Das Geheimnis guten Urlaubs – Nölen in Höhlen

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Die Vorgeschichte:

Tag 2 unseres Aufenthalts in der Eifel, den wir mit der Begutachtung eines mit Industrie gefüllten Vulkankraters beginnen, bevor wir uns langsam den Berg hocharbeiten, um dort weitere Spuren menschlicher Unachtsamkeit aber auch Hinweise auf das zu finden, was hier früher mal losgewesen sein muss. Geologisch wie biologisch. Nicht ganz unspannend. Deshalb besichtigen wir eine nur scheinbar unbewohnte Höhle.

Wir stehen vor einer Holztreppe, die hoch zum Höhleneingang führt, und zögern. Es ist paradox, dass wir uns heute nicht mehr so gern in Höhlen aufhalten, während unsere Vorfahren diese als vollwertige Behausung akzeptierten. Einige findige Siedler schnitten gar ganze Höhlensysteme aus einem Berg, setzten sie auf Räder und schoben sie überall hin, um immer eine Höhle in der Nähe zu haben. Im Laufe der Zeit besann man sich auf einen leichter zu verarbeitenden Rohstoff und baute Höhlen aus Holz, die man deutlich kleiner dimensionierte und obendrein halbwegs aerodynamisch formte. Aus diesen frühen Menschen entstanden die Holländer.

Natürliche Höhlen werden heute gemieden, obwohl sie zeitgleich eine enorme Anziehungskraft auf Tiere und auch Menschen ausüben.

Wenn wir früher zum Spielen draußen waren, suchten wir uns neue Wege durch dichtes Gestrüpp. Einmal stießen wir inmitten eines riesigen Brombeergebüschs auf einen Hohlraum. Wenn es regnete, blieb es dort trocken und auch wenn es nicht regnete, blieben wir stundenlang dort sitzen. Das hat vermutlich auch damit zu tun, dass wir uns möglichst lange vor dem eher schmerzhaften Rückweg durch die Dornen drücken wollten. Manch einer verfing sich im Gestrüpp und kehrte nie zurück. Heute stehen dort Wohnhäuser. Wenn die wüssten…

img_2394_01Wir steigen die Treppe empor. Oben angekommen weht uns ein kalter Wind entgegen. Das gesamte Felsmassiv ist durch tiefe Spalten zerklüftet und irgendwo am anderen Ende dieser Höhle wird wohl der Wind durchziehen. Die Höhle ist nicht sonderlich verwinkelt. Einige schmale Durchgänge sind mit Gittern versperrt, was wohl eine Vorsichtsmaßnahme ist, damit nicht irgendwelche Draufgänger darin steckenbleiben. Die Frau, die in unserer Wohnung lebt, ist so ein Draufgänger. In meiner alten WG holte sie einmal einen Blumentopf vom Dachvorsprung des vierten Obergeschosses. Ich wurde ohnmächtig.

Hier in dieser Höhle sind die Möglichkeiten einer ausgedehnten Forschungsexpedition eher begrenzt, doch die Frau, die in unserer Wohnung lebt, macht schnell einen Punkt aus, von dem an es spannend wäre, eine Erkundung zu starten: Am Ende des Hauptgangs geht es relativ steil aber erklimmbar aufwärts. Der über die Jahrhunderte vom herabströmenden Regenwasser angespülte Lehmboden ist dort rutschig und gleichmäßig. Doch etwa zehn Meter weiter oben scheint ein Durchgang zu sein. Den möchte die Frau, die in unserer Wohnung lebt, erreichen.

Die Dunkelheit ist allerdings ein Problem. Der Vorblitz der Kamera reicht aus, damit wir uns für den Bruchteil einer Sekunde ein Bild von der Umgebung machen können. Solche Momente sind für mich der Horror. Weil ich ein durch das Fernsehen geprägtes Wesen bin, rechne ich beinahe schon damit, dass beim nächsten kurzen Aufblitzen eine menschenähnliche Kreatur vor uns erscheint. Anschließend, so meine Phantasie, rennen wir kreischend weg. Und während unsere Schreie in der Ferne verhallen, sieht man in der Höhle nur noch das rhythmische Zucken des Vorblitzes der zurückgelassenen Kamera.

Höhlen sind für mich andererseits aber auch wieder eine interessante Sache, weil ich mich vor allem für den oder das interessiere, der oder das vorher dort war. Oder wie sie überhaupt entstanden sind. In diesem Fall wusch der img_2405_01Regen weiche Gesteinsschichten aus dem Fels und bildete so langsam einen Hohlraum. Ein natürliche Höhle also. Allein das lässt mich schon ehrfürchtig zurück, denn die zeitliche Dimension, innerhalb derer soetwas entsteht, ist für Menschen schlicht nicht zu erfassen. Und ich habe größten Respekt vor der Natur, wenn ich sehe, mit welcher Geduld das Wasser seit Tausenden von Jahren von der immerselben Stelle an der Decke tropft und dort, wo sich der Tropfen bildet, immer einige kleinste Sedimentpartikel ablagert.

„Die Decke hat Pickel.“, informiere ich die Frau, die in unserer Wohnung lebt, über die pubertären Ansätze von Tropfsteinen über uns.

Sie ignoriert meine Albernheit und macht hinter mir weiter Fotos von Motten, die hier in Massen nächtigen.

Wenn man außerdem weiß, dass in dieser Höhle menschliche Knochen und Überreste von Tieren gefunden wurden, die hierzulande und sogar weltweit ausgestorben sind, wird man leicht sentimental. Also drehe ich mich um, schaue in die zwei, drei Nebengänge der Höhle und stelle mir vor, wie dort vor ewigen Zeiten mal Neandertaler saßen und schliefen. Denn die waren mal hier. Vielleicht genossen sie, so wie ich gerade, einst die Aussicht vom Höhleneingang hinunter ins Tal und warteten darauf, dass die Jäger mit einem zerlegten Mammut heimkehrten. Hinter mir höre ich die Frau, die in unserer Wohnung lebt, höherklettern. Ich höre den Autofokus der Kamera, der versucht, im optischen Brei der Dunkelheit irgendetwas scharfzustellen. Ich höre den Auslöser der Kamera. Und dann höre ich…

Die Lust, diese Höhle weiter zu erforschen, ist urplötzlich verflogen, weil der gesamte Höhlenbereich im oberen Teil von Spinnen bevölkert wird. Nun habe ich mit Spinnen im Allgemeinen keine großen Probleme, wenn ich sie kenne. Das ist vielleicht etwas gestört, aber ich habe mit Vogelspinnen weniger Probleme als mit Hausspinnen oder den img_2409_01_01Kandidaten in dieser Höhle, die ob ihrer fehlenden Haare unheilverheißend glänzen und nicht unbedingt kleine Kaliber waren.

Als wir die Höhle verlassen, kommt uns ein geheimnisvoller Mann entgegen. Im Schlepptau hat er ein schnaufendes Wesen, das sich auf zwei Beinen fortbewegt, für einen Menschen, dem es ähnelt, aber vor allem horizontal zu große Ausmaße hat. Obwohl wir im Vorfeld erfuhren, dass die hier einst heimischen Neandertaler längst verschwunden sind und Mammuts a) ausgestorben sind und b) nicht auf zwei Beinen liefen, kommen uns leichte Zweifel, ob nicht angesichts dieser Erscheinung ein paar Exemplare bis heute überlebt haben. Der mysteriöse Mann öffnet seinen Mund und grüßt uns freundlich. Wir grüßen zurück. Dann sagt er wie zu sich selbst:

„So, das ist also die Buchenhöhle. Komm, Gerda! Wir gehen mal rein und schauen sie uns an.“

Gerda trompetet einmal laut und stampft die bedenklich ächzende Treppe empor.


Bald ist Halloween. Erschreckend. Auch erschreckend: Facebook.


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