Das Geheimnis guten Urlaubs – Zugewachsene Wege und adelige Fußstapfen

img_2553_01

Die Vorgeschichte:

Noch immer in der Eifel. Wir haben uns vorgenommen, diesen Urlaub aktiv zu verbringen, was manch einem vielleicht irgendwie paradox erscheint, weil man zuhause genug Aktivität hat. Allerdings wollen wir ein wenig was sehen, was für uns heißt, dass wir gewissermaßen versuchen, den Klängen und Einflüssen der Zivilisation zu entfliehen. Während ich dies in unserer Küche sitzend bei offenem Fenster schreibe, höre ich von links das Rauschen von Brückensanierungsarbeiten an der Hauptstraße und von rechts das ewige Hin und Her eines Baggers. Das ist der Preis für ein wenig frische Luft. Die bekommt man woanders beinahe ohne Nebengeräusche und deshalb sind wir in die Vulkaneifel gefahren. Wer die vorherigen Berichte lesen möchte, soll sich eingeladen fühlen, die jeweiligen Beiträge zu lesen, die ich entgegen meiner Gewohnheit mit Fotos aufgehübscht habe. Diese stammen übrigens ausnahmslos von der Frau, die in unserer Wohnung lebt, und wurden mithilfe einer Canon EOS 550D eingefangen.

Es war bei Familienurlauben gefühlt obligatorisch und ich habe es als Kind gehasst. Ich bin mir gar nicht sicher, ob wir es intern auch so genannt haben, aber ich nannte es schlicht „Kultur“. Auf der Rückreise wurde stets ein wenig „Kultur“ angeschaut, was eine Umschreibung für das Besichtigen einer Burg oder anderer Sehenswürdigkeiten darstellt. Ich meine mich zu erinnern, dass wir drei Kinder es einmal schafften, unsere Eltern dermaßen von unserer Unlust zu überzeugen, dass wir glücklich und gefrustet die Fahrt in heimatliche Gefilde fortsetzten. Wir Kinder glücklich, unsere Eltern frustriert.

Sobald ich einigermaßen klar denken konnte, begann ich mich allerdings für die Geschichtlichkeit unserer Umgebung oder allgemein von Orten zu interessieren. Was ist hier früher gewesen? Wer war hier? Was ist hier mal passiert? Welche Person oder welches Wesen hat an diese Stelle, wo ich gerade stehe, ebenfalls mal ihren oder seinen Fuß gesetzt? Wie lange ist das her? Wie hat sich die Gegend seitdem verändert? Und was ist Trumpf?

Bereits im vergangenen Jahr bei unserem Kurztrip in die Eifel wandelten wir auf den Spuren vorfahrener Zweibeiner, die in der Nähe unseres Ferienhäuschens eine Burgruine hinterließen. Ich finde es außerordentlich spannend, mir die früheren Gegebenheiten vor Augen zu führen. Denn der Ort, an der die Ruine heute steht, ist unter geologischen Aspekten sinnvoll gewählt. Sie liegt an einem Punkt, an dem drei schmale Täler aufeinandertreffen. Vor dort aus hat man also früher jedes Tal gut einsehen können und durch die leicht erhöhte Lage hätten es eventuelle Angreifer schwer gehabt. Denn die steilen Hänge ließen nur einen Weg zu: unten entlang. Keine Deckung. Dass die Burg heute eine Ruine ist, stützt nicht unbedingt meine Idee eines strategisch sinnvoll gelegenen Postens, aber auch darüber kann man nachdenken. Was ist dort passiert?

Am heutigen dritten Tag wollen wir, bevor wir uns abermals an einen Ort begeben, der mit Höhlen aufwartet – diesmal durch Menschenhand erschaffene – das im Urlaub übliche Kartenschreiben hinter uns bringen. Kartenschreiben ist für mich eine eher lästige Angelegenheit. Nicht, weil ich mich ungern mitteile, sondern weil ich den Eindruck habe, dass man alle Kartentexte unabhängig von ihrem konkreten Inhalt auf „Hier ist’s schön. Wetter geht so. Uns geht’s gut.“ herunterbrechen kann. Ich halte meine Karten für überdurchschnittlich nichtssagend. Dass wir in diesem Urlaub letztlich keine einzige werden abschicken können, wissen wir natürlich noch nicht.

img_2602_01Um überhaupt an Karten zu gelangen, fahren wir zu oben beschriebener Burgruine, die zwar kaputt, nichtsdestotrotz aber sehenswert und bewohnt ist. Zumindest das Kassenhäuschen. Dort lebt ein Ritter, der einem jeden Eindringling eine Goldmünze abnimmt. Ein hoher Preis für die Besichtigung von aufeinandergestapelten Steinen. Ein niedriger Preis, wenn man weiß, dass ein 50 Cent-Stück nicht ansatzweise aus Gold besteht. Der Wert eines solchen Geldstücks bewegt sich vermutlich im Bereich um 50 Cent. Das kann man ruhig mal bezahlen, wenn man ein wenig Geschichte erfahren will. Kultur hat es hierzulande nicht leicht.

Beim Ritter würde es bestimmt auch Ansichtskarten geben. Als wir die ersten großen ungleichmäßigen Stufen emporgestiegen sind, stehen wir plötzlich vor einem Tor. Es ist verschlossen. Ich krame in meiner Jackentasche.

„Ob dieser Schlüssel, den ich gerade in diesem Moment zufällig…“, setze ich an, werde von der Frau, die in unserer Wohnung lebt, unverzüglich vom Tor weggezogen, bevor ich auf die Idee komme, auch unseren Ersatzwohnungsschlüssel zu demolieren.

Dienstags ist die Burg geschlossen. Als wir zum Auto zurückgehen, fällt uns ein schmaler Pfad auf, der sich vom Parkplatz ausgehend den steilen Hang emporwindet. Im vorigen Jahr war er uns nicht aufgefallen. Obwohl wir noch keine Karten haben, packt uns die Abenteuerlust, zumal wir erfahren, dass dieser Pfad schon vor hunderten von Jahren genutzt und erst in diesem Jahr wieder freigelegt wurde.

Nach fünf Minuten müssen wir erstmals pausieren.

Die Indianerlauftechnik…sie funktioniert bei dieser Steigung nicht. Und der Luftdruck….Menschen sollten nicht so schnell an Höhe gewinnen.“, keuche ich die Frau, die in unserer Wohnung lebt an.

„Das waren jetzt gerade vielleicht 50 Höhenmeter. Du wirst es überleben.“, entgegnet sie trocken.

„Ja. Aber mit Folgeschäden am Hirn wegen zu großen Druckunterschieden und Sauerstoffmangel!“

Sie schaut mich unbeeindruckt an.

„Je länger ich dich kenne, desto sicherer bin ich mir, dass dein Hirn nur noch schwerlich weiteren Schaden nehmen kann. Hast du mal deinen Blog gelesen?“

Im Grunde war das der subtile Ritterschlag des Dampfbloque, was mir neue Energie schenkt. Wir wandern den schmalen Pfad weiter, der eine zeitlang parallel zu einem zweiten verläuft, der allerdings nicht zu erreichen und recht zugewachsen ist. Das dürfte der alte Weg sein, der vor vielen Jahrhunderten genutzt wurde, um die sogenannte Oberburg zu erreichen. Denn abgesehen von der Burgruine unten im Tal befindet sich eine weitere leicht erhöht talaufwärts. Wir gehen davon aus, irgendwann einen Aussichtspunkt zu erreichen, von dem aus man beide Burgen überblicken kann. Diesen Punkt hatten wir vom Tal aus schon letztes Jahr gesehen und wir müssten an ihm vorbeikommen.

Irgendwann führt uns der Weg in ein Seitental und wir verlieren ein wenig die Orientierung. Den Aussichtspunkt passierten wir bis jetzt nicht und es sah von unten auch nicht so aus, als würde man auf dem Weg dorthin den Umweg über ein Seitental nehmen. Uns ist es dennoch recht, weil wir uns hier tatsächlich in absoluter Abgeschiedenheit befinden. Man hört nichts, was auf Zivilisation hindeutet. img_2523_01Dadurch, dass es neben dem Pfad einigermaßen steil abwärts geht, wirkt die Atmosphäre fast schon alpin, was angesichts der maximalen Höhe von 435 Metern, die wir heute erreichen werden, leicht übertrieben ist.

Eine halbe Stunde später haben wir den höchsten Punkt dieses Weges erreicht. Von hier aus kann man vorbei an beiden Burgenruinen ins Tal schauen, wie es genau an dieser Stelle im Jahre 1833 ein gewisser „Fridrich Wilhelm IV.“ tat, was uns der Text auf einer verwitterten Säule verrät. Zu jener Zeit existierten die beiden Burgen schon seit etwa 700 Jahren.

Als wir nach einem kurzen Abstieg, während dem uns die Kinder einer entgegenkommenden Familie mit Geröll ermorden wollen, das sie von weiter oben den Hang hinunterrollen lassen, und einem ebenso kurzen aber knackigen Anstieg die obere Burgruine erreichen und den Turm besteigen, stellen wir fest, dass auch hier schon berühmte Menschen gewesen sind. Ältere Steinschnitzereien belegen, dass im Mai 1989 der berühmte Dennis hier war. 1995 waren es gleich mehrere Persönlichkeiten: Marie, Stefan und Johannes. An einer anderen Wand verrät ein Graffiti, dass jemand „here was“, dessen Namen ich allerdings nicht entziffern kann. Das habt ihr ganz fein gemacht.

img_2667_01Nachdem die Frau, die in unserer Wohnung lebt, ihrer Vorliebe für das Fotografieren von Stillleben nachgegangen ist, steigen wir einen schmalen Pfad hinab ins Tal, bis wir einen kleinen Bach erreichen, der an der ehemaligen Turnierwiese entlangfließt, wo man sich früher zur Erheiterung des Adels die Köpfe einschlug. An der Gästeinformation des Ortes kaufen wir noch einige Postkarten, ich entferne der Frau, die in unserer Wohnung lebt, eine Zecke, die sich anschickt, im Nacken eine geeignete Stelle zum Zapfen zu finden, und weil es noch nicht zu spät ist, fahren wir dorthin, wo wir ursprünglich vorhatten, den Tag zu verbringen: zu einem begehbaren Höhlensystem namens „Eishöhlen“, das seinem Namen alle Ehre macht.

Und auch dort werden wir auf eindeutige Beweise dafür stoßen, dass hier auch heute noch Lebenwesen aktiv sind.


Wie es weitergeht, erfahrt ihr hier oder da. Sind eigentlich Wanderer unter euch? Wie unhöflich von mir, dass ich jetzt erst frage.


Meine sozialen Außenposten zum Klicken und Liebhaben:
facebook_final
twitter_final
instagram_final
googleplus_final
tumblr_final
xing_final
medium_final

4 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar