Diszipliniertes Fernsehen: Die Produktion von morgentlichen Würsten

Ich kann mich nicht zusammenreißen. Das wird mir immer öfter klar. Also grundsätzlich sagt man mir eine gewisse Gelassenheit nach, die ich bestätigen kann und muss, um mich interessant zu machen. Andererseits ist „man“ in vielen Fällen „ich“, was nicht nur das Verb des entsprechenden Satzes vor gewisse Probleme stellt. Denn „Also grundsätzlich sagt ich mir eine gewisse Gelassenheit nach […].“ ist entweder grammatikalisch falsch oder veraltet, was demnach eine Lüge wäre. Denn ich sagte mir nicht nur Gelassenheit nach, ich tue es nach wie vor. Was ein einziges Wort bewegen kann. Das verhält sich übrigens genauso bei dem Wortpaar „hassen“ und „lieben“. Sollte man nicht verwechseln. Sorgt für Irritationen. Teilweise sogar auf der Haut, je nach Aggressionspotenzial des jeweiligen Partners.

Das führt mich zur eigentlichen Thematik zurück; nämlich, dass ich mich nicht zusammenreißen kann. Natürlich laufe ich nicht wie jemand, der zwangsneurotisch alles und jeden als Reiz zur Reaktion versteht, durch die Gegend. Aber insbesondere in den eigenen vier Wänden entfährt mir ein ums andere Mal ein Kommentar. Das ist übrigens eine Angewohnheit, der auch die Frau, die in unserer Wohnung lebt, frönt. Weshalb es wenigen unserer Freunde Spaß bereiten würde, mit uns zusammen einen schlechten Film zu schauen. Nun stellt sich dem einen oder anderen die objektiv betrachtet berechtigte Frage, ob die Inaugenscheinnahme eines schlechten Films nicht mit dem Fehlen von Spaß einherginge. „FALSCH!“, dröhnte es aus diesen Hallen. Schlechte Filme – insbesondere unfreiwillig schlechte und deshalb schon wieder lustige Vertreter des Bewegtbildes – entfalten beizeiten ihre heitere Wirkung, die durch passende Kommentation noch an Bedeutung wächst. Wir lernen also: Schlechte Filme können Spaß machen und Wirkung kann wachsen. Das war auch mir bis gerade eben neu.
Wer noch zweifelt, dem sei an dieser Stelle Mystery Science Theater 3000 ans Herz gelegt. Einmal gesehen, muss eine Pause von etwa zwei Jahren eingelegt werden, bevor man diesen Film erneut ansieht. Ganz so weit geht die Sympathie für dieses Genre dann doch nicht.

Ein weiteres Mal versuche ich den Bogen zum eigentlichen Thema zurückzuschlagen. Ich gebe mir ja wirklich Mühe, aber wie bereits weiter oben angedeutet wird, bin ich nur bedingt für meine Gedankenausflüge verantwortlich, denn: Ich kann mich nicht zusammenreißen. Eigentlich bin ich dann ja doch verantwortlich, aber viele schlaue Frauen und Männer sowie auch alles dazwischen und links und rechts davon haben in den vergangenen Jahrzehnten und -hunderten feststellen müssen, dass die Psyche eine komplexe Angelegenheit ist. Ich glaube ihnen. Sollten alle. Ich bin also unschuldig, wenn ich Werbeblöcke kommentiere bzw. einzelne Spots fassungslos mit gerötetem Auge verfluche. Weil ich ja zumindest versuche, mich zurückzuhalten. Damit es keine optisch unangenehmen Verletzungen im Auge gibt, muss dem Druck gelegentlich nachgegeben werden.
Und so sitzen wir hier gerade friedlich beisammen, im Hintergrund erklärt uns Pro7 in Gestalt von Galileo wieder einmal Dinge, die für irgendjemanden bestimmt interessant zu wissen sind. Es scheint um Fleischprodukte zu gehen, die ja bekanntermaßen le-bens-ge-fähr-lich sind. Jeder noch, der Wurst verspies, starb nach einigen Jahrzehnten. Selbst diejenigen, die kein Fleisch aßen, waren von der vernichtenden Wirkung von Wurst und ähnlich garstigen Tierbestandteilen betroffen, was als Beweis genügen sollte. Jeder, der sich – sei es durch Verzehr oder Verzicht – mit Fleischerzeugnissen befasste, lebte irgendwann nicht mehr.

Um es kurz zu machen: Auslöser für diesen Text war der Satzfetzen, den ich von Galileos Stimme aus dem Off aufschnappte:

„…er kann also jeden Morgen erneut seine Wurst produzieren.“

„Das kann ich auch!“, entfährt es mir.

Ich hoffe inständig, dass uns hier niemand abhört. Und falls doch, möchte ich, dass mir derjenige zum 70. Geburtstag ein Best-of-Manuels-und-FdiuWl-Reaktionen-Album zusammenstellt. Die Nachwelt wird es ihm danken. Oder immerhin wir. Auf jeden Fall wäre damit der ultimative Beweis erbracht, dass ich mich zusammenreißen muss.

Übrigens hört uns Google definitiv ab. Während ich diese Zeilen hier schreibe, flattert eine Email von dem geschätzten Absender „Gesundheits- Tip“ herein, um mich schon im Betreff zu fragen „Ist Fleisch krebserregend? – Jetzt vorbeugen“. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Habe mich vorgebeugt. Es ist nichts passiert. Scheint also nichts dran zu sein.

6 Kommentare

  1. Mein Mann verzichtet momentan strikt auf Fleisch. Nur Käse, etwas Geflügel und Fisch….aber am Donnerstag geht er mit mir essen…Steak. Da bin ich gespannt ob er das auch ißt 😀 ist doch sein Geburtstag, aber MANN will lange leben 🙂

    LG Mathilda

    Gefällt 1 Person

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