Das Geheimnis guten Urlaubs – Das Neandertal

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Die Vorgeschichte:

Nachdem wir für drei Tage in der Eifel, der vulkanischen, Urlaub machten, fuhren wir unplanmäßig nach Hause. Ich bereits zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden. Was es mit dieser mysteriösen Rückfahrt von mir auf sich hat…? Weil schon ein Sprichwort besagt, dass man auf drei Tagen Urlaub nicht stehen kann, nahmen wir uns vor, die übrigen Tage, die wir eigentlich in der Eifel verbracht hätten, in Düsseldorf urlaubsmäßig zu gestalten. Wir informierten nur wenige Menschen über unsere Rückkehr, machten unser Festnetztelefon unschädlich und warfen ein Handtuch darüber, damit es uns mit seinem Blinklicht nicht wegen eventueller Nachrichten auf dem Anrufbeantworter nerven konnte. Und dann machten wir da weiter, wo wir in der Eifel aufgehört hatten: Wir machten Urlaub und flohen vor der Stadt ins Grüne.

Es ist halb sechs Uhr morgens. Ich werde wach. Die Katze, die gestern noch ein wenig irritiert über unsere überraschende Heimkehr am Vortag kein Wort mit uns sprach, beginnt sich zu erinnern. Sie erinnert sich beispielsweise daran, wie glücklich die Frau, die in unserer Wohnung lebt, und ich stets waren, wenn sie, die Katze, uns kurz vor unserem Wecker aus dem Bett brüllte. Traditionen soll man pflegen, sagt man. Die Katze sieht das ähnlich und weckt uns traditionell zu Zeitpunkten, an denen man sich überlegen muss, ob man sich noch einmal umdreht oder aufsteht. Oft lohnt sich das Umdrehen nicht mehr. Für die Katze lohnt es sich. Der Mensch ist definitiv nicht die dominante Spezies auf diesem Planeten.

Später beim Frühstück – auch das ist neu, wir frühstückten sonst eher selten – recherchieren wir eine Wanderroute für den heutigen Tag. Irgendwo am Niederrhein soll ein etwas längerer Weg durch Sumpfgebiet mit Urwald führen, allerdings benötigt die Frau, die in unserer Wohnung lebt, für ihr Wohlbefinden Steigungen von mehr als nur zwei Metern auf den Kilometer, weshalb wir uns dagegen entscheiden. Unsere Wahl fällt auf das Naheliegende: das Neandertal.

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Störung und Verwerfung im linken Bilddrittel. Tolle Sache.

Es ist schon ein wenig verrückt, dass man überall auf der Welt den Neandertaler und somit auch das Tal, wo man ihn (es war bloß einer) fand, kennt und wir gerade einmal zwanzig Minuten von dort entfernt wohnen. Prominenz in der Nachbarschaft. Man hätte damals kurz rübergehen können, um sich eine Tasse Zucker zu leihen. Oder was man sich halt von einem Neandertaler leiht. Eine Tasse Wildkaninchen vielleicht. Oder Leder. Jedenfalls fühlt man sich als Einheimischer der Kultur oft recht fern. Was gibt es hier in Düsseldorf und Umgebung schon? Den Pott. Dem haften allerdings eher negative Assoziationen an. Ähnlich wie Düsseldorf. Schön ist die Stadt nicht unbedingt. Aber eben in der Nähe des Neandertals, wo man Überreste unserer Vorfahren fand.

Das soll heute unser Ziel sein und wir packen wie gewohnt einen Rucksack mit Kamera, Getränken und den Salamettis von Aldi. Letztere können im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden. Sollte uns ein wildes Tier angreifen, könnten wir es mit den Salamettis besänftigen.  Als wir auf dem Weg zu einem Parkplatz sind, von dem aus wir unsere Wanderung starten werden, beschleicht mich das Gefühl, dass ich vor kurzem erst hiergewesen bin.

Ich: „Hey! Hier in der ist das doch, wo ich hoffentlich…“

Sie: „Schreib das besser noch nicht. Du könntest darüber doch einen separaten Beitrag schreiben.“

Ich: „Das ist richtig, aber jetzt gerade sitzen wir doch im Auto und fahren. Ich schreibe doch in diesem Moment gar nichts. Die Beitragsreihe über den Urlaub werde ich erst begonnen haben, wenn der Urlaub vorbei gewesen sein wird.“

Sie: „Tja, Metaebenen sind schon was Verrücktes, was?“

Ich war hier also vor kurzem erst und winke einmal. Niemand sieht mich. Schließlich erreichen wir den Parkplatz und machen uns auf die Socken. Wir gehen einen Weg, der uns erst durch anscheinend langweiliges Terrain führt. Das hat den Vorteil, dass wir die hoffentlich spannenden Teile rund ums Neandertal-Museum gegen Ende zu sehen bekommen. Zunächst weichen wir aber von der planmäßigen Route ab und befinden uns plötzlich in einem engen Tal. Wenig später erscheint ein großer Hof mit img_3065_01verschlossenem Tor. Überall auf dem Hofgelände verteilt sitzen Pfauen. Wir schauen uns das eine Weile an, aber verstehen nicht, was uns das Schicksal damit sagen möchte, und ziehen weiter. Irgendwas wird es schon bedeuten, wenn man in einem engen Tal auf einen Hof stößt, der von Pfauen bevölkert wird. Allein für dieses surreale Bild lohnt sich dieser Ausflug schon.

Irgendwann finden wir auf den eigentlichen Pfad zurück, wandern über Felder und laufen schließlich eine Weile parallel zu einer historischen Strecke namens „Bundesstraße 7“. Die traurige Wahrheit ist nämlich, dass die Gegend hier zwar schön aber von Bahnstrecken und Schnellstraßen begrenzt ist. Schließlich erreichen wir das „Eiszeitliche Wildgehege Neandertal“ und hoffen auf spektakuläre Sehenswürdigkeiten. Bis auf einige Gebilde am Wegesrand, die Tierfährten erklären sollen, es aber faktisch nicht tun, weil keine Erklärungen dranstehen, gibt es nichts zu entdecken.

20161022_160213_02Einziges Highlight bleibt ein alter und recht kleiner Steinbruch, der nicht mehr in Betrieb ist. Hier offenbart sich aber das Problem, das entsteht, wenn verkopfte Kultur- und Tourismusmanager eine Sehenwürdigkeit in Szene setzen wollen. Der Steinbruch wäre für sich allein schon genug, nur versucht man gelegentlich krampfhaft, einen tieferen Sinn zu addieren. Ein möglicher Dialog dazu:

Tourismusmanager: „Klaus, der Steinbruch ist klasse. Den müssen wir irgendwie in Szene setzen.“

Kulturmanager: „Der Meinung bin ich auch. Du, Jochen, ich kenne da einen Künstler, der mit Pflanzen arbeitet. Der könnte doch einfach eine Buchenhecke in den Steinbruch pflanzen. Die zarte Hecke bildet einen harmonischen Kontrast zum durch die Erdkräfte verformten Fels.“

Tourismusmanager: „Genial! Ruf ihn an! Machen wir! Budget spielt keine Rolle!“

Wenige Wochen später.

Tourismusmanager: „Du, Klaus. Also…die Hecke ist eingegangen. Buchenhecken scheinen wohl Sonnenlicht zu brauchen. Da unten im Steinbruch ist es allerdings ganzjährig schattig und feucht. Zu feucht.“

Kulturmanager: „WER HÄTTE DENN DAMIT RECHNEN KÖNNEN?!“

Auf dem letzten Teil des Rundwanderwegs treffen wir auf Wisente. Wisente sind wie Bisons, nur europäischer. Die sind vor 200 Jahren überall in Deutschland durch die Wälder gezogen. Heute nicht mehr. Weil wir hierzulande total aufgeklärt und umweltbewusst sind. So geben wir uns zumindest gern. Aber das ist ein anderes Thema. Als wir die Wildgehege hinter uns lassen, kommt uns eine junge Familie entgegen. Die Mutter trägt ihren Sohn auf dem Arm. Er sieht müde aus. Plötzlich spricht sie mich an.

„Entschuldigung. Ist es noch weit?“

img_3134_01Ich habe keine Ahnung, was die Frau meinen könnte. Wohin möchte sie denn? Wie kommen manche Menschen darauf, dass man wissen könnte, was in deren Kopf vorgeht? Ich habe schon Probleme damit, wenn mir jemand etwas erzählt und wie selbstverständlich Namen nennt, nicht aber erklärt, wer das überhaupt ist. Ich könnte die Frau natürlich fragen, wohin sie mit ihrer Familie gehen möchte. Stattdessen trete ich einen Schritt näher und tätschele ihrem Sohn den Kopf. Ich lege die rechte Hand auf ihre Schulter, schaue sie bemitleidend an, seufze tief und sage:

„Ja.“

Als wir weitergehen, höre ich ihren Sohn plärren. So ein Urlaub kann echt Spaß machen.


Hast Du Internet? Ach, und warum folgst Du mir dann noch nicht?!


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8 Kommentare

  1. Oh…das sollte keine Antwort auf den vorhergehenden Eintrag werden…ich habs nicht so mit Hunden. Aber da ich bislang keinen gangbaren Weg gefunden habe – sag ich einfach hier, dass es mir gut gefällt, das zu lesen, was du schreibst.

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      • Meine Güte. Also damit werd ich nicht warm. (Wegen Nichtbeherrschung, wahrscheinlich.) Ähm…also eben mokierte ich mich über (oder ohne Präposition? Waaah…die Fachsimpeleien überlasse ich wohl lieber dir und deinen Clan-Mitgliedern) – auf jeden Fall will ich hoffen, dass ‚hahaha‘ kein Auslachen war! (Wie ich eben schon schrieb – falls das entgegen aller Vernunft doch irgendwo auftauchen sollte – ruhig mit mehr als einem Fragezeichen versehen, wäre ich nicht geläutert was die gehäufte Nutzung derselben anbelangt) – also…die Blumen gehen an dich, solange du mich nicht auslachst.

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      • So wie das „gefällt mir-Dings“? Furchtbar. Mir gefällt zB das Bild von der Dame…in der farblich gut zu den Felsen abgestimmten Hose…aber dafür gibt’s keinen Button (hässliches Wort). Wenn es ihn gäbe – würde ich ihn nicht drücken. Sondern ihr das schreiben respektive (schönes Wort, nur eine vage Ahnung, dass es vielleicht anwendbar wäre) sagen. Was soll man mit diesen „like-Dingern“? Die bringen nichts…außer vielleicht ‚Patienten‘ zum Therapeuten. (Oh….soll heißen: ich freue mich über das Geschriebene….was dir sicherlich bereits klar war.)
        Überspringst du oft?

        Like

  2. Hahaha? (Also da wären noch mehr Fragezeichen, wenn ich nicht irgendwo mal gelesen hätte, dass nur Deppen sie in mehrfacher Ausführung verwenden….tja, dieser Stolz.) Die Blumen gehören dir – wenns kein Auslachen war!

    Gefällt 1 Person

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