Das Leben auf der Straße ist hart und nicht gerecht. Die Straße ist ein heißes Pflaster. Vor gar nicht so langer Zeit bin ich von einer weiten Reise in eine Stadt im Süden Deutschlands zurückgekehrt. Diese Stadt nennt ein Fußballstadion ihr Eigen, dass im Grunde aussieht wie ein Sprungkissen für Riesen. Ob das funktioniert? Es käme auf einen Versuch an. Gilt man mit 3,56 m schon als Riese?
Auf jeden Fall haben Fahrten in Gefilde, die wenig nah liegen, immer den Nebeneffekt, dass man sich lange auf asphaltierten Wegen aufhält. Fahrenderweise. Autobahnen verlieren ihren Reiz, wenn man sie zum Parken nutzt. Wobei das solche Karosserieführer, die die Autobahn zum Fahren nutzen, mit Sicherheit reizen würde, womit wir schon mitten im Thema sind.
Bei allem, was in Deutschland durchaus sinnvoll geregelt ist und was sinnvoll verwendet wird, zählt die Autobahn zu einem Raum, der hirnfrei zu sein scheint. Man findet sich im tiefsten Neandertal wieder, wenn man von dem Verhalten einiger Verkehrsteilnehmer ausgeht. Nun zeugt meine von Fotos geprägte Autofahrervergangenheit nicht gerade von gesetzeskonformem Verhalten, aber wenn es frei ist, spricht ja eeeigentlich nichts dagegen, ein paar Dutzend km/h schneller zu fahren. Wenn sich allerdings links und rechts viele, viele Autos befinden, die nicht schneller fahren können, weil sich vor diesen ebenfalls Gefährte aufhalten, kann die Überschreitung der allgemein angepassten Geschwindigkeit schnell – schneller als wenn man langsam fährt – dazu führen, dass man sich unter einen anderen Verkehrsteilnehmer schiebt. In dem Fall wären die Autos nicht nur neben sondern auch über einem. Sportwagen und LKW sind eine solche doch eher unangenehme Paarung.
Das ist bekannt. Und trotzdem scheint es fast so, als hätten manche ihr Hirn auf dem letzten Rastplatz vergessen. Ich bin ein ruhiger Autofahrer und lasse mich selten reizen. Wenn von hinten eine andere Karre angerast kommt, ich aber mit unserer Möhre nicht schneller fahren kann (Im Ernst: Das Ding kann einfach nicht schneller als 120 km/h fahren, ohne dass man das Gefühl hat, in den eigenen Ohren würde eine Wasserstoffbombe detonieren.), bleibe ich ruhig, gehe vom Gas und lasse ausrollen, um anschließend langsam – schnelle Lenkbewegungen sind bei solchen Geschwindigkeiten tunlichst zu vermeiden – meinen Platz auf der Spur rechts von mir einzunehmen. Währenddessen kontrolliere ich den Gesichtsausdruck des Dränglers. Aus Gründen der Befriedigung. Beim Autofahren entdecke ich meine sadistische Ader. Sie liegt direkt neben der sarkastischen. Die unterhalten sich manchmal.
„Wusstest du, dass viele Menschen mit Sarkasmus nicht umgehen können, was dich echt unsympathisch macht? Das ist erwiesen.“
„Ach neeeeiiiin?!“
Das nur nebenbei.
Allerdings hat mich die Rückfahrt aus besagter Stadt an die Grenzen gebracht. Denn wenn man nach sechs Stunden Fahrt (mit diversen Lichthupen, nicht mehr zu sehenden Scheinwerfern des nächsten Dränglers, der anschließend nur um Zentimeter unseren linken Scheinwerfer verfehlt, um mich für die Trägheit dieser alten Karre zu bestrafen) aufgrund der eigenen Trägheit des Hirns auch noch an einem Autobahnkreuz versehentlich den Schildern in die falsche Richtung folgt, tritt ein fein dosierter Hulk zutage. Denn zu allem Überfluss kam die nächste Ausfahrt erst 9 Kilometer später und auf der Gegenfahrbahn herrschte reger Stillstand. Also abfahren und über Land durch die Dunkelheit. Ampel. Rot.
Der Kerl hinter mir möchte auf der einspurigen Straße an mir vorbei. Da alles steht, weil nur die obere Lampe dieser eigenartigen drei Lichter brennt, ist dieses Bestreben halbwegs sinnfrei. Ich gebe ihm über die Rück- und Seitenspiegel zu verstehen, dass mein Bewegungspotenzial ein wenig eingeschränkt ist, wenn ich nicht erheblichen Blechschaden verursachen möchte. Die Ampel springt auf Grün und der Typ hinter mir stresst an mir vorbei, um sich den Platz in der Schlange vor mir zu sichern. Denn die Ampel zeigt schon wieder Rot an. Während er an mir vorbeigefahren ist, habe ich durch Gesten und deutliche Mimik und Aussprache versucht, ihm ein Geheimnis zu verraten. Aus Gründen des Jugendschutzes muss das hier entschärft werden:
„Sir, mich dünkt euch sei ein schmales und recht runzeliges Glied zueigen.“
Oder in der dem Register entsprechenden Orthografie:
„Sir, mich dynkt eich sey eyn schmales unt recht runzlig Gliede zueygen.“
So wird wohl Goethe seinerzeit geflucht haben, wenn er im Feierabendverkehr um Köln auf der A3 auf der linken Spur bedrängt wurde. Er bat seinen Kutscher, den Pferden die Sporen zu geben. Was ja eigentlich großer Unsinn ist, denn Goethe war weder Cowboy, noch verkehrte er mit solchen. Er war Dichter, was kleingeschrieben im Straßenverkehr a) strafbar ist und b) gefährlich werden kann. Ebenso gefährlich konnte es werden, wenn Goethe nach seiner zwei Jahre dauernden und wohl sehr anstrengenden Italienreise den linken Fahrstreifen zum Überholvorgang benutzte, um dieses trantütige von edlen und wie aus dem Ei gepellten Dressurpferden gezogene Gespann hinter sich zu lassen, das die Mittelspur blockierte. Das allein birgt noch kein Risiko. Vielleicht für Goethes Pferde, die bestimmt hochbetagt gewesen sind. In einem Jahr würde der Pferdebeschauer eine neue TÜV-Plakette vergeben. So Goethes Hoffnung.
Wenn in einer solchen Situation von hinten diese neu gezüchtete Pferdeart samt tiefergelegter Equipage mit einer Gesamtleistung von 4 PS angefarzt gekommen wäre und der Kutscher sehen musste, dass die Goethesche Klapperkiste nicht schneller fahren und darüber hinaus auch nicht mehr nach rechts ausweichen kann, werden Adrenalin und Cortisol freigesetzt.
Eckermann (der kam nach eigenen Aussagen und denen von Goethe erst später ins Spiel, aber hier schreibt ein Augenzeuge, der wird’s wohl wissen) krallte sich ins Sitzpolster und betete, dass diese Situation im schwachen Licht der Gaslaternen glimpflich ausgehen möge.
„Horch! Dieser Halunke scheint mir seine Rösser ins Gesäß placieren zu wollen!“ Welch grobes Gebahren!“
„Herr! So sputet euch!“
„Was grillt’s euch im Haupte?! Das Gespann vermag erhabeneres Tempo nicht zu gehen!“
„Doch die Rösser von jenem wiehern schon, um euch zu Eile zu mahnen.“
„So sei es Schicksal. Die Gäule bleiben lahm und kein Ausweg parat. Der Stürmer und Dränger möge sich gedulden.“
Und als sich die nächste Lücke auf der Mittelspur ergab, lenkte Goethe seine Kutsche nach rechts. Der Drängler schob sich voran und hielt kurz die Geschwindigkeit, um Goethe einen verächtlichen Blick zuzuwerfen. Goethe erwiderte diese Aktion mit dem oben schon zur Sprache gekommenen Ausspruch über das primäre Geschlechtsmerkmal des Kontrahenten; der mit einem herzlichen
„Kopuliere er mit seinem Kniegelenke!“
antwortete und seine Pferde mit entsprechenden Geräuschen zu Höchstgeschwindigkeiten anheizte. Vielleicht waren das auch nur animalische Flatulenzen.
Keine Ahnung, wie ich jetzt bei Goethe landen konnte. Ich muss jetzt aber auch mal das Handy weglegen. Der Fahrer im VW hinter mir guckt schon komisch.
Beitragsbild: http://www.rp-online.de
Hrhrhrhr…kopuliere er mit seinem Kniegelenke *mwahahaha* sehr gut! Ich, die ich seit 6 Jahren aus beruflichen und zumindest die ersten 4 der genannten 6 Jahren noch aus Fernbeziehungstechnischen Gründen auf den Autobahnen der Nation zu Hause war/bin, kann das nur gut nachvollziehen. Zumal ich derzeit gezwungen bin aus den eben genannten beruflichen Gründen eine nicht unerhebliche Strecke zu pendeln – und das in einer Geographie, die dir nicht unbekannt ist *räusper* Auch mir entfahren oft gar unflätige Ausdrücke oder man beobachtet mich bei panthomimischen Darbietungen, die meinen Unmut zur Schau stellen…
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Na, dann fahr mal ein paar Jahre Auto in Süditalien! Danach erscheint einem Deutschland wie der heilige Hort der Straßenverkehrsordnung.
Fluchen auf Goethe-Deutsch finde ich übrigens super. Hab‘ mich vor Lachen mehrmals verschluckt. 😉
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Ja, das nimmt ein wenig die Spannung aus nervenaufreibenden Situationen.
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