JUBILÄUMSWOCHE: Über ein Leben zwischen den Virtualitäten

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Irgendwann fiel es dem ersten Leser auf. Nicht dem allerersten. Der wusste es längst. Warum er es schon längst wusste, andere aber erst später dahinterkamen, wird sich auch denen, die erst jetzt darüber in Kenntnis gesetzt werden, in Kürze erschließen. Wer Kontakt zu Musikern hat, selbst einer ist oder sie zutiefst verabscheut, dürfte es kennen.

„Das klingt doch wie…!“

Anhand der Reaktionen kann man erkennen, ob es sich um einen halbwegs reflektierten Menschen handelt, der da seine Klänge unters Volk jubelt, oder eben nicht. Weil ich eine solche ,nennen wir es mal übertrieben, „Musikkarriere“ in Kurzform hinter mir habe, sind mir solche Momente durchaus bekannt. Da stehen einem fremde Menschen in einem stinkenden Jugendzentrum – Bayern stellte hier stets die Ausnahme dar; stattliche staatliche Finanzierung von „JuZe“ und Co – und urteilen über dich und das, was du gerade auf der Bühne getan hast. Wenn da nun jemand steht und dir sagt, dass die eigene Musik wie eine Mischung aus Juli (nur nicht so poppig) und Die Happy (nur nicht so englisch) klingt, dann gibt es drei Möglichkeiten, zu antworten:

  1. „Oh, danke.“
  2. „Ja, das war unsere Absicht. Wir wollten einfach durch die Synthese zweier unvereinbarer Stile etwas Neues schaffen.“
  3. „Nein, das finden wir nicht. Wir lassen uns schlecht einer Kategorie zuordnen, weil wir so ganz anders klingen wollen.“

Die beiden letzten Antworten disqualifizieren dich, denn du selbst kannst nicht wissen, wie du klingst. Völlig neu ist etwas zu den wenigsten Zeitpunkten, weil man immer ein Opfer des Zeitgeistes ist. Auch Lady Gaga hat wenig Innovatives geleistet. Sie machte und macht Pop. Mit dem Unterschied, dass sie sich mit Koteletts garnierte. Das war tatsächlich neu.

Also bleibt einem nichts anderes, als zu danken.

Also mir vor einigen Monaten schon jemand schrieb, dass der oder das Dampfbloque einem anderen Blog ähnelt, wurde ich das erste mal nervös. Denn ich wollte nicht den Anschein erwecken, dass ich jemanden kopiere, zumal mir der Vergleich durchaus schmeichelte. Ich wollte nicht wie der kleine Fan wirken, der seinem Idol nacheifert. Also schrieb ich es über Facebook an. Das Idol. Das Kuriose an der Sache war, dass mir diese Nachricht zugestellt wurde. Gleich nach dem Absenden erschien eine rote „1“ am Nachrichtensymbol. Ein Zeichen dafür, dass ich eine Nachricht erhalten hatte. Sie war von mir. Ich öffnete sie und es war exakt jene Nachricht, die ich zuvor an das Idol schrub. Und ich antwortete. Diese Antwort wurde abermals mir zugestellt.

So hatte ich eine Weile Schriftverkehr mit mir selbst und bemerkte, dass ich mit mir einige Gemeinsamkeiten hatte. Und dann fiel es mir wieder ein. Die Gerüchte, sie stimmen:

Ich bin er!

Als ich im Mai des vergangenen Jahres begann, unter dem Namen „Seppo“ im seppolog zu schreiben, wurde mir schnell klar, dass ich einen Ausgleich benötigen werde. Den fand ich nach turbulenten ersten Monaten schließlich am 08.08.2015 im Dampfbloque, einem eher unbeholfenen aber eben nicht so im Rampenlicht stehenden Blog mit Geschichten einer halb erdachten Figur.

Daraus ergab sich das Problem, dass ich sehr vorsichtig sein musste, um nicht dem Risiko der Enttarnung ausgesetzt zu werden. Mein erster Abonnent war ich selbst unter dem einen Pseudonym „Seppo“, dessen (meiner) Seite ich umgehend ebenfalls folgte. So folgte vom ersten Tag an das seppolog dem Dampfbloque und umgekehrt. Ich fürchtete, es könne dem einen oder anderen verdächtig vorkommen, vergaß aber im Laufe der Folgezeit, darüber nachzudenken. Und so verlor ich aus den Augen, dass Seppo und Manuel eigentlich ein und dieselbe Person sind.

Irgendwann erreichte mich eben die Nachricht, dass man den Verdacht hege, dass hinter beiden Blogs nur eine Person steckte. Ich flog auf. Wir flogen auf. Es war zu offensichtlich gewesen. Beide männlich. Und als ob das nicht schon verrückt genug gewesen wäre, verfügten – im Sinne von einem gleichgestellten haben – beide über jeweils eine Freundin, deren Namen oder Bezeichnung als „Freundin“ beide in beinahe zwangsneurotischer Weise vermieden zu erwähnen. Ein recht ähnlicher Humor und – das fiel nur wenigen auf – der Umstieg vom täglichen Bloggen bis Ende November auf einen zweitäglichen Rhythmus ab Dezember.

Letzteres lässt sich erklären. Ich hatte mich schlicht übernommen. Dem seppolog galt noch meine volle Konzentration, aber nach anfänglicher Leichtigkeit sackte im Dampfbloque das ohnehin schon niedrige Schreibniveau ab. Um diesen Qualitätsverlust abzufedern, griff ich zu der Lösung, nur noch alle zwei Tage etwas zu veröffentlichen. Es funktionierte, konnte aber nicht über andere Dinge hinwegtäuschen.

In beiden Blogs rutschte mir versehentlich der Unwille heraus, mich als Blogger zu bezeichnen. Darüber hinaus ging es in beiden Blogs um das Laufen, auch wenn ich der Erzählinstanz „Seppo“ im seppolog hier die deutlich größere Expertise zuschrieb. Im Dampfbloque reichte es gerade einmal zu einer Art halbherzigem Lauftagebuch mit dem Namen „Die Rückkehr des neongelben Ninja“. Als ich dann noch anfing, darüber zu schreiben, dass auch die beiden Lebensgefährtinnen mit dem Laufen begonnen hatten, hatte ich den Finger schon fast auf der Schaltfläche zur Löschung beider Blogs. Es kam mir zu plump vor, zu ähnlich.

Immer häufiger wurden Stimmen laut, die danach fragten, ob man sich eventuell kenne. Was soll man darauf antworten? Die Verneinung wäre eine Lüge, die Bestätigung käme einer Niederlage gleich. An der Aufgabe gescheitert, zwei Blogs parallel zu führen, ohne dass jemand den Autor als ein und dieselbe Person enttarnt. Also wich ich den Fragen aus. Im Frühjahr hätte mir die idiotische Idee, der Kunstfigur „Manuel“ im Dampfbloque einen Bart wachsen zu lassen, fast das schriftstellerische Genick gebrochen. Ja, lernte ich denn nichts aus den Verdächtigungen der Vergangenheit?! Nein, stattdessen sorgte ich für neues Futter für die Verschwörungstheoretiker, die ja unterm Strich im Recht sind.

Nun hatten beide Charaktere Bärte. Die Blogs drohten zu einem zu verschmelzen. Die Grenzen zwischen seppolog und Dampfbloque begannen sich aufzulösen. Die Einstellungen zu gewissen Themen waren plötzlich sehr ähnlich. Man hätte manchen Beitrag so interpretieren können, als wären sich beide Figuren schon mal in der Realität begegnet. Eine Sache, die ich relativ früh zumindest für denkbar hielt, schließlich wohnen beide Charaktere in derselben Stadt. Also schrieb ich als Dampfbloque in den Kommentaren eines Beitrags im seppolog, dass ich, Manuel, mich, Seppo, über Straßen laufen sah. Ein erster Kontakt, eine wichtige Hintertür für den Fall, dass mal jemand fragen sollte, ob man sich persönlich kenne. Ja, man sah sich auf der Straße. Eine Notlüge, die mancher vielleicht schluckt.

Die Gemeinsamkeiten erdrückten mich und mir fiel es zunehmend schwerer, die Maskerade fortzuführen. Als ich heute als Seppo ein Video veröffentlichte, das mich als ihn in T-Shirt und Boxershorts zeigt, vergaß ich kurz, dass ich es war, der dieses Video aufnahm und überlegte, ihm zu schreiben, dass auch ich zuhause oft in Boxershorts agiere. Es kühlt. Und gemäß der Annahme, dass der Mann sein Gehirn oftmals weiter unten trägt, kann eine solche Kühlung nur eines bedeuten: bessere Leistungen.

Ich schrieb ihm nicht, weil jede zusätzliche Gemeinsamkeit den Leser mit der Nase darauf gestoßen hätte, dass Seppo und Manuel geistige Auswüchse eines Mannes sind. Das wollte ich eigentlich vermeiden.

Doch ihr kennt nun die Wahrheit.

Euer Sebanuel Flothges


Junge, was ist los mit dir?!

Die Frage ist berechtigt. Um es kurz zu machen: Wir sind zwei selbstständige Personen. Selbstständig im Sinne einer gewissen Fähigkeit, allein zu existieren. Zu mehr reicht es bei mir manchmal nicht. Der Toilettengang vielleicht noch. Hier kann ich nur von mir sprechen. Über Unzulänglichkeiten des Marktführers kann ich hier nicht schreiben, weil ich sie nicht kenne. Das ist das Verrückte daran, wenn man nicht ein und dieselbe Person ist. Man weiß einfach nicht, worin der andere schlecht ist, sofern er dies nicht kommunizierte.

Die Antwort auf die Frage, ob wir uns kennen oder nicht, muss sich jeder selbst beantworten, denn Forschungsliteratur gibt es zuhauf. Die ist beizeiten auch recht schwammig, aber hier und da entlockt man ihr aussagekräftiges Material.

Wozu dann dieser Beitrag? Weil ich bei der Gelegenheit ganz dezent darauf hinweisen konnte, dass der oder das Dampfbloque ein Jahr alt geworden ist und am 17. August das einjährige Bestehen des ersten Beitrags feiert. Darüber hinaus konnte ich in der Retrospektive einige meines Erachtens lesenswerte Beiträge auf halbwegs passenden Wörtern verlinken. Außerdem – die Transferleistung von den ersten vier Absätzen bis hierher übernehme ich gern – schmeicheln mir die Vergleiche mit gewissen Blogs sehr. Ich rede mir ein, dass es für mich spricht, wenn man uns vergleicht. Und letztlich wollte ich genau das von Anfang an: Gute Texte schreiben.

Also: Besten Dank für den Vergleich.

15 Kommentare

  1. Witzig. Aber auch auf die Gefahr einen Shitstorm auszulösen weil ich das kommende schreibe. An einen so tollen Menschen wie dich. Wenn du dich doch etwas weniger selbstberweiräuchern könntest, wäre es wirklich gut. Es ermüdet das immer und immer wieder zu lesen. Jut! Denn können jetzt alle auf mir rumhacken. Good luck

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  2. Sehr verwirrend, Ähnlichkeiten oder Parallelen beider Blogs sind durchaus zu erkennen. Ist Manuel und Seppo der gleiche Mann, dann sind zwar die Themen ähnlich aber der Schreibstil anders und ich fände dies schon lobenswert. Sind es zwei eigenständige Personen (es läge quasi keine Schizophrenie vor), dann ist es doch egal welches Thema der Blogeintrag hat, es entwickeln sich unterschiedliche Geschichten daraus, und darauf kommt es an.

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  3. Ich tue mal so als hätte ich den unteren Teil in kursiv nicht gelesen, weil ich zu neugierig bin wie Sebanuel Flothges die Frage beantwortet: Wie veränderst Du Dein Gesicht und wieviele Autos hast Du? In den Videos ist ja nicht zu verkennen das Du und auch der Innenraum des Fahrzeuges andres aussieht … Oder macht das am Ende nur der Winkel? 🙂

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    • Mein Team von Maskenbildnern leistet da wirklich Großartiges. Außerdem werden sämtliche Kamerafahrten penibel unter Verwendung einer sündhaft teuren Software berechnet. Vieles ist also tatsächlich eine optische Täuschung durch die Kameraperspektive. Glücklicherweise werfen beide Blogs eine enorme Kohle ab, weshalb zwei Autos kein Problem darstellen. Mit den Wohnungen ist es ähnlich.

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  4. Aha , also “ seppoloque“ &,dampfolog…. so weit so gut doch stellt sich mir die frage ob die frau die in eurer wohnung lebt und seppos mitbewohnerin auch damit einverstanden wären dass ihre persönlichkeiten miteinander vermischt werden …..fragt sich *kopf kratzender weise* die wolfskatze 😉

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