Berufen dann oft wegen ihrem Äußeren niedergemacht – anstatt die sachlichen Dinge der getanen Leistung zu kommentieren? Arg komisch das ganze. Beim nächsten Mal werde ich auch über einen Mann mit Bart herziehen statt mir seine sportliche oder berufliche Leistung anzusehen. Haha. Der Bart hat genauso wenig mit seiner erfolgten Arbeitsleistung zu tun wie es das Aussehen der Frau mit ihrer Arbeitsleistung.

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    • Um mal ganz nüchtern zu fragen: Lesen sich die beiden Beiträge sexistisch? Dass man sie so lesen kann, ist klar. Aber wirken sie wie ein Jammern über die sportliche Überlegenheit einer Frau oder eher wie die selbstironische Beschreibung eigener Unzulänglichkeiten oder gar wie ein leichter, unterhaltsamer Text? Das war ja im Grunde der Knackpunkt.

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      • Zuerst möchte ich ganz klar sagen, dass ich die Beiträge nicht als sexistisch verstanden und bisher auch nicht darüber nachgedacht hatte.

        Allerdings finde ich nach etwas Überlegung schon, dass Du mit der Erwartungshaltung spielst, dass es die Frau bei einem solchen sportlichen Wettkampf schwerer haben dürfte als der Mann (physische Unterlegenheit). Deshalb wirkt es auch so witzig, dass der Mann, der eigentlich das starke Geschlecht sein sollte, unterlegen ist und sich dabei lächerlich macht. Deshalb ist der Beitrag aber für mich trotzdem nicht sexistisch.

        Wenn nun jemand anderes, also ein Dritter den Beitrag geschrieben hätte, hätte ich ihn vielleicht nicht so witzig gefunden, aber eine selbstironische Darstellung des vermeintlich stärkeren Mannes kommt bei mir gut an. Zumal in dem Text nichts steht, was jemanden verletzen könnte. Es wird ja auch ganz deutlich, dass am Ende der Mensch gewinnt, der mehr trainiert hat. So sollte es auch sein. Die Leistung zählt und nicht das Geschlecht. In diesem Sinne ist der Beitrag am Ende also ganz und gar nicht sexistisch. qed

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      • Besten Dank! Ja, das Spiel mit dem einen oder anderen Vorurteil ist für mich durchaus reizvoll. Vor allem deshalb, weil ich am Ende – auch wenn es um Beiträge mit der Frau, die unserer Wohnung lebt – mich den Kürzeren ziehen lasse. Zu behaupten, es ginge mir um die Widerlegung von Klischees, wäre nicht richtig, aber ich denke vom Sexismus bin ich doch recht weit entfernt.

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      • Ich würde sogar zu behaupten wagen, dass, wer in diesen Beiträgen Sexismus sieht, sie nicht vollständig gelesen hat, sondern schon irgendwo am Anfang ausgestiegen ist.

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      • Die Selbstironie kommt nicht so wirklich raus. Es ist mehr ein Jammern. Und zum Teil ist dein Text auch sexistisch, wenn du z. B. schreibst, dass ein Mann von vornherein denke, dass eine Frau immer schwächer sei. Sexismus hat schon so sehr Platz im Denken und Handeln, dass er leider nicht mehr auffällt. Dabei sollte jede(r), dem Gleichheit und Gerechtigkeit zwischen allen Geschlechtern am Herzen liegt, gegen Sexismus kämpfen. Erst mal muß jemandem bewußt sein, was Sexismus genau ist; danach wird man feststellen, dass man a) selbst schon sexistisch gedacht und gehandelt hat und b) feststellen, dass dieser die Ursache für manche Verärgerung gewesen war. Lies doch deinen Text selbst noch mal durch und prüfe, wann es sexistisch ist. Eine kleine Anregung zur Definition und Verortung des Sexismus in unserer Gesellschaft gibt es hier: http://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/178680/sexismus

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      • Nur weil man der oder die Unterlegene ist, ist man kein Depp. Meine Güte! Wo ist dein Selbstbewußtsein?? Zufällig ist jemand andere besser als Du. Ja und? sollen jetzt Mitleidsbekundungen losgetreten werden?? Klar kann man enttäuscht sein. Aber dabei stehenbleiben… nö. Einfach mal akzeptieren, dass eine Frau zufällig besser ist! Ist umgekehrt auch mal so und da fängt auch keine Frau an zu motzen, wie „böse“ die Männer sind.

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      • Ich glaube nun, dass du die Ironie in den Beiträgen nicht erkannt hast. An keiner Stelle motzte ich oder verlangte nach Beileidsbekundungen. Das ist das erste mal, dass ich davon lese. Mein Selbstbewusstsein ist keinesfalls angeknackst und ich bin nicht enttäuscht. Ich fürchte, du deutest da einiges nicht ganz so, wie es den Tatsachen entspricht. Ich halte SIE übrigens keinesfalls für „böse“. Auch das kommunizierte ich nirgends. Ich bin hochgradig irritiert, weil mir hier Dinge unterstellt werde, die sonst niemandem auffielen und mir nicht in den Sinn kamen.

        Übrigens siehst du offenbar in allem, was ich schreibe, grundsätzlich die Bedingungen für Diskriminierung gegeben. Das wäre wohl tatsächlich diskriminierend.

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  3. Wie immer treffend und formuliert. Leider ist das wieder ein Phänomen unserer Zeit, dass wirklich JEDER Text über ein beliebiges Thema so lange entschärft und von Ironie oder gar Sarkasmus befreit werden muss, bis angepasste Mainstramplörre übrig bleibt. Irgend jemand fühlt sich immer auf die Füße getreten und muss dies natürlich umgehend kundtun. Zudem wird grundsympatische Selbstironie gerne mit oberlehrerhaftem Duktus oder schlimmerem verwechselt. Und weil Humor so wenig verbreitet ist und wenig verstanden wird (wie überhaupt Geschriebenes), beginnt bei einigen Reizwörtern (Mann, Frau, Blumenkohl et al) sofort ein allgemeiner gereizter Shitstorm. Da mag man irgendwann nur noch hinschmeißen…
    Halte Dich wacker und mach weiter so!

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