Der neongelbe Ninja II – Er kann nicht, wenn einer guckt

Beim vorgestrigen dritten Lauf dieser erneuten Periode meiner Sportlichkeit drückte ich die Zeit pro Kilometer immerhin wieder unter die 6:00 Minuten. Genaugenommen waren es im Schnitt 5:55 min/km, was ok ist. Vermutlich hat das zwei Gründe. Der erste saß auf einem Drahtesel und begleitete mich durch die Qualen fehlender Kondition. Offensichtlich bewirkt Begleitung, dass a) die Zeit schneller vergeht und b) man weniger schnell ermüdet. Das habe ich nie wirklich bewusst wahrgenommen, aber das Sprechen während eines Laufs wirkt sich wohl aufs Zeitempfinden aus. Eigentlich war ich immer der Ansicht, dass mich das Sprechen total aus dem Konzept bringt, weil ohnehin nichts Verständliches herauskommt, aber was das Sportliche angeht, scheine ich falsch zu liegen.

Was mich tatsächlich irritert, sind andere Läufer. Der Südpark in Düsseldorf bietet dem forschen Läufersburschen diverse Möglichkeiten durch ein weit verzweigtes Wegnetz. Das fördert immer mal wieder interessante Erlebnisse zutage. Die Frau, die in unserer Wohnung lebt, und ich frönen gelegentlich dem beruhigenden Spazierengehen. Das mag auf manch einen etwas spießig wirken, aber wenn die unmittelbare Umgebung einen solchen Ort bietet, spricht nichts dagegen, ihn gelegentlich aufzusuchen. Nun waren wir schon häufiger dort und haben erst vor wenigen Wochen – nach zweieinhalb Jahren, die wir dort nun wohnen – einen verborgenen Ort entdeckt. Nicht so verborgen, dass ihn noch niemand kennen sollte, aber immerhin uns unbekannt. Und wir wohnen natürlich nicht im Südpark. Zumindest nicht im Winter.
Nun verhält es sich mit den Wegen im Park so, dass aus dem Nichts ein anderer Läufer auftaucht. Gestern eine Läuferin, die ich zwar registriert habe, aber mich nicht von ihr angesprochen fühlte. Nicht verbal. Optisch. Ich hatte währenddessen ein ganz anderes Problem, das wohl Männer am ehesten nachvollziehen können:

Ich kann nicht, wenn einer guckt.

Ich glaube, das sagte schon David Odonkor 2006 bei einer Dopingprobe nach dem Polenspiel. Ich kann mich auch irren, aber irgendwo habe ich diesen Satz schonmal gehört und seitdem geht er mir nicht mir aus dem Kopf. Vielleicht wird es jetzt besser, da er niedergeschrieben wurde.
Und er ist wahr. Sei es auf einer Autobahnraststätte, in einer Bar, in einem Club, auf der Arbeit oder sonst wo: Wenn ich ans Pinkelbecken trete und jemand steht bereits dort oder kommt herein, um sich neben mich zu stellen, dann geht nichts mehr. Da kann ich pressen wie ich möchte, was vielleicht das eine oder andere Geräusch zutage fördert, aber eben nicht den gewünschten Tropfen. Mit etwas Pech lediglich rückwärtige Feststoffe…nunja. Zum Glück schaut man sich in solchen Momenten nicht gegenseitig an, sonst würde mein Nachbar bemerken, dass ich mit puterroter Birne und schweigend neben ihm stehe. Und nichts passiert. Der Nachbar verrichtet selbstbewusst sein Werk und verschwindet wieder. Erst dann setzt auch bei mir wieder Entspannung ein. Keine Ahnung, woher das kommt.

Ebenso beim Laufen. Da weiß ich wenigstens, was mich stört. Es ist nicht die bloße Anwesenheit, sondern die plötzlich auftauchenden fremden Schritte, der andere Rhythmus, die abweichende Atemfrequenz, die anscheinend nicht angehobenen Füße beim Laufen. Dummerweise hielt die Dame exakt meine Geschwindigkeit und lief auf exakt selber Höhe, weshalb ich überlegte, sie einfach von der Bahn zu drängen. Das kommt aber nicht so gut an und deshalb musste ich zwischen zwei Möglichkeiten wählen: stehenbleiben oder Tempo anziehen. Ich habe mich für die zweite Alternative entschieden. Das schien Eindruck hinterlassen zu haben. Hinter mir hörte ich die Dame abbiegen, um einen Parallelweg einzuschlagen. Ich recke die Fäuste gen Himmel. Ich hatte gesiegt. Von hinter mir höre ich:

„Ja, die fandste gut, ne?“

Es scheint eine weit verbreitete Projektionsstrategie von Frauen zu sein, die eigene Einschätzung auf den Partner zu übertragen. Wenn Sie den Eindruck hat, dass eine andere weibliche Person optisch ansprechend sei, wird diese Empfindung auf Ihn übertragen. Im gestrigen Fall habe ich das Gesicht der anderen Läuferin gar nicht gesehen, was eine nicht unerhebliche Rolle bei der Einschätzung der Attraktivität spielt. Ich kann sie nämlich nicht beurteilen. Ist das oberflächlich? Ist es das Gegenteil? Irgendjemand kann und wird mir bestimmt vorwerfen, dass ich Frauen auf ihr Gesicht reduziere. Das mutet kurios an, dürfte aber heutzutage tatsächlich so sein. Denn meiner Erfahrung und dem Empfinden einiger militanter Feministinnen nach kann man und vor allem Mann nichts mehr richtig machen. Außer vielleicht sterben.

Ich antworte meiner bereiften Verfolgerin souverän:

„Wa…? Hab da‘ Gesich’…nich‘ sehn könn‘!“ 

„Jaja.“ 

Und auch solche Momente wirken sich letztendlich positiv auf die Zeit aus. Was soll ich antworten? Kann ich überhaupt richtig antworten? Angst macht sich breit. Adrenalin wird ausgeschüttet. Deshalb lohnt es sich, in Begleitung laufen zu gehen und währenddessen auf andere Läufer bzw. in diesem Fall Läuferinnen zu treffen. Eine zu Rekordzeiten anstachelnde Kombination.

Hier geht’s zum ersten Teil!Hier geht’s zum dritten Teil!

8 Kommentare

  1. sprechen während dem laufen … puh … wenn mein „Galan“ und ich gemeinsam laufen – „verbiete“ ich ihm immer den Mund und sage „atmen, nicht sprechen“ 😦

    „Blöder Vergleich“, ist man selber Müde und geht wie in meinem Fall oft nur den Hunden zuliebe laufen, glaubt man gar nicht wie die Energie der Hunde einen anstecken kann und so ganz schnell aus einem geplanten kurzen Lauf ein langer wird ….

    Bezüglich Mädels kann ich nicht viel sagen, wir treffen kaum Leute bei uns am Feld/Waldweg … alle Faul hier … aber bei uns viel es meinem „Galan“ auf, dass eine Nachbarin immer ihn grüßt und mich gekonnt ignoriert, selbst wenn ich neben ihm stehe …

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