Die wertvollsten Online-Tipps für anonyme Laufanfänger

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Das Internet hat gegenüber der analogen Welt einen entscheidenden Vorteil: Während man in dieser lästigen Realität nur wenige Menschen um sich scharen kann und man dem Risiko ausgesetzt ist, nicht zu jedem Thema einen Fachmann in den eigenen Reihen zu wissen, besteht das Internet aus mindestens Millionen Experten für jede Gelegenheit. Problematisch ist es natürlich, wenn man eine Frage bei Google eingibt und einem im Suchergebnis diverse passende Seiten aufgeführt werden. Etwa zu der Frage, ob es denn normal sei, wenn man als Laufanfänger nur ca. 500 Meter schafft und anschließend ein Brennen in der Lunge verspürt. Laufratgeber gibt es wie Sand am Meer, was gewisse Risiken birgt. Jeder kann etwas veröffentlichen. Nicht jeder ist ein Experte. Deshalb sind die Tipps solcher Seiten mit Vorsicht zu genießen.

Ganz anders: Facebook!

Die geballte Fachkompetenz zu sämtlichen Fragen, die das Leben betreffen, findet der Suchende im Expertenpool des weißen „f“ vor blauem Grund. Hat der Partner eine unklare Nachricht geschrieben oder auf eine ausführliche Message über die Tagesplanung nur „ok“ geantwortet, hat sich deine Katze von dir getrennt oder juckt dein linker Daumen, äußern sich auf Facebook wirklich nur diejenigen, die wirklich Ahnung von einem Thema haben. Der Partner geht vermutlich mit zwei kleinwüchsigen Prostituierten mit Vollbart fremd, während die Katze einfach ihre Freiräume braucht und man sie gehen lassen muss. Und der linke Daumen…es muss Aidskrebs sein. Ein Cousin des angeheirateten Onkels eines Stiefvaters einer Bekannten hatte das auch und starb nur wenige Jahrzehnte später an Altersschwäche. Unbedingt zum Arzt damit gehen! Ist erblich bedingt!

Auch Sportler werden hier gut beraten. So eben auch eine Dame, die – wie oben schon geschrieben – ob eines enttäuschenden ersten Laufs die Frage in die Runde warf, ob es normal wäre, wenn die Lunge brennt, und ob sie etwas falsch gemacht hätte. Es folgen hier nun die wertvollsten Tipps, die man einem Laufanfänger, den man noch nie gesehen hat, geben kann:

„Ist für mich eindeutig der schrecklichste Sport.“

Ja, damit muss man leben können. Wer online eine Frage stellt, muss damit rechnen, dass einige Experten gänzlich unabhängig von der eigentlichen Frage folgendes verstehen: „Ist Laufen für euch der schrecklichste Sport?“ Insofern wurde die Frage zufriedenstellend beantwortet. Die ursprüngliche Fragestellerin, die ja eigentlich wissen wollte, ob sie etwas falsch gemacht hätte, wies dezent darauf hin, dass ihr das nun wenig weiterhelfe. Eine weitere Antwort kam nicht mehr. Jeder weitere Kommentar erübrigt sich auch, weil jedem Laufanfänger nun klar sein sollte, dass er das Laufen unter allen Umständen vermeiden sollte. Der Erfolg setzt unmittelbar ein. Die Lunge brennt nicht mehr nach dem Laufen.

„Atme auf jeden Fall durch die Nase ein!“

Dieser Ratschlag ist weit verbreitet, unterliegt allerdings einem Trugschluss. Durch die Nase werde die Atemluft vorgewärmt und die Lungen werden nicht durch zu kalte Luft belastet. Außerdem würden die Nasenhaare Schmutzpartikel aus der Luft filtern und somit die Lunge sauber halten.

Wenn man nun nicht zufällig ein dichtes Geflecht aus verfilzten Haaren in der Nase sein Eigen nennt, dürfte sich der Filterungseffekt in Bezug auf feine Partikel doch eher in Grenzen halten. Sofern man doch über einen derart feinporigen Filter im Riechkolben verfügen sollte, wird es mit dem Atmen durch die Nase unter Umständen etwas schwierig.

Kleinere Fliegen werden gefiltert, ja. Das geht allerdings auch durch die Mundatmung, was für den einen oder anderen durchaus überraschend sein dürfte. Dass wir Menschen einen Kehlkopf besitzen hat einen Zweck. Von der Bedeutung für die Klangerzeugung mal abgesehen, besitzt unser Kehlkopf einen wunderbaren Reflex, sobald Feststoffe versuchen, jenen zu passieren. Beim Verschlucken machen die Stimmlippen dicht und lassen kaum mehr etwas durch. Sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Ein Grund, weshalb wir kurz nach dem Verschlucken über eine hauchige Stimme verfügen.

Ob man die Atemluft im Sommer unbedingt durch die Nasenatmung aufwärmen muss, lasse ich mal offen, denke aber, dass man darauf verzichten kann. Im Winter wäre es vielleicht sinnvoll, ist dann aber auch leichter möglich, weil kalte Luft eine höhere relative Sauerstoffsättigung verfügt. Und weil warme Luft zu allem Überfluss mehr Feuchtigkeit als kalte aufnehmen kann, fällt uns das Atmen durch die Nase im Sommer grundsätzlich schwerer.

Wer sich aber gern dem Gefühl nahender Erstickung hingeben möchte, kann gern krampfhaft an dieser Regel festhalten.

„Lass die Kippe weg!“

Ein wertvoller Tipp für jemanden, der ohnehin nicht raucht.

„Tanz lieber!“

Ähnlich zielorientierter Ratschlag, wie der Hinweis, dass das Laufen der schlimmste Sport überhaupt sei, wenn doch jemand Hilfestellungen für das Laufen verlangte.

„Weniger rauchen und vor dem Laufen zwei Dosen Jack Daniels Ginger trinken.“

Von der englischen Fußballnationalmannschaft hieß es bis vor wenigen Jahren noch, dass jeder Spieler vor Anpfiff ein Bier trank, um locker ins Spiel zu gehen. Im Amateurbereich ist das teilweise noch verbreitet. Nun zeichnet ja den Amateurbereich vor allem der Umstand aus, kein Profibereich zu sein. Insofern kann man dort natürlich ohne große wirtschaftliche Konsequenzen tun und lassen, was man will. Allerdings spricht der Erfolg der englischen Fußballnationalmannschaft bei den großen Turnieren Bände.

Davon mal ganz abgesehen mag Alkohol Beschwerden verdecken, verwandelt den Läufer allerdings in einen herumeiernd wandelnden Risikopatienten für Folgeschäden durch Fehlhaltungen. Wenn ich nicht bei der Sache bin, vergesse ich Laufstil und Atmung, was Gelenke und Kreislauf natüüürlich zu Höchstleistungen antreibt. Wie oft hört und sieht man, dass besoffene Frauen auf hochhackigen Tretern umknicken und sämtliche Bänder lautlos ihren Zusammenhalt überdenken? Aber stimmt, beim Laufen trägt man keine hohen Schuhe. Also ist Alkohol ein guter Tipp.

„Radfahren!“

Hilft beim Laufen. Sehe ich ein. Naja…

„Du musst einen Puls von höchstens 100 haben, später nicht mehr als 120.“

Alle Menschen sind gleich. Deshalb kann man mit 100%iger Sicherheit sagen, dass jeder Mensch einen gleichen Puls hat und sich der unter sämtlichen Bedingungen immer wie nach Lehrbuch verhält.

Ich frage mich gelegentlich ernsthaft, ob sich überhaupt jemand von denen, die dort Hinweise geben, die das Laufen verbessern sollen, jemals mit der eigenen Pumpe auseinandergesetzt hat. Wenn ich meinen Puls beim Laufen unterhalb von 120 oder gar 100 halten müsste, könnte ich meine Strecken grundsätzlich im Gehen absolvieren. Mein Wohlfühlpuls liegt zwischen 140 und 165, obwohl ich einigermaßen trainiert bin. Logischerweise geht das auch niedriger, aber einem Laufanfänger, der nach 500 Metern mit der Welt fertig ist, zu raten, unterhalb der 100 zu bleiben, ist realitätsfern. Gerade bei Laufanfängern schießt der Puls anfangs nach oben. Ein allzu festes Klammern an Zahlen und Richtwerten sollte vermieden werden, denn es hat für den Einzelfall keinerlei Aussagekraft. Jeder Körper hat einen anderen Ruhe- und Belastungspuls. Mein Ruhepuls ist leicht unterdurchschnittlich, mein Belastungspuls wohl etwas zu hoch. Was bedeutet das für einen Laufanfänger? Keine Ahnung.

„Falsch geatmet.“

Definitiv! Muss so sein! Geht nicht anders! Kann man in 99% aller Fälle übers Internet diagnostizieren, ohne denjenigen zu kennen. Viele Laufanfänger fragen bei Facebook, welche Schuhe die richtigen für sie persönlich sind. Die einzig richtige Antwort ist Brooks Ravenna 6. Auch wegen der Atmung. Weil die halt falsch ist. Muss einfach so sein.

„Aufwärmübungen machen.“

Auf jeden Fall!!!11eins1elf!? Aufwärmen wirkt sich unmittelbar auf die Kondition aus und versetzt den aufgewärmten Sportler in die Lage, Höchstleistungen abzuliefern. Auch ich werde gleich einen Versuch starten. Bislang reichte meine Ausdauer nur für 20 km. Mein Fehler: kein Aufwärmprogramm. Mit Aufwärmen vervielfacht sich die Strecke, die man ohne Probleme bewältigen kann. Ich werde also gleich den Erdball umrunden. Ohne Pause.

Abgesehen von dem fehlenden Wissen darüber, ob sich die Fragestellerin aufgewärmt hat oder nicht, hilft ein Aufwärmprogramm primär lediglich, auf Betriebstemperatur zu kommen. Das ist natürlich wichtig, weil der Körper entsprechende Vorkehrungen treffen kann, um einigermaßen beweglich zu sein. Das betrifft allerdings nur den Bewegungsapparat. Auf die Ausdauer hat das keinerlei Effekt.

Zumal:

„Viele laufen, um sich aufzuwärmen.“ (anonymer Moderator, 01. September 2016)


Mehr zum Thema „Laufen“ findet ihr in der Kategorie „Die Rückkehr des neongelben Ninja“. Für alle wichtigen Fragen gibt es Facebook.

18 Kommentare

  1. Ich war auch gerade laufen!
    Ich mag nämlich keine Kurven, da wird mir leicht schlecht. Mir geht es aber gut. Brennt nix. Waren aber auch nur ein paar Meter.

    Der Sache mit der Katze sollte man auf jeden Fall auf den Grund gehen: Empfehle entweder eine Tier-Kinesiologin zu kontaktieren, die die Wohnung auspendelt, oder die Anschaffung eines Katers, der die Katze (und auch andere) anlockt. Danach sollte eine Katzen-Mensch-Gesprächsrunde unter Supervision gestartet werden.

    Ach ja, gegen die brennende Lungen nach dem Sport hilft auch der Dampfbloque: Lesen statt Laufen, denn Lachen entspannt, nur nicht die Muskulatur, aber die wird dabei auch trainiert 😀

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  2. Ja, und wehe, einer der Tipps passt nicht, dann sind alle anderen die Schuldigen, weil sie es einem ja eingeredet haben… Warum den Kopf selbst benutzen, wenn er auch ausgeschaltet bleiben kann? Cooler Artikel!

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